Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , 29 Kommentare zu 140 Seiten Mehrwertsteuer-Schreiben: Wat fott es es fott

140 Seiten Mehrwertsteuer-Schreiben: Wat fott es es fott

Eine Vielzahl von Gutachtern rät dazu, die Mehrwertsteuer einfacherer und weniger kompliziert zu gestalten. Vorgeschlagen wird, Steuerermäßigungen abzuschaffen und für mehr Güter den Regelsteuersatz anzuwenden. Oft wird dazu geraten, Lebensmittel weiterhin steuerlich zu bevorzugen. So auch das in der vorletzten Woche präsentierte Gutachten der Universitäten Erlangen-Nürnberg, Mainz und Saarbrücken. Deren Begründung, dass der ermäßigte Steuersatz für Lebensmittel geeignet sei, die ärmeren Haushalte relativ zu entlasten, stößt allerdings auf erhebliche Zweifel.

Es trifft zwar zu, dass Haushalte mit geringen Einkommen relativ mehr Geld für Lebensmittel ausgeben als Haushalte mit höherem Einkommen. Das ist aber nicht maßgeblich, denn absolut gesehen geben die einkommensstarken Haushalte mehr aus für Brot, Butter, Gemüse, Fleisch und Obst. Und dadurch profitieren sie absolut gesehen stärker vom ermäßigten Steuersatz. Treffsicherheit von sozialen Maßnahmen sieht anders aus. Statt Lebensmittel für alle Bürger zu verbilligen, wäre es sinnvoller, die finanzielle Unterstützung für Einkommensschwache zu erhöhen. Dann könnte der ermäßigte Steuersatz für alle Güter gestrichen werden. Das erspart viel bürokratischen Aufwand bei Unternehmen und Staat. Als erstes könnte man das 140-seitige Anwendungsschreiben des Bundesfinanzhofes von 2004 dem Altpapier zuführen. Im Kölschen Grundgesetz heißt es dazu: Wat fott es es fott.


Die Langfassung dieses Beitrags ist als „Ordnungspolitischer Kommentar“ des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln erschienen.

Weitere Informationen zu diesem Thema:
Prof. Rolf Peffekoven – “Rückkehr zu einer generellen Konsumbesteuerung”

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 3 Kommentare zu „Währungskrieg“ bedroht Weltwirtschaft

„Währungskrieg“ bedroht Weltwirtschaft

Der Euro steigt wieder. Doch der Kursanstieg ist wesentlich auf die Abwertung des US-Dollars zurückzuführen.

Auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank stehen die Sorgen um einen Abwertungswettlauf wichtiger Währungen im Fokus. Von „Währungskrieg“ ist die Rede. Vor allem China steht am Pranger, das seinen Renminbi seit gut 15 Jahren an den US-Dollar koppelt. Der Außenwert der chinesischen Währung gilt als deutlich unterbewertet und begünstigt den Export chinesischer Konsumprodukte. Nicht ohne Gegenreaktion: So erhöhten die USA Ende September die Importzölle für die Einfuhr chinesischer Reifen von 5% auf 35%. Doch wenn sich daraus ein handfester Handelskrieg hochschaukelt, verlieren am Ende alle.

Dieses Beispiel zeigt, wie schnell sich in Krisenzeiten eine Politik etabliert, die in Währungs- und Handelskriege münden kann. „Beggar-my-neighbour-Policy“ heißt das im Ökonomen-Englisch. Die Welt ist auf dem besten Weg dazu, die alten Fehler zu wiederholen. It’s our currency, but it’s your problem“ formulierte es 1971 der amerikanische Finanzminister John Connally. Denn auch die USA sehen durchaus – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen – die praktischen Vorteile eines schwächeren Dollar: der Import von ausländischen Waren wird erschwert, der Export amerikanischer Produktion wird erleichtert.

Die politische Diskussion in Deutschland macht um dieses Thema bisher einen riesigen Bogen. Dass der Euro seit seinem Februar-Tiefstand um rund 15% aufgewertet hat, wird verdrängt. Und das obwohl der Euro angesichts der maroden Finanzen der Mitgliedsstaate unter Abwertungsdruck steht. Dabei sollte jeder wissen, dass für die deutsche Exportwirtschaft die Luft bei weiter steigendem Eurokurs schnell dünner wird – und letztlich der ganze Aufschwung gefährdet wird.

Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , , , 7 Kommentare zu OECD verrennt sich in Nachhilfe

OECD verrennt sich in Nachhilfe

Die OECD sieht berufsbildende Schulen in Deutschland in der Verantwortung, den Auszubildenden nun auch Nachhilfe in Allgemeinbildung zu geben. Dies sei die richtige Antwort auf die häufig beklagte mangelnde Ausbildungsfähigkeit der jungen Leute, stellt die OECD in ihrer Studie zur Berufsbildung in Deutschland fest.

Rechnen, lesen, schreiben – und im Übrigen auch ein Mindestmaß an sozialen Kompetenzen -dies sind die Grundanforderungen, die ein potentieller Auszubildender für jeden Lehrberuf in Deutschland mindestens erfüllen sollte. Deren Vermittlung ist die Pflicht der allgemein bildenden Schulen. Doch diese scheinen an der Aufgabe immer häufiger zu scheitern, denn nach PISA gilt: Jeder fünfte deutsche Jugendliche ist nicht oder kaum ausbildungsfähig. Diese Aufgaben nun teilweise an die berufsbildenden Schulen delegieren zu wollen ist absurd und kann keine tragfähige Lösung sein. Es ist nicht möglich, dass die Auszubildenden in der Berufsschule erst mit den Grundkompetenzen die zu einer Ausbildungsreife gehören, ausgestattet werden müssen. Denn dies würde letztendlich auch zu Lasten der fachpraktischen Ausbildung im Betrieb gehen.

Das Problem ist da, es wird erkannt und es wird darauf reagiert. Viele Firmen geben ihren Auszubildenden intern Nachhilfe. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Das deutsche Schulsystem muss effizienter und leistungsfähiger werden. Die Vermittlung grundsätzlicher Kompetenzen zu verschieben macht keinen Sinn.

Zitat

Dem Geld darf man nicht nachlaufen, man muss ihm entgegenkommen.

— Aristoteles Onassis, 1906-1975, griechischer Reeder

Arbeitsmarkt, Bildung, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und Finanzen, UmweltTagged , , , , , , , , , , , , , , 12 Kommentare zu Plädoyer für Wachstum

Plädoyer für Wachstum

Paque

Rezension: Karl-Heinz Paqué: Wachstum! Die Zukunft des globalen Kapitalismus, München 2010

Kritik am Wirtschaftswachstum ist nichts Neues. Neu ist aber, dass die Diskussion über die Notwendigkeit von Wachstum nicht mehr ein Phänomen des Feuilletons oder gesellschaftlicher Randgruppen darstellt. Längst zweifeln breite Teile der Bevölkerung, Politik und Wirtschaft, ob Wachstum die Lösung oder nicht vielmehr die Ursache für gegenwärtige und zukünftige Probleme ist. Bezeichnenderweise sinkt gleichzeitig die Zuversicht am gesellschaftlichen Fortschritt. In der Regel herrscht dabei eine eindimensionale Vorstellung darüber, was Wachstum ist: Eine fortwährende quantitative Steigerung – die Gier nach immer mehr. Zur Recht kritisiert der Autor „diese Vorstellung als grob irreführend. Tatsächlich verbindet sich mit dem Wachstum eine stete Veränderung der Produktionspalette und der Qualität der Erzeugnisse“.

Unerwähnt bleibt in der Regel auch, dass Wachstum aus Freiheit resultiert. Der unternehmerischen Freiheit selbst zu entscheiden, welche Produkte auf welchem Wege hergestellt und am Markt angeboten werden. Soll diese Freiheit tatsächlich staatlich beschnitten werden? Der Motor des Wachstums ist Wissen, transformiert in technischen Fortschritt. Insofern erscheint dem Autor die Forderung nach Verzicht auf Wachstum recht merkwürdig: „Sie bedeutet nämlich den Verzicht auf die Umsetzung von neuem Wissen in eine qualitativ bessere und vielfältigere Produktwelt, und zwar privatwirtschaftlich und gemeinnützig.“ Nicht alle werden mit einer staatlichen Wachstumsbeschränkung einverstanden sein. Wer einen Ausstieg aus dem Wachstumspfad fordert sollte sich deshalb der absehbaren Konsequenzen bewusst sein: „Eine drohende Massenabwanderung von Leistungsträgern“.

