Reformen

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 3 Kommentare zu Neue Stabilität wird beerdigt

Neue Stabilität wird beerdigt

Mit dem heutigen Beschluss des Bundestags über weitere Finanzhilfen für Griechenland, begräbt er die zukünftigen Stabilitätsregeln für die Euro-Länder gleich mit. Ab Juli 2013 soll der Europäische Stabilitäts-Mechanismus (ESM) die bisherigen provisorischen Hilfssysteme ablösen und die Maastricht-Kriterien bzw. den Stabilitäts- und Wachstumspakt ergänzen. Zu den Kerngedanken des ESM gehört, im Falle einer faktischen Staatsinsolvenz unter strengen Sparauflagen Finanzhilfen zu gewähren – allerdings, und das wäre neu, unter Beteiligung der Gläubiger.

Das Haftungsprinzip gehört zu den Grundpfeilern der Sozialen Marktwirtschaft. Denn ohne Wettbewerb, Vertragsfreiheit und eben Haftung kann der Markt keine glaubwürdigen Informationen liefern. Die faktische Sozialisierung des Risikos der Staatsverschuldung von Griechenland ist insoweit nicht nur Folge sondern eben auch Ursache zu niedriger Zinsen in der Vergangenheit bzw. der überhöhten Verschuldung. Das Haftungsprinzip sollte mit der im ESM verankerten Gläubiger-Beteiligung bei zukünftigen Staatsinsolvenzen wieder gestärkt werden. Sollte…Wird aber nicht. Denn mit der erneuten Griechenland-Hilfe wird dieser Grundsatz schon wieder verletzt, bevor das neue Regelwerk überhaupt beschlossen ist.

Nach EMS-Regelwerk müsste es bei einer negativen Schuldentragfähigkeitsanalyse zu einer Verhandlung des Schuldners mit seinen Gläubigern kommen – Finanzhilfen vom ESM gäbe es nur dann, wenn Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Anleihezinsen, die einen drohenden Zahlungsausfall berücksichtigen, wären höher und würden ausufernde Verschuldung frühzeitig dämpfen. Im Fall Griechenlands läuft es aber jetzt wieder ganz anders. Hier sollen die Gläubiger lediglich dazu angehalten werden, ihre Kreditlaufzeiten zu verlängern. Schäuble nennt das „weiche Umschuldung“. Tatsächlich ist das aber ein warmer Geldsegen für alle, die von hohen Anleihezinsen profitieren. Statt Haftung wird so Risikofreiheit garantiert. Die Geschichte des Euros ist eine Aneinanderreihung ungesühnter Rechtsbrüche. Ein neues Kapitel wird gerade geschrieben.


* WestLB (Bad Bank): 1.400 Mio., LBBW: 1.389 Mio, Landesbank Berlin: 364 Mio., HSH Nordbank: 295 Mio., NordLB: 197 Mio., BayernLB: 121 Mio., WestLB: 97 Mio., Helaba: 78 Mio.

Weitere Informationen:
*cep-Standpunkt: Freie Fahrt in die Schuldenunion, April 2011

*cep- Kommentierung zur Reform des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, UmweltTagged , , , , 4 Kommentare zu Social Corporate Responsibility: Einfallstor für politische Ideologie

Social Corporate Responsibility: Einfallstor für politische Ideologie

Wer bei Lidl, Netto oder Aldi einkauft, kann sicher sein, dass er volle Regale vorfindet, weitgehend alles findet, was er sucht und seinen Einkauf zu günstigen Preisen erledigen kann. Wer in die Tankstelle fährt, um zu tanken, findet nicht nur Benzin (zu nicht ganz so günstigen Preisen), sondern auch eine Einkaufsmöglichkeit, jenseits des Prokrustesbetts der Ladenöffnungszeit. Wer ins Kino geht, kann sicher sein, dass er für vermutlich die nächsten zwei Stunden ein mehr oder weniger gutes Unterhaltungsprogramm geboten bekommt.

