Einkommen

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Weg für niedrigere Steuern ist möglich

Konsolidierungsbedarf des Bundeshaushaltes in den nächsten Jahren.

Bundestagswahlkampf in Deutschland: Sind die Parteien so wenig unterscheidbar, wie viele behaupten? Beim Thema Steuern sicherlich nicht. Union und FDP halten Steuersenkungen für wünschbar und möglich. SPD und Grüne hingegen verweisen auf sinkende Einnahmen und präferieren im Zweifel sogar höhere Steuern für Gutverdiener.

Was ist angesichts der aktuellen Haushaltslage überhaupt möglich? Eines ist klar: Wer Steuern senkt, muss dies in einen mittelfristigen Konsolidierungsplan realistisch einfügen. Dass eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung möglich ist, konnte in den 80er Jahren bereits hinlänglich bewiesen werden.

Niemand verlangt, den Staatshaushalt bis 2010 vollständig auszugleichen. Niemand will die Steuern kurzfristig um 50 Mrd. Euro senken und dies noch im selben Jahr durch höheres Wachstum ausgleichen. Das Bundesfinanzministerium hat jüngst im Finanzbericht dargelegt, welchen Konsolidierungsbedarf der Bund zu erfüllen hat: 2011 sind es knapp fünf Mrd. Euro, 2012 zusätzlich sechs Mrd. Euro und 2013 weitere 7,5 Mrd. Euro. Wenn der Bund dafür die Defizitquote pro Jahr um 0,2 Prozentpunkte reduzieren muss, so ist im Gesamthaushalt lediglich eine jährliche Minderung um 0,6 Prozentpunkte nötig. Dabei muss noch berücksichtig werden, dass der gültige Finanzplan auf deutlich pessimistischeren Konjunkturschätzungen beruht als derzeit angezeigt. Ausgehend von diesen Daten erscheint eine Haushaltskonsolidierung machbar – und damit auch der Weg für eine niedrigere Steuerbelastung.

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Rentenbeiträge steigen – garantiert

Die Rentengarantie kann teuer werden. Im Handelsblatt vom 22. September rechnet Prof. Axel Börsch-Supan vor: Auf über 22 Prozent könnten die Beiträge steigen.

Im Frühjahr prognostizierten die Wirtschaftsforscher eine sinkende Bruttolohn- und Gehaltssumme – minus 2,3 Prozent für 2009. Würde bedeuten: sinkende Renten in 2010 – erstmals seit 1957. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz konnte sich sodann mit dem gesetzlichen Verbot von Rentenkürzungen in Szene setzen. Die Gehaltsprognosen passten ihm aber nicht ins Konzept: Fast jeden Tag rechne „ein neuer schlauer Professor oder ein neues schlaues Institut“ aus, was alles schief gehen könne, sprach er in die Kameras und Mikrofone. „Aussagen zur Rentenanpassung sind zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation”, wiederholte seine Sprecherin gestern noch einmal.

Warum aber eine Rentengarantie, wenn die ökonomische Einschätzung, es komme zu Gehalts- und Rentenkürzungen, Unfug ist? Weil der Arbeitsminister die Kosteneinschätzung zur Garantie-Erklärung ebenso wenig wahr haben will, wie die Gefahr sinkender Löhne. Dabei hatten der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen und sein Mannheimer Kollege Axel Börsch-Supan, unabhängig voneinander vorgerechnet: Die Rentengarantie gibt´s nicht zum Nulltarif. Vielmehr müssten die unsystematischen Eingriffe in die Rentenformel mit steigenden Beiträgen teuer bezahlt werden. Keine schöne Nachricht im Jahr der Bundestagswahl – dann wischt man die Analysen doch besser als „Expertengequatsche“ vom Tisch.

Die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen jetzt aber, dass die Ökonomen doch den richtigen Riecher hatten. Die Bruttogehälter sanken bereits im ersten Halbjahr um ein Prozent – steigende Arbeitslosigkeit und auslaufende Kurzarbeit noch nicht mitgerechnet. Immer mehr Wirtschaftsforscher warnen, dass die Rentengarantie bereits 2010 greifen könnte – und die Rentenkasse damit erheblich belastet. Höhere Ausgaben und weniger Einnahmen – das ist in einem Umlagesystem nur schlecht möglich.  Steigende Beiträge sind dann so gut wie garantiert.