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Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , 18 Kommentare zu Rente mit 67 – Rentenkürzung ohne Alternative

Rente mit 67 – Rentenkürzung ohne Alternative

Anstieg der Lebenserwartung.

Bei der Debatte um die Rente mit 67 muss man sich über eines klar werden: Die enorme Steigerung der Lebenserwartung bedeutet nichts anderes als eine stetige implizite Rentensteigerung. Im Durchschnitt beziehen wir heute über 5 Jahre länger Rente als 1960. Damit das Verhältnis von Rentenbezugszeit zu Beitragszeit heute jenem von früher entspräche, müssten wir eigentlich schon heute bis 69 arbeiten. Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist somit die logische Folge und trägt zur dringend notwendigen Konsolidierung der GRV bei – und zwar unabhängig davon, ob die Menschen wirklich länger arbeiten.

Für den hypothetischen Fall, dass sich am Renteneintrittsalter absolut nichts ändert, müssen die betroffenen Kohorten die entsprechenden Rentenkürzungen in Kauf nehmen. Im anderen Extremfall, in dem alle zwei Jahre länger arbeiten, käme es zwar zu keinen Abschlägen, allerdings hätte sich die Beitragszeit verlängert und die Rentenbezugszeit verkürzt. Die Diskussion um die Einfrierung der Regelaltersgrenze mangels Beschäftigung ist absolut fehlgeleitet. Die dringend notwendige Rentenkürzung wird so oder so erreicht. Und die Probleme der Älteren auf dem Arbeitsmarkt kann und soll nicht die GRV lösen, sondern nur sinnvolle Arbeitsmarktpolitik.


Weitere Fakten zur Rente mit 67 finden Sie hier.

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , , , , 17 Kommentare zu “Nicht locker lassen, Herr Schäuble!”

“Nicht locker lassen, Herr Schäuble!”

Marc Beise von der Süddeutschen Zeitung fordert in seinem aktuellen VideoBlog Die Konjunktur in Deutschland entwickelt sich besser als erhofft: Es gibt mehr Steuereinnahmen und gleichzeitig fallen die Ausgaben. Und schon wachsen wieder die Begehrlichkeiten. Übersehen wird dabei, dass Deutschland nach wie vor eine gravierende strukturelle Verschuldung abzubauen hat. Nicht allen in der Politik scheint dies bewusst zu sein. Der Druck auf Schäuble, vom Sparkurs abzuweichen, wird sich in den nächsten Wochen erhöhen. Marc Beise, Wirtschaftschef der Süddeutschen Zeitung, fordert in seinem wöchentlichen VideoBlog den Finanzminister auf: „Nur nicht locker lassen, Herr Schäuble!“

Arbeitsmarkt, Bildung, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , , , 4 Kommentare zu Uni-Maut: Mehr Qualität, bessere Betreuung

Uni-Maut: Mehr Qualität, bessere Betreuung

So verwenden die Fakultäten an der Ruhr-Universitäten ihren Anteil an den Studiengebühren.

Die Begeisterung der Studenten in NRW über die Ankündigung der Landesregierung die Studiengebühren ab dem Wintersemester 2011/12 abzuschaffen, könnte schon bald verfliegen. Denn die Einnahmen von 249 Millionen Euro fehlen nun in den Kassen der Unis. Diese Einnahmen machten es möglich, dass Bibliotheken an vielen Hochschulen auch am Wochenende geöffnet sind, Kurse zur Berufsvorbereitung offeriert werden und zusätzliches Lehrpersonal und Tutoren für ein reichhaltigeres Lehrangebot und kleinere Seminare sorgen. Sofern all diese Errungenschaften auch zukünftig erhalten bleiben sollen, müssen sie nunmehr auf anderem Wege finanziert werden.