Alle Beispiele haben eines gemeinsam, ein Konsument fragt ein Produkt oder eine Leistung nach und erhält sie zu einem vereinbarten Preis. Man sollte denken, damit ist der Handel zwischen Konsumenten und Unternehmern, zwischen Nachfrager und Anbieter abgeschlossen. Doch dem ist nicht so, denn neuerdings formieren sich immer mehr Gruppen, die eine „Corporate Social Responsibility“ von Unternehmen einfordern. Die EU fordert Corporate Social Responsibility, die OECD findet Corporate Social Responsibility wichtig, und selbst die Weltbank macht sich für Corporate Social Responsibility stark.

Wer sich in Google Scholar einen kurzen Überblick über die Menge der wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu „Corporate Social Responsibility“ macht, findet erschlagende 79.200 Einträge. Wer deutsche wissenschaftliche Bücher zu dem Thema scannt, stellt schnell fest, dass Corporate Social Responsibility von nahezu allen Autoren als etwas Positives und Begrüßenswertes angesehen wird. Kaum jemand hinterfragt das Konzept. Und so steht Philip Booth (2009, S.2) mit seiner Frage, warum Unternehmen dann, wenn sie ihrem Zweck nachgehen und produzieren, als Unternehmen charakterisierte werden, die etwas aus der Gesellschaft nehmen, während dann, wenn sie Kapital in unternehmensfremde Zwecke investieren, behauptet wird, sie gäben der Gesellschaft etwas zurück, bislang ziemlich alleine da.

Vor Booth hat sich vor allem Milton Friedman gegen das von Archie Carroll zum Ende der 1970er Jahre aufgebrachte Konzept der Corporate Social Responsibility ausgesprochen und festgestellt, dass „there is one and only one social responsibility of business – to use its resources and to engage in activities designed to increase its profit“ (Friedman, 1993, S.250). In der Tat ist die Frage berechtigt, warum Unternehmen ihre eigentliche Aufgabe, nämlich ihren Nutzen zu maximieren, zu Gunsten von Corporate Social Responsibility aufgeben sollten. Um diese Frage zu beantworten ist es sinnvoll, etwas genauer darauf zu schauen, was Corporate Social Responsibility konkret bedeutet.

Einen guten Einblick in die Welt der Corporate Social Responsibility (CSR) vermittelt der CSR-Index des Unternehmens KLD Research and Analytics. Interessant ist der Index vor allem, wenn man sich ansieht, aus welchen Variablen er sich zusammensetzt, was als Indikator von Corporate Social Responsibility angesehen wird. Hier finden sich so profitable Dinge wie (1) Unterstützung lokaler Gemeinschaften, (2) Gleichbehandlung von Frauen und Minoritäten, (3) Behandlung von Angestellten, (4) Umweltschutz, (5) Produktsicherheit, (6) keine Beteiligung an der Herstellung von Waffen und (7) keine Beteiligung an der Produktion von Kernenergie. Vor dem Ende der Apartheid enthielt der Index noch die Handelsbeziehungen mit Südafrika als Stolperstein auf dem Weg zu dem Prädikat „Corporate Social Responsible“. Was die Indikatoren alle gemein haben, ist ein bestimmtes und leicht zu identifizierendes ideologisches Fundament, was den Verdacht nahe legt, dass Corporate Social Responsibility ein Mittel der ideologischen Gleichschaltung von Unternehmen, ein Mittel der ideologischen Kriegsführung darstellt.

Und dem ist wirklich so, wie sich schon daran zeigt, dass die Bundesregierung, genauer, das Ministerium für alle außer Männern, Unternehmen prämiert, die sich aus der Sicht des Bundesministeriums wohlgefällig verhalten, die gefügig sind. Wohlgefällig verhalten sich Unternehmen, die die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass „Menschen Verantwortung für ihre Familie übernehmen können“. Dies wird vornehmlich durch „Angebote zur Kinderbetreuung“ und „Familienpflegezeit“ erreicht. Fast 1000 solcher devoten Unternehmen, Institutionen und Hochschulen hat das BMFSFJ bereits zertifiziert. Die Zertifikate schmücken die Brust der entsprechenden Verantwortlichen und belegen, dass „betriebliche Kinderbetreuung“, „weitere Unterstützung bei Kinderbetreuung“, „Kontakt während der Elternzeit“, „Unterstützung bei Pflegezeit“ und eine besondere „Väterförderung“ gewährleistet sind. Das Bundesministerium gebraucht die zertifizierten Unternehmen somit ganz offen, um die hauseigene Ideologie zu verbreiten und auf andere (noch) nicht zertifizierte Unternehmen Druck auszuüben, um auch noch das letzte unzertifizierte Unternehmen gleichzuschalten.