Grafik: Quelle Handelsblatt vom 22. September 2009.

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Nicht an die Mehrwertsteuer gewöhnen

Komplizierte Erbschaftsteuer
Zum Ende der Legislaturperiode sei mir erlaubt zu sagen: Aus dem Blickwinkel einer vernunftgeleiteten Steuerpolitik waren das leider keine glanzvollen Jahre. Beispiel Erbschaftssteuer: Ein unverwechselbarer Sündenfall. Kompliziertere Wertermittlungsverfahren hätten keinem einfallen können – eine erhebliche Belastung für den Mittelstand, der für die Steuererhebung jetzt praktisch ein Gutachten beauftragen muss. Stattdessen wäre es sinnvoll gewesen, für die Erbschaftssteuer eine breite Bemessungsgrundlage mit einem niedrigen Steuersatz anzusetzen. Das wäre effizienter für alle Beteiligten.
 
Das andere Beispiel ist die Staatsverschuldung: Im Prinzip wissen wir vor der Bundestagswahl noch nicht, wie die Politik die hohe Staatsverschuldung zurückfahren kann. Union und Liberale wollen die Einkommensteuer sogar senken. Die SPD will die hohen Einkommensgruppen hingegen stärker belasten. Der Vorschlag für eine einmalige Vermögensabgabe kommt von den Grünen. Damit wollen sie die Staatsschulden in einem Ruck spürbar senken, ähnlich wie beim Lastenausgleich nach dem zweiten Weltkrieg. Ungeachtet aller praktischen Schwierigkeiten aus meiner Sicht eine Idee, über die diskutiert werden muss, denn irgendwie muss der gigantische Schuldenberg wieder abgebaut werden. Einmalige Steuerinstrumente müssen aber zwingend mit echten Reformen verbunden werden, damit das strukturelle Defizit beseitigt wird und sie auch wirklich einmalig bleiben. Von der Mehrwertsteuer sollte die neue Regierung aber besser die Finger lassen – denn eine krisenbedingte Erhöhung würden die Politiker sicher nicht mehr so schnell zurückdrehen. Da ist der Gewöhnungseffekt durch die Steuermehreinnahmen einfach zu groß.

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Arme Zweitjobber gibt es kaum

Zweitjobber: Anteil in Prozent an allen Erwerbstätigen

Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen in Deutschland, die neben ihrem Hauptberuf einem regulären zweiten Job nachgehen. Von Anfang an wurde diese Entwicklung von den Gewerkschaften als Beleg für die Amerikanisierung des deutschen Arbeitsmarktes angesehen. Mit dem Gespenst einer „working poor“ lässt sich natürlich effektvoll Angst verbreiten. Um über die Runden zu kommen, müssten immer mehr Menschen im Nebenjob zusätzlich schuften. Für die USA mag dies zutreffen. Aber für Deutschland und fast alle europäischen Länder eben nicht.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt: Seit 1992 sind es nunmehr doppelt so viele, die neben ihrem Haupt- auch einen Nebenjob erfüllen: 1,4 Millionen Menschen. In Deutschland aber alles andere als ein Massenphänomen – das sind gerade einmal 3,7 Prozent aller Erwerbstätigen. Wer aber gehört dazu? Sind dies die Niedrigverdiener, die ohne eine Nebentätigkeit in die Armut rutschen? Die Zahlen belegen das nicht: Personen mit geringem Ausbildungsniveau sind unter den Zweitjobbern unterrepräsentiert. Zweitjobs sind vielmehr eine Domäne von Facharbeitern und Akademikern: Versicherungsvertretern, Professoren, Lehrern, Publizisten, Künstlern und Juristen.