Zwar hatte die neue Regierung versprochen, die notwendigen Finanzmittel aus dem NRW-Landeshaushalt zu bestreiten. Doch vor dem Hintergrund der hohen Haushaltsverschuldung ist die Frage mehr als berechtigt, ob eine Kompensation im vollen Umfang wirklich realisiert werden kann. Groß sind seine Befürchtungen, dass es am Ende genauso abläuft wie in Hessen. Nachdem dort die Studiengebühren abgeschafft wurden, wurde das Defizit zwar tatsächlich aus dem Landeshaushalt ausgeglichen. Jetzt werden aber die Wissenschaftsetats der Hochschulen um eben diesen Betrag gekürzt. Das werden die Studenten spüren. Kurz: Qualität hat nun einmal ihren Preis. Wer davon profitiert, sollte sich auch an der Finanzierung beteiligten.


Weitere Informationen zu diesem Thema:

*Der langsame Abschied von den Studiengebühren – Welt online vom 15.09.2010

*NRW-Unis fürchten ums Geld – Der Westen vom 03.09.2010

*NRW will die Studiengebühren streichen: Wie Weihnachten – General Anzeiger Bonn vom 01.09.2010

*Bloß kein zweites Hessen – Financial Times Deutschland vom 25.06.2010

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 60 Kommentare zu Mehr Freiheit, mehr Wohlstand

Mehr Freiheit, mehr Wohlstand

Der Befund lässt keinen Zweifel: Je größer die wirtschaftliche Freiheit, je höher das durchschnittliche Einkommen.

Eigentumsrechte, Stabilität der Währung, Handelsfreiheit, Umfang der Staatstätigkeit, Umfang der Regulierung von Unternehmen und des Finanz- und Arbeitsmarktes – das sind die Indikatoren für wirtschaftliche Freiheit. Was das betrifft rangiert Deutschland nach der Studie „Economic Freedom of the World Report 2010“ des Fraser Insitute auf Rang 24 – drei Plätze weiter vorne als im Vorjahr.

So weit so gut: Doch ein Grund zum Feiern ist das nicht. Die bessere Platzierung kommt ausschließlich daher, dass sich der Staat in anderen Nationen noch breiter gemacht hat als in Deutschland. Hinzu kommt: Die Daten der aktuellen Studie stammen aus dem Jahr 2008 – also vor Beginn der Finanzkrise und den darauf folgenden Verstaatlichungen. Tatsächlich dürfte der Staat heute noch stärker in der Wirtschaft mitmischen. Dabei betont die Studie ausdrücklich: Mehr wirtschaftliche Freiheit steigert Einkommen und Wohlstand. Es kann kein Zweifel bestehen: Wir brauchen wieder mehr Freiheit und weniger Staat!


Die Studie “Economic Freedom of the World Report 2010” wird jährlich von einem Verbund aus 52 Wirtschaftsinstituten berechnet. Herausgeber der Studie ist das Fraser Institute.

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 21 Kommentare zu Sind wir alle ökonomische Analphabeten?

Sind wir alle ökonomische Analphabeten?

Von der FAZ bis zur taz, von der Linkspartei bis zur CSU wird am Beispiel der Gesundheitsreform, die jetzt vom Bundeskabinett auf den Gesetzgebungsweg gebracht wurde, der Abschied von der paritätischen Finanzierung beklagt. Die solidarische Finanzierung der Krankenversicherung sei mit der endgültigen Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags auf 7,3% eingeläutet, weil künftig allein die Versicherten über Zusatzprämien die steigenden Gesundheitsausgaben zu bezahlen hätten.

Sind wir eigentlich alle ökonomische Analphabeten, wenn wir uns diese herrschende Meinung unreflektiert zu Eigen machen? Tatsächlich bezahlen die Arbeitnehmer seit ewigen Zeiten natürlich die vollständigen Sozialversicherungsbeiträge selbst. Denn der so genannte „Arbeitgeberanteil“ zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung gehört zum kompletten Arbeitsentgelt, das jeder Mitarbeiter verdienen muss.