Damit ist deutlich, wem Corporate Social Responsibility dient, und warum es vornehmlich politische Kreise sind, die Social Corporate Responsibility propagieren. Das Konzept ist das Einfallstor politischer Ideologie in Unternehmen, es wirkt als trojanisches Pferd um Unternehmen gleichzuschalten, denn ein gutes, d.h. ein zertifiziertes Unternehmen lebt, was ihm aus dem Ministerium an Werten vorgegeben wird. Corporate Social Responsibility ist ein Wertimperialismus, der zwangsläufig zu Lasten der Effizienz von Unternehmen gehen muss und am Ende zu einer nachlassenden Produktivität führen muss. Deshalb kann man sich als verantwortlicher Unternehmer nur gegen Corporate Social Responsibility entscheiden. Und man darf keine Kompromisse und schon gar keine Zugeständnisse machen, denn das ist der Anfang vom Ende unternehmerischer Eigenständigkeit: „Unfortunately,…, many businesses have apparently endorsed it (CSR] they have perhaps sought to deflect CSR activists‘ wrath by consulting them, and even funding them in hopes of buying approval. But as has been observed ‚that’s as likely as converting a crocodile to vegetarianism by feeding it your leg“ (Sternberg, 2009, S.8). Diese Erkenntnis gilt besonders für Krokodile aus Familienministerien.

Booth, Philip (2009). Editorial: Corporate Social Responsibility. Economic Affairs 29(4): 2-4.

Carroll, Archie (1979). A Three-Dimensional Conceptual Model of Corporate Performance. Academy of Management Review 4(4): 497-505.

Friedman, Milton (1993). The Social Responsibility of Business is to Increase Profits. In: Chryssides, George D. & Kaler, John H. (eds.). Business Ethics. London: Thompson Learning, pp.249-254.

Sternberg, Elaine (2009). Corporate Social Responsibility and Corporate Governance.  Economic Affairs 29(4): 5-10.


Dieser Beitrag erschien auch auf http://sciencefiles.org.

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , 23 Kommentare zu Rente mit 67 reicht nicht!

Rente mit 67 reicht nicht!

In dieser Woche schreckten die Wirtschaftsweisen uns Deutsche mit der Botschaft auf, dass wir uns langfristig auf ein Renteneintrittsalter von 69 Jahren einzustellen hätten. Denn eine Gesellschaft, in der die Menschen statistisch immer gesünder immer älter werden, gleichzeitig aber die Zahl der Erwerbstätigen wegen des seit Jahrzehnten andauernden Geburtenrückgangs stark absinkt, könne die Pensions- und Rentenlasten nur mit einer parallel steigenden Lebensarbeitszeit schultern.

Das hören die meisten Bürgerinnen und Bürger nicht gern. Denn nichts ist uns Deutschen so heilig wie möglichst viel Urlaub und ein möglichst frühes Ausscheiden aus der Erwerbsphase. Nach wie vor ist die bereits seit Jahren im Gesetzblatt stehende Rente mit 67, die erst ab dem kommenden Jahr tatsächlich in kleinen Schritten beginnt und erst im Jahr 2029 (!) endgültig vollzogen sein wird, außerordentlich unpopulär. Gewerkschaften und Sozialverbände stimmten nicht ohne Resonanz deshalb in dieser Woche ihre alten Protestgesänge an.

Viele Deutsche hörten da doch lieber die Kritik der Bundeskanzlerin an der mangelnden Arbeitsproduktivität der Südeuropäer. Sie reisten zu viel und gönnten sich einen zu frühen Ruhestand! Angela Merkel bemüht Ressentiments, weil sie im Augenblick um die eigene Parlamentsmehrheit für den dauerhaften europäischen Stabilitätsmechanismus im Parlament fürchten muss. Der Ärger in der FDP- und Unionsfraktion über die sündhaft teuren Transfers zur Rettung der Euroländer Griechenland und Portugal ist verbreitet, auch in der Bevölkerung – und zwar weit über das Wählerspektrum des konservativ-liberalen Bürgertums hinaus.