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Solidarität ist möglich

Solidaritätszuschlag: Einnahmen und Ausgaben

Wenn wir in diesen Tagen, 20 Jahre nach dem Mauerfall, auf die Aufbauleistungen in den neuen Bundesländern schauen, drängt sich zwangsläufig die Frage auf: wie geht’s weiter mit dem Soli? Nicht, dass es im Osten nichts mehr zu tun gäbe. Aber der Aufbau von Infrastruktur und die Angleichung der Lebensverhältnisse sind weitgehend abgeschlossen. „Wenn man dies alles zusammennimmt, haben wir zwischen Rostock und Suhl jeden Anlass, stolz zu sein“, sagt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck dazu.

Der abrupte Schwenk von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft war für viele nicht immer leicht – in der Gesamtschau aber sehr erfolgreich. Stück für Stück kann sich der Staat jetzt aus der Finanzierung des Angleichungsprozesses zurückziehen. Das schrittweise Auslaufen der Solidarpakt II-Transfers ist bereits beschlossene Sache. Warum aber soll der Solidaritätszuschlag dann noch in voller Höhe den Steuerzahlern auf der Tasche liegen? Übrigens in West und Ost gleichermaßen. Bereits heute werden nicht einmal mehr 80 Prozent aus dem Soli-Aufkommen (Steuereinnahmen 2009 etwa 12 Mrd. Euro) in den Aufbau Ost investiert (Solidarpakt 2009 etwa 9,5 Mrd. Euro). Mit dem Rest werden längst andere Staatsausgaben finanziert. Und auf frei verfügbare Steuereinnahmen will kein Finanzminister wehrlos verzichten. Im Gegenteil: Viele behaupten, der Staat sei pleite und Steuersenkungen seien nicht möglich. Die Zahlen belegen aber das Gegenteil: noch nie hatte der Staat so viel Geld wie in diesen Jahren. Er müsste einfach mal etwas weniger ausgeben. Sparen könnte er bei den Subventionen (momentan 58 Mrd. Euro), beim Umsatzsteuerprivileg der Deutschen Post (0,5 Mrd. Euro) oder bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Einsparpotential 36 Mrd. Euro). Wenn der Staat weniger ausgibt, könnte er dann auch endlich einmal Solidarität mit seinen Steuerzahlern üben.

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Trotz Krise Chancen am Arbeitsmarkt

Trotz Krise - hohe Fluktation auf dem Arbeitsmarkt

Wirtschaftskrise, Bankenkrise, Kaufhauskrise – bei diesen Schreckensmeldungen haben Jobsuchende keine Chance, könnte man zumindest meinen. Doch der Arbeitsmarkt ist bisher robuster als vielfach befürchtet. Das liegt neben dem starken Einsatz der Kurzarbeit vor allem an zwei Dingen.

Zum einen steht auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Arbeitsmarkt nicht still. Auch in der Krise werden Unternehmen gegründet, expandieren manche Betriebe, gehen Mitarbeiter in den wohlverdienten Ruhestand oder verlassen aus anderen Gründen das Unternehmen. Diese Faktoren sorgen für reichlich Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind im Jahr 2008 weit über sieben Millionen neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geschlossen worden. Selbst im Krisenjahr 2005 konnten immerhin noch 6,3 Millionen Menschen eine neue Stelle antreten. Dabei unterscheidet sich die Fluktuation von Branche zu Branche erheblich. Erwartungsgemäß ist die Fluktuation in Behörden sehr gering, aber überraschenderweise auch bei Banken: Dort bekleidet mehr als die Hälfte der Beschäftigten ihren Posten seit mehr als 10 Jahren. Wahre Job-Hopper findet man hingegen bei den Unternehmensdienstleistern, wie beispielsweise in der Wirtschaftsberatung und bei der Zeitarbeit. Hier ging 2007 jeder fünfte Arbeitnehmer seiner Tätigkeit seit weniger als einem Jahr nach.

