Mindestlohn

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Von Schnäppchenjägern und Mindestlöhnen

Viele Nachbarstaaten Deutschlands haben Mindestlöhne. Auch in Deutschland gibt es mit Hartz IV einen impliziten Mindestlohn.

Die Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen ist populär im Land. Wer in Vollzeit arbeitet, soll auch davon leben können! Das klingt sozial, nicht nur in der Vorweihnachtszeit.

Doch die Wirklichkeit ist komplizierter und wir alle sind nicht nur Arbeitnehmer, die für sich selbst ordentliche Löhne erwarten. Wir sind auch Konsumenten. Viele Deutsche sind Schnäppchenjäger, allzeit bereit, jedes Produkt und jede Dienstleistung zu Schnäppchenpreisen einzukaufen. Der Gegenwert für die im Produkt steckende Arbeitsleistung ist dem Kunden schlussendlich egal – Hauptsache billig! Dasselbe gilt im Handwerk. Allzu gerne weichen wir Kunden auf Schwarzarbeit aus. Denn wer will schon freiwillig Verrechnungspreise für Gesellen bezahlen, die inklusive Mehrwertsteuer bereits knapp 50 Euro pro Stunde kosten?

Wir sind Heuchler und Pharisäer, wenn wir die ökonomischen Zusammenhänge in der Diskussion um gesetzliche Mindestlöhne außer Acht lassen. Die Lohnfindung gehört in die Betriebe, ist Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeitgebern, nicht des Gesetzgebers.

Das Münchner ifo-Institut hat den Arbeitsplatzverlust durch einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro (!) vor gut zwei Jahren auf bis zu 1,1 Millionen geschätzt. Was haben Menschen mit geringer Qualifikation oder Langzeitarbeitslose davon, einen gesetzlichen Mindestlohn garantiert zu bekommen, wenn dieser verhindert, dass sie überhaupt einen Arbeitsplatz finden?

Übrigens: Wir haben in Deutschland einen Mindestlohn – der nennt sich Hartz IV. Für einen arbeitslosen Alleinstehenden ist eine Vollzeitstelle unattraktiv, wenn sein monatlicher Bruttolohn nicht höher als 1200 Euro liegt. Das entspricht einem Stundenlohn von rund 7,50 Euro.

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Mindestlohn mit Risiken und Nebenwirkungen

Am 01. August hat das Kabinett für rund 600.000 Beschäftigte in der Pflegebranche einen gesetzlichen Mindestlohn beschlossen. Doch nach wie vor gilt: Mindestlöhne sind langfristig Gift fürs Wachstum. Denn ein Arbeitgeber, der vom Staat vorgeschrieben bekommt, höhere Löhne zu zahlen, steht vor Mehrkosten, die meistens durch weniger Neueinstellungen oder Entlassungen gelöst werden. Die Folge: Die Arbeitslosigkeit steigt. Da der Mindestlohn im vorliegenden Fall mit 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten vergleichsweise gering ausfällt, hält sich zum Glück auch der Schaden in Grenzen.

Es gibt aber noch weitere Gegenargumente: Die Monopolkommission weist in ihrem Hauptgutachten auf die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen von branchenspezifischen Mindestlöhnen hin. Große Unternehmen sind in der Regel produktiver als kleine und können deswegen oft mehr als einen gesetzlichen vorgeschriebenen Lohn zahlen. Für weniger produktive stellt ein Mindestlohn aber eine erhebliche Mehrbelastung dar und sind so im Wettbewerb benachteiligt. Hinzu kommt: Ein Mindestlohn erschwert Marktzutritte potentieller Wettbewerber. Und darunter leiden am Ende vor allem die Verbraucher.