Doch wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Tatsächlich gehen die beamteten Staatsdiener in Deutschland im Schnitt mit 60,2 Jahren in Ruhestand und auch das tatsächliche Renteneintrittsalter liegt bei 61,7 Jahren. Beide Zahlen liegen also durchaus signifikant unter dem aktuellen Renteneintrittsalter von 65 Jahren. Und mit unseren verbrieften Urlaubsansprüchen liegen wir Deutschen in allen statistischen Vergleichen stets auf den vorderen Plätzen. Nicht umsonst gelten wir als Reiseweltmeister. Da sollte nicht einmal der Stammtisch über andere lästern, erst recht nicht eine sonst kaum zu Populismus neigende Bundeskanzlerin.

 

Bildung, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 21 Kommentare zu Keine Privilegien für Kinderschuhe

Keine Privilegien für Kinderschuhe

Unser Mehrwertsteuersystem ist ungerecht. Völlig zu Recht beklagen Kinderschutzbund und seine Bündnispartner, dass Garnelen, Hundefutter oder Taxifahrten durch dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent bevorzugt werden, während für Spielzeug oder Kinderbekleidung der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent bezahlt werden muss. Hier werden offensichtlich die falschen politischen Prioritäten gesetzt. Deshalb ist jetzt ist der richtige Zeitpunkt für eine grundlegende Reform und eine gerechte Mehrwertsteuer. Die Forderung des Kinderschutzbundes zielt jedoch in die falsche Richtung. Weitere Ausnahmen, diesmal für Kinderprodukte, treiben das Mehrwertsteuerchaos nur weiter auf die Spitze. Mehrwertsteuersätze nach Schuhgröße können keine Lösung sein. Neue Ausnahmen schaffen neue Abgrenzungsprobleme und neue Ungerechtigkeiten. Ein gerechtes Steuersystem funktioniert jedoch nur mit einfachen Regeln. Deshalb schlagen wir vor, alle Ausnahmen zu streichen und den allgemeinen Mehrwertsteuersatz auf 16 Prozent zu senken.

Das aktuelle Mehrwertsteuerchaos mit unzähligen Ausnahmeregelungen ist das Ergebnis jahrzehntelanger Klientelpolitik, die ähnliche Wünsche von anderen Interessenverbänden erfüllt hat. Kernaufgabe der Mehrwertsteuer ist allerdings, Einnahmen für den Staat zu erzielen. Der Versuch, durch unterschiedliche Steuersätze sozialpolitische Ziele zu erreichen, ist von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Von ermäßigten Steuersätzen profitieren sicher die Anbieter der begünstigten Produkte. Ob sie die Steuervorteile in Form von Preissenkungen tatsächlich an ihre Kunden weitergeben ist mehr als fraglich. Zudem würden reiche wie arme von den Steuerermäßigungen profitieren. Für eine treffsichere Familienförderung, die bei den Kindern ankommt, gibt es geeignetere Instrumente, zum Beispiel das Kindergeld. Wer Familien und Kinder fördern will, muss hier ansetzen. Eine einheitliche Mehrwertsteuer von 16 Prozent spart Bürokratie und stabilisiert die Steuereinnahmen. So steht am Ende mehr Geld für eine bessere Förderung von Familien und Kindern zur Verfügung.


* Hier geht´s zum Aktionsbündnis des Kinderschutzsbundes www.7fuerkinder.de
* Wissenschaftler trommeln für Steuerreform: Appell zur Reform der Mehrwertsteuer

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 24 Kommentare zu Mehr Lohn lohnt kaum

Mehr Lohn lohnt kaum

Die Wirtschaft wächst und die Löhne steigen – doch bei den Arbeitnehmern kommt nicht viel davon an. Dies hat zweierlei Gründe. Zum einen wird ein Teil der Lohnerhöhung von der Inflation wieder entwertet, zum anderen kassiert der Staat an den höheren Nominallöhnen kräftig mit. Wenn sich die Löhne nur im Gleichschritt zur Inflation entwickeln, hat der Arbeitnehmer unter dem Strich weniger in der Tasche. Denn durch das Lohnplus rutschen die Einkommensbezieher in eine höhere Steuerklasse. Seit Jahren verspricht die Politik, sich um das Problem der kalten Progression zu kümmern. Doch geschehen ist bisher nichts.