Zum anderen gibt es auch in Krisenzeiten noch strukturelle Engpässe bei bestimmten Qualifikationen. So klafft derzeit allein im Bereich der MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik)-Qualifikationen noch eine Fachkräftelücke von etwa 55.000. Auch wenn sich diese Lücke gegenüber dem Höchststand im Herbst letzten Jahres mehr als halbiert hat, werden spätestens nach dem Ende des konjunkturellen Abschwungs die demografischen und strukturellen Effekte wieder die Oberhand gegenüber der derzeit negativen konjunkturellen Entwicklung gewinnen. Allein aus demografischen Gründen besteht ein Ersatzbedarf an altersbedingt ausscheidenden MINT-Akademikern von jährlich 49.000 bis zum Jahr 2014 und jährlich 59.000 zwischen 2015 und 2020. Dazu kommt ein jährlicher Expansionsbedarf von etwa rund 52.000 MINT-Akademikern. Die derzeitige Zahl an Hochschulabsolventen wird diesen Bedarf nicht decken können.

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Schere schließt sich

Die Schere zwischen arm und reich schließt sich

Angeblich “kippt” die Gesellschaft und die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Die Armut ist aber in der aktuellen Wirtschaftskrise dramatisch zurückgegangen. Zumindest wenn man sie in der hirnrissigen Art und Weise misst wie das auch in Deutschland üblich ist, nämlich als Anteil derjenigen, die weniger haben als die Hälfte des Durchschnitts. Wenn aber die Reichen auf einmal ärmer werden, sinken der Durchschnitt und der Anteil derjenigen, die weniger haben, ebenfalls. Mit wahrer Armut und Sorge um das nackte Überleben hat das, was heutzutage in Deutschland als Armut kolportiert wird, nicht das Mindeste zu tun. Über diese DGB-Armut können die wirklich Armen dieser Welt nur lachen. Anders als die wahre Armut lässt sich auch die vom DGB und seinen Claqueuren in den Medien beklagte Wohlstandsarmut spielend leicht beheben – wir nehmen den Reichen ihre Mehrverdienste weg, dann haben alle das Gleiche, und die Armut ist verschwunden.

Prof. Dr. Walter Krämer, Institut für Wirtschafts- und Sozialstatistik Technische Universität Dortmund.


Ein gängiges Klischees auf der Titelseite, aber falsch: Die Finanzkrise vergrößert die Kluft zwischen Arm und Reich nicht, sondern verkleinert sie, da besonders die Besserverdiener unter dem Absturz der Aktien- und Immobilienkurse leiden.

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International wettbewerbsfähig (bleiben)

Arbeitskosten der Industrie je Arbeitnehmer

Seit 2003 ist Deutschland Exportweltmeister. So sehr man sich über den Titel auch freuen kann, überbewerten darf man ihn nicht. Denn als große, offene Volkswirtschaft mit hohem Industrieanteil inmitten des Euroraums verfügt Deutschland auch über beste Vorraussetzungen dazu. Verhängnisvoll wäre es, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Gerade jetzt sehen wir, dass eine Exportwirtschaft extremen Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt ist.

Zu den wichtigsten Standortfaktoren gehören nach wie vor die Arbeitskosten pro Stunde: Deutschland ist und bleibt aber nicht gerade ein billiger Standort. Nur Belgien, Schweden, Dänemark und die Schweiz sind teurer. Im Standortwettbewerb ist das ein gehöriger Nachteil, insbesondere bei Neuansiedlungen.

Entscheidender Kostentreiber in Deutschland ist allerdings nicht das hohe Lohnniveau. Das zeigt ein Blick auf die große Kluft zwischen Netto- und Bruttoeinkommen, also auf die international viel zu hohen Lohnzusatz- und Nebenkosten. Wenn die Einkommen auch in Zukunft steigen sollen, muss es zunächst einmal gelingen, die Arbeitnehmer von zu hohen Steuern und Abgaben zu befreien. Zum anderen müssen die Wachstums- und Fortschrittspotentiale gestärkt werden. Nur so kann der Produktivitätsvorsprung gegenüber der Konkurrenz langfristig gesichert werden – mit Qualität und Innovation lassen sich höhere Preise auch im Ausland rechtfertigen. Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Entwicklung von Humankapital – dies sind die Wachstumstreiber der Zukunft. So können wir die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland stärken und den Wohlstand jedes Einzelnen erhalten und ausbauen.