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Verteilen hilft nicht

Das Hartz-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat eine richtige und wichtige Grundsatzdebatte über die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaates ausgelöst. Kaum war das Urteil gesprochen, überschlugen sich die Forderungen nach höheren staatlichen Leistungen: die eine Ministerin brachte steuerfinanzierte Füllfederhalter und Wassermalkästen ins Gespräch, die andere plädierte für höhere Regelleistungen für Kinder. Ebenso ziellos die aktuelle DGB-Forderung nach einem Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde. Wie so oft wird vor allem über das „Verteilen“ und nicht über das „Erwirtschaften“ diskutiert. Keiner bezweifelt den gutmütigen Geist von Politikern, die sich für die so genannte „soziale Gerechtigkeit“ einsetzen. So wie gestern die Abgeordnete Katja Kipping in der Bundestagsdebatte: Wir bräuchten einen „sozialen Fortschritt“. Und der drücke sich in einem Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde aus.

Sicher gut gemeint. Aber ordnungspolitisch sinnvoll kann das nicht sein. Und gut für die Menschen auch nicht. Warum sollte man einer Frisöse in Bautzen oder einem Floristen in Erfurt nicht gönnen, acht bis zehn Euro Stundenlohn zu verdienen? Na ja, weil der Stundenlohn wenig mit „gönnen“ oder „sozialer Gerechtigkeit“ zu tun hat. Zunächst muss der Stundenlohn real erwirtschaftet werden. Diktiert der Staat einen höheren gesetzlichen Lohn als das, was in den Betrieben tatsächlich erarbeitet wird, muss es zwangsläufig zu Entlassungen und steigender Arbeitslosigkeit kommen. Gestern stellte das ifo Institut Dresden neue Zahlen vor: Schon bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro sind in Deutschland rund 1,2 Millionen Arbeitsplätze gefährdet. Wen trifft es am härtesten? Diejenigen, die sich um einen Einstieg in Arbeit bemühen. Die sich neben Hartz IV mit einem Mini- und Einstiegsjob etwas dazu verdienen. Und diejenigen, die so Anlauf nehmen wollen, wieder in eine reguläre Beschäftigung zu kommen. Ist das der Sozialstaat, den wir uns wünschen?


– Mehr Infos und Materialien zur Mindestlohn-Debatte: Ifo Institut.
– Frankfurter Allgemeine Zeitung:
8,50 Euro je Stunde spalten die Ökonomen.
– Focus online: Laut Bundesverfassungsgericht müssen
Hartz-IV-Sätze neu berechnet werden.

– „Soziale Gerechtigkeit ist keine Gerechtigkeit“: Dr. Michael Prollius über die Unmöglichkeit des „verteilenden Gerechtigkeit“. Gelesen im Newsletter des Instituts für Unternehmerische Freiheit.

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Post ohne Mindestlohn

Ein ordnungspolitischer Sündenfall ist jetzt wieder vom Tisch: Der Post-Mindestlohn in Höhe von 9,80 Euro ist rechtswidrig – das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Grund: Verletzung des Wettbewerbs. Private Postdienstleister wurden bisher in erheblichem Maß behindert – viele Arbeitsplätze gingen bereits verloren. Das Urteil gibt Hoffnung auf einen neuen freien Postdienstmarkt. Vorraussetzung ist aber, die Diskriminierung privater Anbieter auch bei der Mehrwertsteuer aufzuheben. Erst dann heißt es wieder: Ab die Post.

Prof. Dr. Justus Haucap: Briefe außer Konkurrenz
WELT-online vom 28.1.2010: Endlich ist Schluss mit der Mindestlohn-Trickserei

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Briefe außer Konkurrenz

Der Mindestlohn für die Briefzusteller hat zu verstärkten Marktaustritten von Wettbewerbern der Deutschen Post AG geführt.

Die Wettbewerbsentwicklung auf den Briefmärkten ist miserabel. Und das, obwohl zu Beginn des Jahres 2008 die Exklusivlizens für Briefe bis 50 g für die Deutsche Post formal aufgehoben wurde. Stattdessen wurde die Liberalisierung allerdings durch massive staatliche Eingriffe konterkariert.