Dabei wäre die Lösung einfach: Die Inflation müsste im Steuertarif berücksichtigt werden. So könnte der Lohn eines Arbeitnehmers steigen, ohne dass der Betroffene gleich in eine höhere Progressionsstufe steigt. Eine solche Steuerreform hätte aus Sicht der Politik zudem den Charme, dass sie nicht wie üblich bei Steuerreformen schlagartig zu Einnahmeausfällen führt. Der Konsolidierungskurs der Bundesregierung würde damit nicht gefährdet. Lediglich die Steuereinnahmen würden nicht mehr ganz so schnell steigen.

Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , , 15 Kommentare zu Vollbeschäftigung ist keine Utopie!

Vollbeschäftigung ist keine Utopie!

Nach Jahrzehnten der Arbeitslosigkeit schien Vollbeschäftigung in Deutschland nur noch eine Utopie zu sein. Publikationen wurden zu Beststellern, die das Ende der Arbeit prophezeiten. Dieser Pessimismus hat sich als haltlos erwiesen. Im Frühjahr 2011 hat die Zahl der Arbeitslosen erneut die Schwelle von drei Millionen unterschritten. Mit 41 Millionen erreicht die Erwerbstätigenzahl einen historischen Rekord. Nicht die Arbeit geht den Deutschen aus, sogar das Gegenteil ist der Fall: Mittlerweile bremst Fachkräftemangel die deutsche Wirtschaft.

Vollbeschäftigung ist ab 2015 in Reichweite. Das ist erfreulich – aber Vollbeschäftigung ist kein Selbstläufer. Jetzt geht es darum, die Einstiegshürden für Problemgruppen wie Ältere, Geringqualifizierte und Alleinerziehende abzubauen. Um die Einstellungschancen von älteren Arbeitsnehmern zu erhöhen, sollten die Tarifpartner eine anhaltende berufsbegleitende Weiterqualifizierung anbieten. Zudem sollte die Politik den älteren Arbeitnehmern nicht durch gut gemeinte Privilegien den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. So muss beispielsweise die Entlohnung grundsätzlich nach dem Leistungs- und nicht nach dem Senioritätsprinzip erfolgen.

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Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 16 Kommentare zu Steuermehreinnahmen: Die große Versuchung

Steuermehreinnahmen: Die große Versuchung

Am kommenden Donnerstag wird der Arbeitskreis Steuerschätzung offiziell verkünden, was die Spatzen bereits seit Wochen von den Dächern pfeifen: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, seine Länderkollegen und die Kämmerer in den Kommunen können sich dank der guten Konjunkturlage im Land auf Steuermehreinnahmen freuen, die sich im Vergleich zur letzten Schätzung vor einem Jahr auf bis zu 125 (!) Milliarden Euro im Zeitraum 2011 bis 2014 belaufen können.

Die gute Konjunktur und Beschäftigungslage lassen die Steuerquellen sprudeln und mit ihnen wachsen die Begehrlichkeiten in Politik und Gesellschaft. Kollektiv wird dann ausgeblendet, dass die mittelfristige Finanzplanung der öffentlichen Haushalte in den kommenden Jahren hohe Defizite und damit weitere Kreditaufnahmen vorsieht. Schnell wird verdrängt, dass sich die aktuell positive Konjunkturentwicklung im Prognosezeitraum auch wieder verschlechtern kann. Da werden die absehbaren gewaltigen Mehrausgaben, die mit steigender Inflation und steigenden Zinsen auch auf die öffentlichen Kassen zukommen, schlicht negiert. Allein die Finanzplanung des Bundes, die erst vor einem Monat vom Bundeskabinett beschlossen wurde, weist für den Bundeshaushalt in den Jahren 2011 bis 2014 Kreditaufnahmen von insgesamt mehr als 117 (!) Milliarden Euro aus. Und die Bareinlage, die Deutschland für den Europäischen Stabilitätsmechanismus ab 2013 einzahlen muss, wird mehr als ein Drittel der vorhergesagten Mehreinnahmen des Bundes aufzehren. Denn die Kosten für die dauerhafte Rettungsaktion für die europäischen Krisenstaaten Griechenland, Irland und Portugal sind in der bisherigen Finanzplanung noch überhaupt nicht berücksichtigt. Wie gewonnen, so zerronnen!