Jeden Montag oder Dienstag werden im ÖkonomenBlog Beiträge aus der Reihe „Wohlstands-Bilanz-Deutschland“ veröffentlicht, mit denen die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft nachgezeichnet und auf neue Herausforderungen hingewiesen wird. Eine umfassende Übersicht über Wohlstands-Parameter wie Einkommen, Vermögen, Lebensqualität und Bildungschancen finden Sie auf der Internetseite http://www.wohlstandsbilanz-deutschland.de/

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Rente: Ende mit Schrecken

Anteil der Erwerbstätigen in der jeweiligen Altersgruppe

Besser zu spät, als nie – in diesem Sinne muss sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück letzten Donnerstag dazu durchgerungen haben, die von seiner Regierung forcierte Rentengarantie als Gefahr für die Generationengerechtigkeit zu kritisieren. Viel bringt es wohl nicht, sich zu fragen, warum er erst am Tag vor der abschließenden Bundesratssitzung mit seiner Meinung um die Ecke kommt. Immerhin lagen die Argumente, Zahlen und Folgekosten doch schon im Mai auf dem Tisch: Wenn in Zeiten sinkender Löhne nur die Rentner geschont werden, kommt das den Steuer- und Beitragszahlern teuer zu stehen. Das Tricksen an der Rentenformel kostet uns alle bis zu 73 Milliarden Euro.

Insoweit kann man dem Finanzminister nur Recht geben. In der Sache wäre es aber besser gewesen, wenn er bereits im Mai das Gesetz verhindert hätte, anstatt es im Juli nachträglich zu kritisieren. Steinbrück wird sich wohl an Adenauer erinnert haben, der einmal sagte: „Auch in der Politik ist es niemals zu spät. Es ist immer Zeit für einen neuen Anfang.” Demnach müsste der Bundestag sein umstrittenes Gesetz möglichst schnell wieder zurücknehmen. Dazu passt ein weiteres Sprichwort: „Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.” Na dann, schau´n mer mal.


Zur Grafik: Rentenpolitik hat Hochkonjunktur. Momentan wird nicht nur die neuste Rentengarantie heftig diskutiert, sondern auch über das Renteneintrittsalter ab 67 Jahren. Aktuelle Zahlen zeigen aber: Die Aufregung ist jedoch unbegründet: lediglich 7 Prozent aller Bürger über 63 Jahren gehen überhaupt noch einer Vollzeitbeschäftigung nach.

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Arbeit soll sich wieder lohnen

Entwicklung der Aufstocker

Wer mit seiner Erwerbsarbeit das Existenzminimum nicht erreicht, dessen Lohn wird in Deutschland durch Hartz-IV-Leistungen aufgestockt. Gerade in Krisenzeiten würde die Zahl von diesen so genannten „Aufstockern” ansteigen, möchte man meinen. Umso verblüffender ist es, dass nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit derzeit die Anzahl aber rückläufig ist. Eine detaillierte Betrachtung zeigt jedoch Unterschiede – je nachdem, um was für Einkommensbezieher es sich handelt.

Die Anzahl der Aufstocker mit Mini-Jobs (Monatslohn bis 400 Euro) ist in jüngster Zeit leicht angestiegen. In etwa konstant ist die Zahl mit Midi-Jobs (Monatslohn von 400 – 800 Euro). Stark rückgängig ist dagegen die Anzahl mit höher entlohnten Jobs. Wie kann dies sein, denn eigentlich müssten alle Beschäftigungsformen gleichermaßen von der Rezession betroffen sein?

Eine plausible Erklärung liefert ein Blick auf die Hinzuverdienstregelungen bei den verschiedenen Beschäftigungsformen. Wer einen 400-Euro-Job hat und Hartz-IV bezieht, darf nach wie vor per saldo 160 Euro behalten, die anderen 240 Euro werden auf den Hartz-IV-Satz angerechnet. Dahingegen bleiben bei einem Einkommen von 800 Euro – in der Regel ein Job mit viel größerem Zeitaufwand – nur 80 Euro übrig. Eine solche Fehlsteuerung beim Hinzuverdienst für Hartz-IV-Aufstocker macht Mehrarbeit, den Einstieg in Arbeit kaum attraktiv. Offensichtlich hatte die Große Koalition diesen Missstand erkannt – aber leider scheiterten mehrere Anläufe zu einer Reform.