Allein die Aufrechterhaltung der Mehrwertsteuerbefreiung für die Deutsche Post AG verschafft dem Unternehmen einen Kostenvorteil von rund 19 Prozent gegenüber den mehrwertsteuerpflichtigen Mitwettbewerbern. Die zweite abschreckende Barriere für jedes Konkurrenzunternehmen ist der Ende 2007 abgeschlossene Mindestlohntarifvertrag – der sogar die Forderungen der Gewerkschaften übertraf. Da die meisten Post-Beschäftigten ohnehin nach hauseigenem Tarif bezahlt werden, müssen hauptsächlich andere Zustellerfirmen einen Mindestlohn bezahlen. Der schwarz-gelben Post ist es dadurch sogar gelungen, die Arbeitskosten seiner ungeliebten Wettbewerber zu erhöhen, ohne davon selbst betroffen zu sein. Durch diese von der Politik in Kauf genommene Verzerrung des Wettbewerbs ist die Marktdominanz der Deutschen Post nicht nur erhalten geblieben. Der Riese konnte sogar weiter wachsen – zu Lasten seiner Wettbewerber. Und auf Kosten eifriger Briefeschreiber, die annähernd Monopolpreise für ihre Briefmarken berappen müssen.


Zur Grafik: Der Postmindestlohn (ab Ende 2007) führt unmittelbar zu einer Fülle von Marktaustritten von Post-Konkurrenten. Die Monopolkommission schreibt selbst: Die Wettbewerbsentwicklung auf den Briefmärkten ist „miserabel“.

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 4 Kommentare zu Der Staat schafft keine Vollbeschäftigung

Der Staat schafft keine Vollbeschäftigung

Die Zahl der Erwerbstätigen hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen.

Mit seinem Konzept zur Vollbeschäftigung hat SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier den Bundestagswahlkampf inhaltlich bereichert. Kernpunkt seines „Deutschlandplans“: Vier Millionen neue Jobs bis 2020. Ein durchaus ambitioniertes Ziel. Nur, ist dies realistisch?

Schauen wir auf die letzten Jahre: Im Aufschwung zwischen 2005 und 2008 sind 1,6 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Bis 2020 haben wir ein ganzes Jahrzehnt – demnach müssten vier Millionen neue Jobs theoretisch machbar sein. Spannend bleibt aber die Frage, auf welchem Wege das Ziel erreicht werden kann.

Aus ökonomischer Sicht hängt die Schaffung neuer Arbeitsplätze primär von der Rentabilität und den Renditeerwartungen der Unternehmen sowie den Präferenzen der Konsumenten ab – und eben nicht von staatlicher Plan- und Machbarkeit. Denn woher will der Staat wissen, in welche Richtung sich der sektorale und sozioökonomische Strukturwandel entwickeln werden und was die Kunden in den nächsten Jahren kaufen wollen?

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Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 1 Kommentar zu Arme Zweitjobber gibt es kaum

Arme Zweitjobber gibt es kaum

Zweitjobber: Anteil in Prozent an allen Erwerbstätigen

Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen in Deutschland, die neben ihrem Hauptberuf einem regulären zweiten Job nachgehen. Von Anfang an wurde diese Entwicklung von den Gewerkschaften als Beleg für die Amerikanisierung des deutschen Arbeitsmarktes angesehen. Mit dem Gespenst einer „working poor“ lässt sich natürlich effektvoll Angst verbreiten. Um über die Runden zu kommen, müssten immer mehr Menschen im Nebenjob zusätzlich schuften. Für die USA mag dies zutreffen. Aber für Deutschland und fast alle europäischen Länder eben nicht.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt: Seit 1992 sind es nunmehr doppelt so viele, die neben ihrem Haupt- auch einen Nebenjob erfüllen: 1,4 Millionen Menschen. In Deutschland aber alles andere als ein Massenphänomen – das sind gerade einmal 3,7 Prozent aller Erwerbstätigen. Wer aber gehört dazu? Sind dies die Niedrigverdiener, die ohne eine Nebentätigkeit in die Armut rutschen? Die Zahlen belegen das nicht: Personen mit geringem Ausbildungsniveau sind unter den Zweitjobbern unterrepräsentiert. Zweitjobs sind vielmehr eine Domäne von Facharbeitern und Akademikern: Versicherungsvertretern, Professoren, Lehrern, Publizisten, Künstlern und Juristen.