Bundesbankpräsident Jens Weidmann tat gut daran, bei seiner Amtseinführung den anwesenden Bundesfinanzminister in diesen Tagen aufzufordern, die gute Konjunkturlage für eine Beschleunigung der Etatsanierung zu nutzen. Konjunkturbedingte Steuermehreinnahmen sollten zwingend in den zügigen Abbau der hohen Defizite gesteckt werden. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not! Diese alte Volksweisheit müsste eigentlich als guter Leitsatz für solide Finanzpolitik im aktuellen Aufschwung stehen! Doch wer will ihn hören oder gar beherzigen?

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 25 Kommentare zu Keynes vs. Hayek: “Kampf des Jahrhunderts“ Part II.

Keynes vs. Hayek: “Kampf des Jahrhunderts“ Part II.

Wie soll sich der Staat in wirtschaftlichen Krisensituationen verhalten? Ist eine drastische Erhöhung der Staatsausgaben der einzige mögliche Weg aus der Krise? Oder ist es besser, er hält sich raus? Wären wir heute ohne all die Konjunkturpakete in eine Depression wie in den 30er Jahren abgeglitten. Oder sind wir umgekehrt wegen der folgenschweren Eingriffe in die Wirtschaft noch nicht aus der Krise raus? Der Kampf Hayek vs. Keynes geht in die nächste Runde.

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Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 19 Kommentare zu 651 Geschenke für den Staat sind genug

651 Geschenke für den Staat sind genug

Wenn man einen Frosch in kochendes Wasser wirft, dann tut er alles, um dem Inferno zu entkommen. Setzt man ihn aber in lauwarmes Wasser und erhöht langsam die Temperatur, dann kocht er bei lebendigem Leibe und geht schließlich daran zugrunde. Ohne dass er zuvor Anstrengungen gemacht hätte, seinem Wärmegefängnis zu entkommen.

Genauso geht es den Unternehmen in Deutschland mit der steten Auferlegung neuer bürokratischer Belastungen durch den Staat, die eigentlich in die originäre Zuständigkeit des Staates fallen. Zu diesen so genannten „Inpflichtnahmen“ der Unternehmen zählen beispielsweise die Berechnung und Abführung der Lohnsteuer und der Sozialabgaben der Arbeitnehmer. Derlei Pflichten bürdet der Staat den Unternehmen auf, ohne sie dafür finanziell zu entschädigen. Da diese bürokratische Belastung schleichend ausgeweitet wird, fehlt dem Staat schlicht der Blick für die daraus resultierende Gesamtbelastung der Wirtschaft.

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Arbeitsmarkt, Buchkritik, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 1 Kommentar zu Keine Freiheit ohne Ordnung

Keine Freiheit ohne Ordnung

Buchkritik: Gabor Steingart, Das Ende der Normalität – Nachruf auf unser Leben, wie es bisher war, München 2011

Einem so exzellenten Schreiber wie Gabor Steingart traut man zu, dass ein Essay über das „Das Ende der Normalität“ große Unterhaltungslektüre mit ernstem Ton und ironischem Augenaufschlag ist. Schon der mit Trauerrand bedruckte Einband seines „Nachrufs“ lässt einiges hoffen. Doch es soll nicht sein.