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Steuern: heimlich durch die Hintertür

Entlastungspotential durch Beseitigung der kalten Progression
Mit der Festlegung der Wahlprogramme ist die Diskussion um das richtige Steuerkonzept voll entbrannt. Die Einen fordern Steuersenkungen, die Anderen behaupten, Steuersenkungen seien nicht finanzierbar – und fordern deswegen Steuererhöhungen. Richtig ist, dass sich angesichts der konjunkturell bedingten Steuerausfälle und der hohen Haushaltsdefizite der Spielraum für steuerliche Entlastungen tatsächlich stark eingeschränkt hat. Höhere Steuern sind in der jetzigen konjunkturellen Phase allerdings kontraproduktiv, weil sie die Nachfrage schwächen und den wirtschaftlichen Erholungsprozess hinauszögern.

Dennoch besteht im Bereich der Einkommensbesteuerung Handlungsbedarf. Zwar wurden im Zuge des Konjunkturpaketes II Entlastungsschritte, wie die Anhebung des Steuerfreibetrages und die Verringerung des Eingangsteuersatzes um 1 Prozentpunkt, beschlossen, jedoch reichen diese Reformen nicht dazu aus, das deutsche Steuersystem den international üblichen Standards anzupassen.

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Europa, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , 10 Kommentare zu Wohlstand auf Kosten der Zukunft

Wohlstand auf Kosten der Zukunft

BIP und Schulden pro Kopf im Jahr 2008

Beim Krisenmanagement offenbart sich in Deutschland eine seltene Einigkeit: Ob Bankenrettung, Konjunkturpakete, Staatsverschuldung – Konsens auf Kosten der nächsten Generationen. Denn niemand anders als sie werden die irrsinnige Neuverschulung des Bundes in den Jahren 2010 bis 2012 in Höhe von 310 Milliarden Euro abtragen müssen. Der gigantische Schuldenberg ist größer als der gesamte Bundeshaushalt für das Jahr 2008. Die Schuldenmeister werden sagen: die Konjunkturpakte sichern Arbeitsplätze. Ist es aber moralisch gerechtfertigt, heutige Probleme auf Kosten künftiger Generationen zu lösen? Meiner Ansicht nach nicht.

In der Krise zeigt sich doch unser grundsätzliches Problem: Wie definieren wir Wohlstand? In der Regel orientieren wir uns am Bruttoinlandsprodukt. Wenn es sinkt, entsteht in Deutschland immer eine gedrückte, pessimistische Stimmung. Geht es uns bei sinkendem BIP aber automatisch schlechter? Selbst in Zeiten sinkender Löhne ist unsere Lebenserwartung weiter angestiegen. Gleiches gilt für Bildung und Gesundheit. Werden solche Faktoren bei der Bewertung des Wohlstandsniveaus mit berücksichtigt, dann geht es uns heute besser als in den Jahren zuvor. Vor diesem Hintergrund ist die Frage mehr als berechtigt, ob wir wirklich 310 Mrd. Euro neue Schulden aufnehmen müssen, nur weil wir uns dann wohler fühlen.


Jörg Tremmel ist Wissenschaftlicher Direktor der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Der BlogBeitrag basiert auf einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger vom 24. Juni 2009.

Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 5 Kommentare zu Mit Gleichheit zu weniger Wohlstand?

Mit Gleichheit zu weniger Wohlstand?

Entwicklung der oberen und unteren Einkommensschichten

Mit dem Thema Armut wird in der deutschen Öffentlichkeit regelmäßig der Nerv der Bürgerinnen und Bürger getroffen. Das hat zuletzt auch die groß angelegte Debatte um überzogene Managergehälter und astronomischen Bonuszahlungen an Investmentbanker gezeigt. Mit dem Hinweis auf jene Verdienste der Manager suggerieren die Armutsberichte eine breiter werdende Kluft zwischen Managergehälter und Niedriglohnempfänger. Der Abstand zwischen „unten” und „oben” wird immer größer, heißt es. Das stimmt zwar, betrifft aber nur einen kleinen Teil der Bevölkerung. Tatsächlich sind in Deutschland nur sehr wenige Personen derart reich. So beziehen zum Beispiel nur etwa 0,4 Prozent der Beschäftigten ein Bruttomonatsgehalt von über 10.000 Euro. Die breite Bevölkerung, die definitorisch weder arm und reich ist, findet in den zahlreichen Armutsdebatten kaum Beachtung.