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , 1 Kommentar zu Neue gerechte Mindestlöhne?

Neue gerechte Mindestlöhne?

20080313-FORM3-001_dl.psBisher gab es lediglich in sechs Branchen staatlich fixierte Lohnuntergrenzen. Seit gestern sind es drei Branchen mehr. Was aber soll das bringen? Mehr Gerechtigkeit? Weniger Armut? Oder doch eine neue Hürde beim Einstieg in Arbeit? Dr. Hagen Lesch sagt dazu: Nicht ein Mindestlohn, sondern aufstockende Transfers sorgen für mehr Lohngerechtigkeit und -zufriedenheit.

Die Mindestlohndiskussion bezog sich bisher vor allem auf die beschäftigungspolitischen Risiken. Die Frage der Lohngerechtigkeit wurde zwar auch aufgeworfen, aber auf zwei einfache Formeln reduziert: Mindestlohnbefürworter erhoffen sich von einem Mindestlohn mehr Gerechtigkeit, weil er das Problem “arm trotz Arbeit” lindert. Mindestlohngegner verweisen darauf, dass Mindestlöhne für Geringqualifizierte den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren und deshalb ungerecht seien. Sie plädieren dafür, niedrige Markteinkommen durch staatliche Transfers, also über das Arbeitslosengeld II, aufzustocken.

Diese enge Sichtweise ist erstaunlich, weil doch gerade die Mindestlohndiskussion Anlass geben sollte, tiefer darüber nachzudenken, was die Wahrnehmung von Lohngerechtigkeit beeinflusst. In der ökonomischen Theorie wird abseits der Neoklassik längst anerkannt, dass Lohn und Arbeitsleistung in einer Wechselbeziehung zueinander stehen. Einerseits bestimmt die Produktivität den Lohn, andererseits wirkt der Lohn auf die Arbeitsleistung und damit auf die Produktivität zurück. Vor diesem Hintergrund mag es geradezu zwingend erscheinen, durch einen gesetzlichen Mindestlohn für mehr Lohngerechtigkeit zu sorgen. Ein gerechterer Lohn finanziert sich über eine höhere Arbeitsmotivation fast von selbst.

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Arbeitsmarkt, Bildung, Europa, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , , , 2 Kommentare zu Ist Deutschland unsozial?

Ist Deutschland unsozial?

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„Die soziale Gerechtigkeit in Deutschland ist nur mäßig entwickelt.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie unter dem Titel „Wie sozial ist Europa?“. Unter den 27 europäischen Ländern nimmt Deutschland danach lediglich den Rang 19 ein. Diese Platzierung ist scheinbar Wasser auf die Mühlen derjenigen, die einen Sozialabbau beklagen und mehr Umverteilung vom Staat fordern.

Blickt man näher in die Studie, zeigen sich jedoch interessante Details: So landet Deutschland bei der sozialen Absicherung auf Platz sechs unter 19 europäischen Ländern (wobei die soziale Unterstützung in Europa generell als hoch einstuft wird). Die gleiche gute Platzierung – diesmal sogar unter allen 27 Ländern der EU – erreicht Deutschland bei den Gesamtausgaben für den Sozialschutz. In der Dimension „Einkommensverteilung und soziale Absicherung“ insgesamt kommt die Bundesrepublik so immerhin auf einen Platz im vorderen Mittelfeld. All dies sind nicht gerade Belege für einen unterfinanzierten Sozialstaat.

Die Schwachpunkte liegen dagegen beim Generationenverhältnis – dies wird auch durch den sehr schlechten Wert des vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln errechneten Demografieindex bestätigt –, in Teilbereichen des Arbeitsmarkts und bei den Bildungschancen. So ist hierzulande die Schulleistung sehr stark vom Status sowie vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern abhängig, wobei es Schüler mit Migrationshintergrund hierzulande besonders schwer haben. Die Langzeitarbeitslosenquote ist trotz deutlichen Rückgangs noch immer sehr hoch und gerade Niedrigqualifizierte sind in Deutschland besonders häufig auf Jobsuche.