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Arbeitsmarkt, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 12 Kommentare zu Arbeit bleibt teuer

Arbeit bleibt teuer

Trotz der geringen Lohnsteigerungen in den letzten Jahren gehört Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Arbeitskosten im produzierenden Gewerbe.

Kaum setzte der Aufschwung in Deutschland ein, da wurden im In- aber auch Ausland Forderungen nach Lohnsteigerungen in Deutschland laut. Zu den prominentesten ausländischen Befürwortern dürfte die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde gehören. Wiederholt hatte sie den Deutschen gegenüber den Vorwurf erhoben, sie würden sich durch Lohnzurückhaltung auf den internationalen Märkten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Zwar stimmt es, dass die Löhne in Deutschland so langsam gestiegen sind wie nirgendwo sonst in Europa. Unerwähnt bleibt aber: Westdeutschland hat selbst nach den geringen Lohnsteigerungen in den letzten Jahren unter den großen Volkswirtschaften in der Industrie das weltweit höchste Kostenniveau.

Werden auch die kleinen Volkswirtschaften berücksichtigt, liegt die westdeutsche Industrie mit 36,05 Euro je Stunde für Löhne und Personalzusatzkosten im internationalen Vergleich immer noch auf dem vierten Platz. Auch im Heimatland von Frau Lagarde liegen die Arbeitskosten um acht Prozent unter den Westdeutschen. Andere westliche Staaten wie die USA, Japan und das Vereinigte Königreich haben sogar Kostenvorteile von nahezu 40 Prozent. Ganz zu schweigen von China. Mit Arbeitskosten von 2,25 Euro pro Stunde produziert der Exportweltmeister um fast 94 Prozent günstiger als Deutschland. Fakt ist: Durch den Tritt auf die Lohnbremse hat Deutschland noch nicht einmal die Sünden der Vergangenheit, die vor allem in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre begangen wurden, wettgemacht. Aber auch wer nur auf die jüngere Vergangenheit schaut, sollte einen Wechsel von der Bremse auf das Gaspedal noch einmal überdenken. Denn in der Wirtschaftskrise haben die Unternehmen versucht, ihre Belegschaft soweit wie möglich zu halten. Trotz Arbeitszeitverkürzung brach daher die Produktivität kräftig ein. Folge: Noch immer sind die Lohnstückkosten 10 Prozent höher als Anfang 2008.

Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , 17 Kommentare zu Gesundheitsreform ohne Effizienz

Gesundheitsreform ohne Effizienz

Zwischen 1957 und 2011 hat sich der Beitragssatz zur GKV verdoppelt.

Voraussichtlich 11 Milliarden Euro werden kommendes Jahr in der Gesetzlichen Krankenversicherung fehlen. Um die Finanzierungslücke zu schließen, setzt die Politik schwerpunktmäßig auf ein allseits bekanntes Instrumentarium: Der Beitragssatz zum Gesundheitsfonds soll von 14,9 auf 15,5 Prozent erhöht werden. Dadurch würden die Beitragszahler mit rund 6 Milliarden Euro zusätzlich belastet. Zwar sieht der Entwurf zum GKV-Finanzierungsgesetz auch Einsparungen auf der Ausgabenseite vor. Aber hier werden nur Kosten budgetiert.

Erstens sollen die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen eingefroren werden. Eine unnötige Maßnahme, da die GVK-Versicherten durch einen Wechsel zu einer Kasse mit niedrigeren Verwaltungskosten hier selbst für Abhilfe sorgen können. Zweitens sollen die Erlöszuwächse von Krankenhäusern begrenzt werden. Problematisch erscheint hier nicht nur, dass andere Leistungserbringer wie die Apotheken von diesen Maßnahmen zur Kostendämpfung nicht tangiert werden. Das eigentliche Manko besteht darin, dass keinerlei Effizienzsteigerungen der Leistungserbringer im Gesundheitswesen eingefordert werden.

Positiv anzumerken ist aber die Reform der Finanzierungsseite, d.h. die Verbesserung der Art des Sozialausgleichs bei den Zusatzprämien. Er erfolgt nun über den Gesundheitsfonds statt innerhalb einer Krankenkasse.