Vielleicht liegt es daran, dass der Autor mit seinen (erst) 48 Jahren schon frühzeitig altersmilde und viel zu langatmig erklärt, was ohnehin schon alle wissen: Statt Freundschaft zählt heute Facebook, statt Schlafzimmersex Youporn, statt Widerstand Wut, statt Sozialstaat Seilschaft. Normalität sei für unser Leben so wichtig wie die Erdanziehungskraft für das Funktionieren des Kompasses, schreibt Steingart. Doch die neue Variante der Spezies Mensch“ habe sich eine Welt der ungezählten Wirklichkeiten erschaffen. Das einzig Zuverlässige ist ihre Unzuverlässigkeit“.

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Arbeitsmarkt, Bildung, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 6 Kommentare zu Wenig Jobs für einen Euro

Wenig Jobs für einen Euro

Der Bundesagentur für Arbeit geht die Arbeit aus. Die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt sorgt dafür, dass die BA rund 10 Prozent der Stellen abbauen kann. Gut so, denn auch die BA muss sparen. Seit Jahren werden Zuschüsse aus dem Steuersäckel benötigt.

Richtig ist auch, dass das Bundesarbeitsministerium nun die milliardenschweren Ausgaben für Ein-Euro-Jobs zusammenstreicht. Allein dafür wurden 2009 rund 1,7 Milliarden Euro vom Steuerzahler benötigt. Den Sprung in eine ungeförderte, sozialversichungspflichtige Anstellung 6 Monate nach Ende der Maßnahmen schafften trotzdem nicht einmal 9 Prozent. Viel schlimmer noch: Ein-Euro-Jobs können die Arbeitssuchenden bei der Suche nach einem richtigen Arbeitsplatz sogar noch einschränken. Und die Arbeit, die in den kommunalen Werkstätten von Ein-Euro-Jobbern erledigt wird, kann genauso gut von privaten Anbietern erledigt werden.

Ohnehin scheint es erfolgreicher zu sein, Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber zu zahlen,  die schwer vermittelbare Arbeitslose einstellen. In Zwei-Drittel der Fälle resultierte das in einer festen und sinnvollen Beschäftigung.

OrdnungspolitikTagged , , , , 6 Kommentare zu Freie Bahn für Busse

Freie Bahn für Busse

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Sie in Deutschland nicht einfach in einen Linienfernbus steigen können, wenn bei der Bahn mal wieder die Klimaanlagen oder die Mitarbeiter streiken? Was viele nicht wissen: Linienfernbusse sind in Deutschland – abgesehen von ein ganz paar Ausnahmen – verboten. Das dazugehörige Gesetz stammt aus dem Jahre 1934 und dient ausdrücklich zum Schutz der Bahn vor Konkurrenz. Schon mehrfach hat die Monopolkommission die Liberalisierung des Personenverkehrs verlangt. Im Mai soll nun über einen Gesetzentwurf verhandelt werden.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Bahn hätte neben dem Flugverkehr nun endlich auch ernstzunehmende Wettbewerber auf dem Boden. Schlechter Service oder zu hohe Ticketpreise hätten für das Unternehmen Folgen. Der Kunde könnte wählen, ob er lieber Flugzeug, Zug oder Bus fahren will. Die Bahn, aber auch Bus- und Fluggesellschaften müssten sich anstrengen, um innovativer, schneller, pünktlicher und zuverlässiger als die Konkurrenz zu sein. Den Kunden freut’s: Kommt die Bahn mal nicht kommt, kommt immerhin der Bus.

Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 7 Kommentare zu Bankrottes Amerika

Bankrottes Amerika

Nur kurz schreckte die Rating-Agentur Standard and Poor’s mit dem abgesenkten Bonitätsausblick für die USA die Finanzmärkte der Welt auf. Doch ob dieser Warnschuss ausreicht, die politische Blockade zwischen Demokraten und Republikanern aufzulösen, die derzeit eine wirksame Konsolidierungsstrategie in der amerikanischen Finanzpolitik verhindert, ist extrem ungewiss.