Das Hauptproblem des deutschen Sozialstaats besteht also darin, die Teilnahmechancen für alle im Bildungswesen und am Arbeitsmarkt zu erhöhen. Hier wäre beispielsweise der Ausbau einer qualifizierten frühkindlichen Bildung ein wichtiger Ansatzpunkt. Den gerade von Sozialpolitikern oftmals verteufelten Hartz-Gesetzen stellen die Autoren der berlinpolis-Studie dagegen ein gutes Zeugnis aus, indem sie die-se als einen Grund für die Verbesserung Deutschlands im Sozialranking sehen.

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , , , 1 Kommentar zu Ostdeutsche weniger arm als Wessis

Ostdeutsche weniger arm als Wessis

Durchschnittliche Jahresbruttolöhne: Das Einkommensgefälle Ost-West ist nach der Wiedervereinigung deutlich zurückgegangen.

„Die soziale Schere wird immer größer“ steht in der Onlineausgabe der FAZ*). Was soll uns diese Überschrift sagen? Sie suggeriert, alles werde schlimmer. Zu dem Zeitverlauf von Armut in Deutschland steht aber gar nichts im Artikel. Die Fakten sind auch ganz anders: Tatsächlich ist das Einkommensgefälle Ost-West nach der Wiedervereinigung zurückgegangen. Es besteht zwar weiter ein Einkommensunterschied, eine weitere Angleichung zwischen Ost und West ist jedoch nicht mit Transferleistungen zu erreichen, sondern nur mir echter wirtschaftlicher Konvergenz.

Außerdem: ein regionaler Armutsvergleich ist unsinnig, wenn nicht gleichzeitig die unterschiedliche Kaufkraft berücksichtigt wird. Die Einkommen alleine sagen zu wenig aus. 800 Euro in München sind eben nicht dasselbe wie 800 Euro in Greifswald. Allein schon die Unterschiede der Mietpreise sind zwischen Ost und West, Süd und Nord, Stadt und Land dramatisch. Auch andere „lokale Güter“ sind in den wirtschaftlich starken Regionen teurer als anderswo, das reicht vom Brot in der Bäckerei bis zum Bier in der Kneipe. Eine einfache Lösung besteht in der Berechnung von regionalen Armutsschwellen: Dann liegt die Armutsschwelle im Osten 120 Euro niedriger als im Westen, und die Armut ist dann in Ostdeutschland geringer als im Westen.


Zur Grafik: Der Osten holt auf – Brottolöhne stiegen schneller als im Westen. Die Lohnunterschiede haben sich dadurch verringert. Der durchschnittliche Bruttolohn lag im Jahr 1991 lag im Osten bei 11.097 Euro – heute bei 21.763 Euro. Im Westen damals bei 22.370 – heute bei 28.727. Das Einkommensgefälle ist nach 17 Jahren deutlich verringert. Quelle: Ifo Dresden, 2009.
*) Mittlerweile hat die FAZ die Überschrift in der Onlineausgabe geändert. Gestern lautete sie “Die soziale Schere wird immer größer”.

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , , , 4 Kommentare zu Beitragssenkung nicht in Sicht

Beitragssenkung nicht in Sicht

Die Armut bei Familien mit Kindern ist deutlich höher als die Armut bei Rentnern.
Nach bisherigem Recht wären Rentenkürzungen im kommenden Jahr nicht zu vermeiden. Entwickelt sich die Wirtschaft in diesem Jahr so katastrophal, wie befürchtet, müssen die Erwerbstätigen in Deutschland mit massiven Gehaltseinbußen rechnen. Und weil die Renten an das Niveau der Löhne gekoppelt sind, müssen auch die Rentner mit Kürzungen zurechtkommen. Eine solche Situation hat es in der Geschichte der Bundesrepublik zwar noch nie gegeben, doch befinden wir uns auch in der mit Abstand schärfsten Rezession seit Kriegsende.