Dr. Boris Augurzky ist seit 2003 Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ am Rheinisch-Westfälischen Institut Essen. Seine Forschungsinteressen liegen auf angewandten ökonometrischen Fragestellungen im Bereich der Gesundheitsökonomie. 

 

Zur Grafik: Seit dem 1. Juli 2005 ist ein von den GKV-Mitgliedern (Arbeitnehmer und Rentner) allein zu bezahlender Sonderbeitrag von 0,9 Prozent in den ausgewiesenen Werten mit enthalten. Seit 2009 gilt ein für alle GKV- Mitglieder einheitlicher Beitragssatz. Zur Jahresmitte 2009 wurde der Beitragssatz durch zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt im Rahmen des Konjunkturpaketes nach unten korrigiert.

 

Weitere Informationen zu diesem Thema:

*Bereits im Januar 2009 hatte Prof. Dr. Felder, Leiter des Lehrstuhls für Gesundheitsökonomie an der Universität Duisburg-Essen, in dem Beitrag „Gesundheit: massive Defizite“ im ÖkonomenBlog dafür plädiert, die Effizienzreserven im Gesundheitssystem zu heben.

*Hier geht es zur Pressemitteilung zur RWI Position #37:  „Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung – Ein Kommentar des Gesetzentwurfes zum GKV-FinG“

*Hier geht es zur RWI Position #37: „Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung – Ein Kommentar des Gesetzentwurfes zum GKV-FinG“

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Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 28 Kommentare zu Mehr Ältere in Lohn und Brot

Mehr Ältere in Lohn und Brot

Seit den Hartz IV Reformen ist die Beschäftigungsquote der älteren Erwerbspersonen wieder stark angestiegen. Grund für die niedrige Quote bisher, waren vor allem falsche Anreize.

Als die Große Koalition die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre beschloss, hagelte es Proteste. Der Hauptvorwurf: Die niedrige Erwerbsbeteiligung von Arbeitnehmern zeige, dass Ältere auf dem Arbeitsmarkt ohnehin kaum Chancen mehr hätten, angeblich aufgrund rasch sinkender Leistungsfähigkeit jenseits des 50. Lebensjahres.

Doch weit gefehlt: Die niedrige Beschäftigungsquote von älteren Arbeitnehmern war nicht das Ergebnis fehlender adäquater Arbeitsplätze, sondern das Resultat falscher Anreize. Seit durch die Hartz-Reformen ein frühzeitiger Berufsausstieg finanziell unattraktiv ist, erlebt die Beschäftigung der 55-64-Jährigen einen rasanten Anstieg.

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Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , 1 Kommentar zu Wetten, dass?!

Wetten, dass?!

Die Begründung für das staatliche Wettmonopol war fadenscheinig. Nur 6% des gesamten Wetteinsatzes liegen im regulierten Bereich.

Wettfreunde haben Grund zum Feiern: Der Europäische Gerichtshof hat das staatliche Monopol für Sportwetten in Deutschland für unzulässig erklärt. Wem die staatlichen Wettstellen Oddset und Toto nicht genügen, der kann nun das vielfältige Angebot im Internet nutzen, ohne sich wie bisher im juristischen Graubereich bewegen zu müssen. Und sie können auf neue innovative Spiele hoffen, die sich im Wettbewerb zwischen privaten Anbietern entwickeln.

Die Begründung für das Staatsmonopol – nämlich die Eindämmung der Spielsucht – war ohnehin nur ein fadenscheiniger Deckmantel. Bei einem Glücksspielmarkt wie dem deutschen, auf dem 94 Prozent der Umsätze bei Unternehmen im Ausland anfallen, konnte es ohnehin nie darum gehen. In Wahrheit ging es um die Maximierung der fiskalischen Einnahmen. Doch damit hat sich der Staat offenkundig selbst verzockt. Ihm bleibt nunmehr die Rolle, für die er ohnehin vorgesehen ist. Er kann regulierend in den Markt eingreifen und Vorgaben zum Schutz der Konsumenten machen. Ohne Monopol gelingt das sowieso besser. Wetten dass?

Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 39 Kommentare zu Steuern: Misstrauen durch Intransparenz

Steuern: Misstrauen durch Intransparenz

Die wenigsten Bürger zahlen gerne freiwillig Steuern. Gleichwohl gibt es eine grundsätzliche Akzeptanz, sich an der Finanzierung der Staatsaufgaben zu beteiligen. Wichtig dabei ist es den Menschen aber, für die gezahlten Steuern auch eine adäquate Leistung zu erhalten. Ist das der Fall, halten die Bürger das Steuersystem für fair. Darüber hinaus steigt die Zustimmung, wenn sich der Staat bei seinen Ausgaben an den Wünschen seiner Bürger orientiert und eine langfristige Finanzierbarkeit dieser Aufgaben organisiert. Gefährlich ist hingegen der umgekehrte Ansatz: Zuerst nach dem maximalen Steueraufkommen zu streben und sich dann Gedanken darüber zu machen, wie die Einnahmen ausgegeben werden könnten. Hierdurch werden falsche Anreize gesetzt – die Politik neigt dann dazu, sich mit zusätzlichen Staatsausgaben zu profilieren. Bürger fühlen sich dann schnell entmündigt – zu Recht!

Durch die Unübersichtlichkeit des gegenwärtigen Steuersystems wird es den Bürgern zudem unmöglich gemacht, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sachgerecht beurteilen zu können. Ein intransparentes Steuersystem geht immer zu Lasten derjenigen, die nicht die Mittel besitzen, aus der Intransparenz Vorteile zu ziehen. Abhilfe leisten kann die Einführung eines einfachen Steuersystems, denn es schafft Transparenz. Umgekehrt gilt: Intransparenz schürt Misstrauen.


Prof. Dr. iur. Dr. rer. pol. Dr. h.c. Christian Kirchner leitet den Lehrstuhl für deutsches, europäisches und internationales Zivil- und Wirtschaftsrecht und Institutionenökonomik an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Bildung, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , , 6 Kommentare zu Wahlfreiheit, mehr Sachleistungen, weniger Bares

Wahlfreiheit, mehr Sachleistungen, weniger Bares

Die Ausgaben für Familie, Jugendliche und Kinder sind in den letzten zehn Jahren gestiegen.

Harsch war die Kritik von links und rechts auf den Vorschlag der Sozialministerin Ursula von der Leyen, eine Chipkarte für Kinder von Hartz-IV-Empfängern einzuführen. Stimmen aus dem liberal-konservativen Lagers sehen darin eine Bevormundung und ein Misstrauen gegenüber den Leistungsempfängern. Für sie widerspricht dies der liberalen Grundhaltung unseres Gemeinwesens.  Linke Stimmen hingegen argwöhnen, dass die Einführung der Chipkarte letztlich dazu genutzt werden solle, die staatlichen Ausgaben für Soziales zu reduzieren.

Beide Seiten haben mit ihrer Kritik recht. Und dennoch ist die Chipkarte eine Überlegung wert: Denn leider gibt es berechtigte Zweifel an der Fähigkeit mancher Eltern, ihre Kinder adäquat zu fördern und ihnen eine gute Ausbildung zukommen zu lassen. Andererseits hängt gute Sozialpolitik nicht nur von der Höhe der Transferleistungen ab. Letztendlich geht es um die Frage, wie benachteiligte Kinder am treffsichersten gefördert werden können. Zudem haben die Steuerzahler grundsätzlich einen Anspruch auf eine zielführende und effektive Verwendung von Sozialleistungen. Zweifelsohne ist dies mit der Chipkarte geboten, aber auch die Wahlfreiheit bleibt nicht auf der Strecke. Denn anders als bei reinen Sachleistungen ist der Nutzer der Chipkarte gefordert, aus einem bestimmten Angebot auszuwählen. Zwar kann auch die Chipkarte einen Mangel an elterliche Zuwendung nicht ausgleichen, aber im Gegensatz zu reinen Geldleistungen ist die Chipkarte das zielführendere Instrument, um die Startchancen benachteiligter Kinder zu verbessern.