Tatsächlich ist die Lücke zwischen arm und reich, kaum größer geworden. Weder werden die armen wesentlich ärmer, noch werden die reichen viel reicher. So hat seit der Wiedervereinigung der Einkommensanteil am Gesamteinkommen der ärmsten 10 Prozent nur um 0,4 Prozentpunkte bis zum Jahr 2007 abgenommen. Der Anteil der reichsten 10% am Gesamteinkommen stieg im gleichen Zeitraum leicht von 20,2 auf 22,4 Prozent. Die objektive Einschätzung, dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden ist statistisch somit kaum zu halten.

Angesichts der Finanzkrise wird sich die Vermögensungleichverteilung wieder etwas relativieren, denn die Vermögenseinkommen dürften in den kommenden Jahren geringer ausfallen und der Rückgang der Aktienkurse das nominelle Vermögen deutlich reduzieren. Dadurch wird die Wohlstandsverteilung wieder etwas weniger ungleich, obschon der Wohlstand insgesamt auch leicht abnehmen wird. Weniger Ungleichheit bedeutet somit keineswegs mehr Wohlstand für alle.


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Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 4 Kommentare zu Von oben nach unten

Von oben nach unten

Umverteilung von oben nach unten

In Deutschland hält sich hartnäckig das Vorurteil, dass es zu keiner Umverteilung von oben nach unten käme, sondern vielmehr die Mittelschicht die Hauptlast an der Finanzierung des Staates zu tragen habe. In Wahrheit ist jedoch das Gegenteil der Fall. Denn tatsächlich werden in Deutschland die oberen Einkommen weitaus stärker belastet als die unteren. Dafür sorgt nicht zuletzt das progressive Steuersystem. Im Jahr 2007 trugen die oberen 5 Prozent der Steuerpflichtigen 40 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens. Die oberen 50 Prozent sorgten fast für das gesamte Einkommensteueraufkommen. Geringverdiener und Mittelschicht sind also nicht die Zahlmeister der Nation. Das Hauptproblem des deutschen Sozial- und Umverteilungssystems sind aber die hohen Kosten, die es verursacht. Insbesondere der Faktor Arbeit ist hierzulande hoch belastet. So machen die Einkommensteuer und die gemeinsam von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanzierten Sozialversicherungsbeiträge bei einem Alleinstehenden mit Durchschnittsverdienst mehr als die Hälfte der Arbeitskosten aus – die Abzüge sind also höher als das frei verfügbare Nettoeinkommen.


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Steuern und FinanzenTagged , , 3 Kommentare zu Soziale Unsicherheit statt Absicherung

Soziale Unsicherheit statt Absicherung

Anteil der oberen 30 Prozent der Einkommensbezieher am Gesamtaufkommen

Im Bundestagswahlkampf haben Ideen, wie die Finanzierung der Sozialversicherungssysteme neu geordnet werden könnten, Hochkonjunktur. Dabei greifen die Protagonisten auf alt bewährte Argumente zurück. Die Gutverdiener würden sich der Solidargemeinschaft entziehen, heißt es. Im Gesundheitswesen ist Deutschland allerdings bereits mit großen Schritten auf dem Weg in die Einheitskasse. Erklärtes politisches Ziel ist es, den Privatversicherungen den Garaus zu machen. Ist es Ziel, ein System zur Absicherung individueller Risiken zu optimieren, sollte den Marktteilnehmern mehr Freiraum eingeräumt werden, statt sie zu beschränken. Staatlicher Interventionismus in Richtung einer Einheitskasse wird zu einem Mehr an sozialer Unsicherheit und zu einem Qualitätsverfall im – zumindest gesetzlichen – Gesundheitswesen führen.

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