Am vergangenen Mittwoch hat das Bundeskabinett nun aber beschlossen, dass Rentenkürzungen gesetzlich verhindert werden sollen und damit die Büchse der Pandora geöffnet. Durch diesen Schritt wird erstmals der Lohnbezug der Rentenanpassung außer Kraft gesetzt. Zwar ist offiziell geplant, dass zum Ausgleich die Renten in Zukunft langsamer steigen sollen, doch ist diese Ankündigung völlig unglaubwürdig. Ein Blick in die Rentenpolitik der jüngeren Vergangenheit belegt, warum.

Schon in den Jahren 2005 und 2006 wurde ein Sinken der Renten durch eine Schutzklausel verhindert. Allein hieraus ergibt sich eine nachzuholende Rentenkürzung von 1,75%. Bis diese Kürzung nachgeholt wird, ergeben sich jährliche Mehrausgaben von 4 Mrd. Euro. Anstatt bei guter wirtschaftlicher Lage die Kürzung einzuleiten, hat dann die große Koalition im Mai 2008 noch eins draufgelegt und den wahlstrategisch wichtigen Ruheständlern außerplanmäßige Rentenerhöhung für 2008 und 2009 von insgesamt 1,3% gewährt.

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Mindestlohn verheißt nichts Gutes

Frankreich und der Mindestlohn: Über 18 Prozent der Jugendlichen sind ohne Job.

Gegen die Einführung flächendeckender Mindestlöhne habe ich auf diesem Blog schon mehrfach argumentiert. Wenn allerdings der Vorsitzende der IG BCE, Hubertus Schmoldt, via Handelsblatt ebenfalls die Stimme dagegen erhebt, muss da wohl was dran sein. Schmoldt sagt zurecht: Eine staatliche Lohnfestsetzung passt nicht zum deutschen System. Bei uns gibt es unabhängige Tarifvertrags-Parteien, die im Auftrag von Arbeitnehmer und Arbeitgeber eigenständig den Lohn aushandeln. So sollte es besser auch bleiben.

Und doch wurden zum Jahresbeginn in mehreren Branchen gesetzliche Mindestlöhne eingeführt. Die daraus resultierenden Folgen sind noch nicht genau bezifferbar. Fest steht jedoch, dass die betroffenen Branchen Stellen streichen mussten und müssen. Dies gilt umso mehr in Krisenzeiten. Dabei ist die Funktionsweise, wie Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten, recht simpel: Könnte die Politik eine flächendeckende Lohnforderung von 7,50 Euro umsetzen, müssten in Westdeutschland die Löhne von 11 Prozent der Beschäftigten angehoben werden, im Osten sogar von 21 Prozent. In einzelnen Branchen können Arbeitnehmer aufgrund unzureichender Qualifikation nicht die geforderten 7,50 Euro erwirtschaften. In erster Linie sind also die Jobs Geringqualifizierter bedroht – ausgerechnet jene Gruppe, die ohnehin von der Rezession schwer getroffen sind. Wer das Ergebnis flächendeckender Mindestlöhne vorgeführt haben will, muss nicht weit reisen. Bei unserem Nachbarn Frankreich bleibt vor allem jungen Menschen der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund von Mindestlöhnen versperrt. Mit dem eindeutigen Resultat, dass dort mit 18 Prozent die Jugendarbeitslosigkeit doppelt so hoch ist wie bei uns – ein Szenario, auf das wir besser verzichten sollten.

So außergewöhnlich es auch auf den ersten Blick sein mag, dass sich ein Gewerkschafts-Chef öffentlich gegen Mindestlöhne positioniert: Letztlich will er doch nur für die Gewerkschaften das Tarifmonopol auf Branchenebene zementieren. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, größtmögliche Flexibilität für Tarifvereinbarungen auf Unternehmensebene zu erhalten. Denn in den Betrieben vor Ort können die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern besser zusammenfinden, als dies einheitlich für das ganze Land möglich ist.