Dabei zeigen die harten Fakten der amerikanischen Verschuldungsorgie ein gnadenloses Politikversagen in der immer noch größten Volkswirtschaft der Welt. Das Land, das mit der Wallstreet die Herzkammer des weltweiten Finanzkapitalismus repräsentiert, ist auf dem Weg in einen Staatsbankrott. Allein die ausgewiesene Staatsverschuldung hat sich binnen des letzten Jahrzehnts von etwas mehr als 5.000  auf über 14.000 Milliarden US-Dollar annähernd verdreifacht. Gemessen am jährlichen Bruttoinlandsprodukt der USA explodierte die Staatsverschuldung von knapp 55% im Jahr 2000 auf fast 100% im laufenden Jahr.

Rechnet man die implizite Verschuldung hinzu, also die Leistungszusagen der Altersversorgung und der Sozialsysteme, dann explodiert die US-Verschuldung auf mehr als 200 Billionen (!) US-Dollar. Der renommierte Bostoner Ökonom Laurence Kotlikoff bringt das Schuldendesaster Amerikas auf den Punkt: „Die USA ist in schlechterer fiskalischer Verfassung als Griechenland.“  Die fiskalische Lücke Amerikas sei 14 mal größer als das Bruttoinlandsprodukt, während die Deckungslücke Griechenlands „nur“ 11 mal größer sei als das BIP. „Faktisch sind die USA bankrott“, so Kotlikoffs harsches Fazit.

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Soziales, Steuern und FinanzenTagged , 6 Kommentare zu Reform tut nicht weh

Reform tut nicht weh

Still ruht der See – die Reform der Mehrwertsteuer kommt seit Monaten kein Stück voran. Obwohl sich die Koalitionsparteien eine Vereinfachung der Steuersätze vorgenommen hatten, passiert bisher nichts. Das DIW Berlin liefert jetzt erneut gute Argumente, aus dem Tiefschlaf aufzuwachen: Eine kluge Reform der Mehrwertsteuer tut keinem weh – wäre aber aus vielen Gründen sehr sinnvoll. Eine ganz einfache Lösung (alles auf einen Steuersatz) brächte Transparenz, würde Mitnahmeeffekte vermieden, Bürokratie und Wettbewerbsverzerrungen abbauen.

Wie aber wirkt sich eine Reform auf unsere Portemonnaies aus? Hier lässt das DIW völlig überflüssig die Alarmlocken läuten und warnt vor „unsozialen Folgen eines einheitlichen Mehrwertsteuersatzes“. Reformvariante 1 sieht so aus: der ermäßigte Steuersatz fällt weg – alle Güter, auch die Lebensmittel werden dann mit 16 Prozent besteuert (der allgemeine Steuersatz wird um drei Punkte gesenkt). Das hat die Wirkung, dass die Haushalte mit den geringsten Einkommen steuerlich höher belastet werden – um 0,46 Prozent des jährlichen verfügbaren Einkommens. Das DIW bezeichnet das als „unsozial“.

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Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , , , 16 Kommentare zu Plädoyer für einen effizienten Bürgerstaat

Plädoyer für einen effizienten Bürgerstaat

Ohne eine grundlegende Revision der staatlichen Auf- und Ausgaben werden die Vorgaben der Schuldenbremse für Bund und Länder nicht zu erfüllen sein. Der durch die Reformen der Sozial-, Wirtschafts- und Bildungspolitik in den sechziger und siebziger Jahren expandierte Staatsapparat muss nun für ein schrumpfendes, wachstumsschwächeres Land zurechtgestutzt werden. Dies wird auf massiven Widerstand stoßen. Die politischen und öffentlichen Reaktionen auf die Hartz-Reformen haben deutlich gemacht, wie schwer es im demokratischen Gruppenstaat fällt, einmal beschlossene Leistungen zu kürzen.

Und dennoch: Bei dem nach 1970 begonnene Ausbau des Wohlfahrtstaates galt die Maxime: je mehr Leistungen, desto besser. Fragen nach Effektivität und Effizienz wurden vernachlässigt. Nachdem in den frühen sechziger Jahren der Bildungsnotstand ausgerufen worden war, setzte eine Bildungsexpansion ein. Dann beschlossen die Kulturminister nicht mehr an internationalen Vergleichsstudien teilzunehmen. Das Resultat dieser Verweigerung zeigte vor gut zehn Jahren die erste PISA-Studie: Im internationalen Vergleich war Deutschlands Bildungssystem nur Mittelmaß.

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