Arbeitsmarkt, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , Leave a Comment on 10 Jahre Einheitswährung: Europa driftet

10 Jahre Einheitswährung: Europa driftet

Grafik aus der IW-Studie „Zehn Jahre Euro – Erfahrungen, Erfolge und Herausforderungen“, IW-Analysen Nr. 43, Köln 2008

In diesem Jahr feiert die Europäische Währungsunion ihr zehnjähriges Bestehen. Doch einigen Mitgliedsstaaten dürfte beim Blick auf ihre Leistungsbilanz die Lust zum Feiern vergehen. In Italien wurde bereits schon vor einiger Zeit laut über den Euroausstieg nachgedacht. Die Währungsunion ist bedroht. Schnell wird die globale Finanzkrise dafür verantwortlich gemacht, die wahren Ursachen liegen aber woanders. In der EU herrschen beträchtliche wirtschaftliche Ungleichgewichte, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigt. Während vor allem südeuropäische Staaten enorme Defizite in ihrer Leistungsbilanz aufweisen, können Länder wie Deutschland, Finnland und die Niederlande enorme Überschüsse vorweisen. Europa driftet auseinander.

Aber wie kommt das? Schlägt die Wirtschaftskrise in diesen Ländern besonders hart zu? Diese Schlussfolgerung wäre zu einfach. Richtig ist, dass durch die Krise das zu Tage kommt, worüber im Aufschwung oft hinweggesehen wird. Die südeuropäischen Länder und Irland haben stark vom Euro profitiert und konnten hohe Wachstumsraten aufweisen. Als Folge stiegen die Löhne überdurchschnittlich stark an. Zwar war der Boom schnell vorüber, die Löhne stiegen jedoch immer weiter. Die Produktivität dagegen verbesserte sich kaum noch. Das Resultat: Die Lohnstückkosten der einzelnen Länder erhöhten sich im Vergleich zum restlichen Europa stark und die heimischen Güter wurden teurer, während Erzeugnisse aus dem restlichen Europa erschwinglicher wurden. So verwundert es nicht, dass die Importe der Südeuropäer die Exporte deutlich übersteigen. Zusätzlich befeuert wurde das ganze durch das niedrige reale Zinsniveau in diesen Ländern. Ein Effekt, der in weniger dynamisch wachsenden Staaten wie Deutschland ausblieb. Dort klagte man über schwache Binnennachfrage, aber freute sich über wachsende Exporte. Um die Gemeinschaftswährung vor dem Zusammenbruch zu retten, müssen die Südeuropäischen Staaten die Sünden der Vergangenheit kompensieren. Deshalb ist eine strikte Lohnzurückhaltung geboten, und zwar so lange bis Spanien, Griechenland, Italien und Portugal wieder wettbewerbsfähig sind und sich über den Außenhandel aus der Rezession ziehen können.


Grafik aus der IW-Studie „Zehn Jahre Euro – Erfahrungen, Erfolge und Herausforderungen“, IW-Analysen Nr. 43, Köln 2008, 152 Seiten, 24,80 Euro. Bestellung als E-Book unter: www.divkoeln.de

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Jobkiller: Jetzt erst recht

In einer Umfrage des DIHK wurden 20.000 Unternehmen befragt, ob die Einführung eines Mindestlohnes von 7,50 Euro die Beschäftigungszahl in ihrem Unternehmen erhöhen oder senken würde. Insgesamt über alle Branchen geben 22 Prozent der Unternehmen an, Arbeitsplätze abbauen zu wollen.

Die aktuelle Umfrage des DIHK bei 20.000 Unternehmen zeigt auf, wovor fast alle Ökonomen seit Jahren gewarnt haben: Mindestlöhne sind Jobkiller. Auf die Einführung eines Mindestlohns in Höhe von 7,50 Euro würde jedes fünfte der betroffenen Unternehmen mit einem Abbau von Arbeitsplätzen reagieren. Im ohnehin eher strukturschwachen Osten würden sogar rund ein Drittel der betroffenen Unternehmen Arbeitsplätze streichen. Besonders hart trifft es die Geringqualifizierten. Denn Branchen wie die Sicherheitswirtschaft, Reinigungsdienste und das Gastgewerbe, die für Personen mit geringer beruflicher Qualifikation Arbeitsplätze anbieten, würden in besonders hohem Maße mit Stellenabbau reagieren. Und zwar jetzt erst recht: In Zeiten der konjunkturellen Krise, stehen solche Arbeitsplätze als erstes auf dem Prüfstand. Gut ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: Der Mindestlohn im Postgewerbe ist rechtwidrig, hebelt die Tarifautonomie aus und benachteiligt kleine Unternehmen gegenüber dem bisherigen Monopolisten. Alleine bei der Pin-Groupe hat das Post-Mindestlohngesetz zu 6.000 Entlassungen geführt. Theorie und Praxis liegen hier sehr nah beieinander.


Zur Grafik: In einer Umfrage des DIHK wurden 20.000 Unternehmen befragt, ob die Einführung eines Mindestlohnes von 7,50 Euro die Beschäftigungszahl in ihrem Unternehmen erhöhen oder senken würde. Insgesamt über alle Branchen geben 22 Prozent der Unternehmen an, Arbeitsplätze abbauen zu wollen.

Arbeitsmarkt, SozialesTagged , , , , 1 Kommentar zu Aufstocker sind Einsteiger

Aufstocker sind Einsteiger

Arbeitslosenquote und Aufstocker 2008Vergangene Woche verkündete die Bundesagentur für Arbeit: Die Zahl der sogenannten „Aufstocker“ ist weiter gestiegen. Danach erhalten rund 1,35 Millionen Menschen, die einer Teil- oder Vollzeitbeschäftigung nachgehen, zusätzlich zu ihrem Arbeitseinkommen Arbeitslosengeld II. Im Zeitraum von Januar bis Juli 2008 entspricht dies einem Zuwachs von rund 60.000 Menschen. Was für die Befürworter von Mindestlöhnen Wasser auf die Mühlen zu sein scheint, signalisiert in Wirklichkeit eine anhaltend positive Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. Denn Tatsache ist: Es gibt nicht deshalb mehr Hartz IV Aufstocker, weil diesen Menschen das Gehalt gekürzt wurde und sie nun nicht mehr von ihrem Arbeitslohn alleine leben können. Richtig ist vielmehr, dass der größte Teil der zusätzlichen Aufstocker aus der Arbeitslosigkeit kommt und ihre staatliche Stütze durch ein paar Stunden Arbeit im Monat ergänzen. Aufstocker sind Einsteiger. Dies ist ein erfreuliches Signal. Gerade für gering Qualifizierte ohne Berufsabschluss stellt die Lohnaufstockung ein probates Mittel für den (Wieder-)einstieg in den Arbeitsmarkt. Hinzu kommt, dass für viele dieser Zustand nur ein temporäres Phänomen ist. Denn nach nur 65 Tagen, beziehen im Durchschnitt nur noch rund 50 Prozent ergänzende staatliche Leistungen.
Ein Großteil der in Vollzeit arbeitenden Aufstocker sind Familienväter, die selbst mit einem Stundenlohn von zwölf Euro Anspruch auf staatliche Unterstützung haben. Ein Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro, wie von den meisten Gewerkschaften gefordert, würde diesen Menschen auch nicht weiter helfen.


Zur Grafik: Der Zuwachs der Aufstocker in diesem Jahr heißt nicht, dass immer mehr Menschen von ihrem Gehalt nicht leben können. Im Gegenteil: Im gleichen Zeitraum ist die Arbeitslosenquote gesunken. Viele, die den Weg aus der Arbeitslosigkeit nach langer Zeit finden, müssen ihr Gehalt aber zu Beginn mit ALG II ergänzen.