Staatsbankrott

Arbeitsmarkt, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 6 Kommentare zu Deutsche Einheit: Ursprung heutiger Schuldenkrise in Europa?

Deutsche Einheit: Ursprung heutiger Schuldenkrise in Europa?

Die Wiedervereinigung Deutschlands war zweifellos ein Glücksfall. Doch 40 Jahre Planwirtschaft im Osten Deutschlands und der Wiedervereinigungsschock machen sich auch heute noch dramatisch bemerkbar. Denn seit Ende des Wiedervereinigungsbooms hat Deutschland 15 Jahre lang eine Rosskur durchlebt, die als Ursprung der heutigen europäischen Schuldenkrise zu sehen ist.

Im Wiedervereinigungsboom hatte Deutschland deutlich an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren: Ursachen waren ein im Verhältnis zur Produktivität überproportionaler Lohnanstieg in Ost und West, hohe Arbeitslosigkeit und gestiegene Kosten der sozialen Sicherung.  Die DM wertete real auf, die ehemals positive Leistungsbilanz drehte sich ins Negative und die Staatsverschuldung stieg von 44% des BIP im Jahr 1990 auf 60% im Jahr 1998.

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre setzten private und öffentliche Konsolidierungsbemühungen ein: sehr moderates Lohnwachstum, Produktivitätssteigerungen, Straffung der Sozialleistungen und Rückführung der öffentlichen Defizite. Diese strenge Sparpolitik führte Deutschland zwar zurück zu schnell steigenden Leistungsbilanzüberschüssen. Diesen standen jedoch von deutschen Kapitalexporten getriebene großzügige Lohnerhöhungen und wachsende Leistungsbilanzdefizite in süd-, mittel- und osteuropäischen EU-Ländern gegenüber.

Die seit der Einführung des Euro bestehende gemeinsame Geldpolitik der EZB war nicht in der Lage auf die Ungleichgewichte zu reagieren. Den steigenden Löhnen und Inflationsraten im Süden der Eurozone standen Lohnzurückhaltung und niedrige Inflation in Deutschland gegenüber, die die durchschnittliche Inflationsrate der Eurozone nahe an der Zielmarke von 2% hielten. Continue reading “Deutsche Einheit: Ursprung heutiger Schuldenkrise in Europa?”

Finanzmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 24 Kommentare zu Unser kreditfinanzierter Pseudo-Wohlstand

Unser kreditfinanzierter Pseudo-Wohlstand

In Europa kämpft Griechenland – wohl vergeblich – gegen den Staatsbankrott. Auch Irland, Spanien und Portugal werden seit Monaten von den Ratingagenturen in ihrer Bonität abgewertet. Aktuell steht Italien und auch die USA unter besonderer Beobachtung. Vor allem in den entwickelten Staaten der Nordhalbkugel ist dramatisch zu beobachten, wohin ein exzessiv mit Krediten finanzierter Wohlstand führt. Doch statt die Ursache des Übels schonungslos zu debattieren oder die Frage nach der nachhaltigen Finanzierung unseres Wohlstands zu stellen, werden politische Schaukämpfe auf Nebenkriegsschauplätzen ausgetragen.

Sparen und Investieren sind die zwei Seiten jeder langfristig tragfähigen Wohlstandsstrategie. Daran sollten sich Politiker, Unternehmer und Banker in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung immer wieder erinnern. Aber auch wir als Arbeitnehmer und Konsumenten müssten uns eigentlich bewusst machen, dass alle staatlichen Wohlfahrtsleistungen, die immer stärker nur noch mit Krediten finanziert werden, auf Sand gebaut sind. Eigentlich müssten wir in Deutschland bei der aktuellen Konjunkturlage mit sprudelnden Steuereinnahmen in den öffentlichen Haushalten satte Überschüsse erzielen. Doch stattdessen braucht die öffentliche Hand auch im laufenden Jahr Dutzende Milliarden neuer Kredite.

Der demografische Wandel tut sein Übriges. Immer weniger Erwerbspersonen müssen immer mehr ihres Einkommens für Renten, Pensionen und Zinseszinsen abgeben. Doch auf Debatten über die zwingende Notwendigkeit von Sparanstrengungen wartet man vergebens.

Zur Marktwirtschaft gehört die Bereitschaft zur eigenen Leistung. Wer glaubt, dass Manna wie in der Bibel vom Himmel fällt, lebt nicht in dieser Welt. Vielleicht sollten sich Politiker aller Couleur einmal wieder an den Urvater der Sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard,  erinnern, der uns Bürgern vor rund 60 Jahren ins Stammbuch schrieb: „Nichts ist in der Regel unsozialer als der sogenannte Wohlfahrtsstaat, der die menschliche Verantwortung erschlaffen und die individuelle Leistung absinken lässt.“

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 6 Kommentare zu Ein Sanierungskonzept für Griechenland

Ein Sanierungskonzept für Griechenland

Die Probleme in Griechenland scheinen endlos. Zu den offen ausgewiesenen Staatsschulden in Höhe von etwa 350 Milliarden Euro bzw. 150 Prozent des BIP kommt nach Berechnungen der EU-Kommission noch einmal mehr als das doppelte in Form von zukünftigen demografischen Lasten oben drauf. Die wahre griechische Staatsschuld beläuft sich auf weit mehr als 400 Prozent des BIP. Dazu kommt ein laufendes Defizit von 10,5 Prozent und eine kaum wettbewerbsfähige Wirtschaft. Kurzum: Das Land ist bankrott. Aus eigener Kraft, kommt Griechenland aus diesem Desaster nicht mehr raus. Und immer mehr gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen ist nicht länger tragbar.

Dabei gäbe es einen gangbaren Weg: Die Idee ist ein Rückkauf der griechischen Schuldtitel am Markt zum aktuellen Kurswert durch die EZB. Da der Kurswert unter dem Nominalwert liegt, reduziert sich damit automatisch die Schuldenlast des Landes, wenn die EZB auf einen Teil der Rückzahlung verzichtet. Die EZB hat ohnehin Staatsanleihen im Gesamtwert von 47 Milliarden zum jeweiligen Tageskurs erworben. 20 Prozent des Nennwerts könnten ohne einen Cent Verlust erlassen werden. Auch die noch im Umlauf befindlichen Anleihen, wie auch die als Sicherheit für Kredite an griechischen Banken hinterlegten Papiere könnte die EZB zum Kurswert aufkaufen und die Differenz zum Nennwert den Griechen ergebnisneutral gutschreiben. Die Risiken für den Steuerzahler mit diesem Sanierungskonzept sind deutlich niedriger als mit einem „Haircut“ oder der Fortsetzung der bisherigen, rein reaktiven Politik. Die griechische Staatsverschuldung könnte so um 50 Milliarden sinken.

Das Konzept ist nur als Notfallplan zu verstehen. Sünden ohne Reue ist ordnungspolitisch ein ernstes Problem. Soll der hier vorgeschlagene Rettungsweg tragfähig sein,  muss er mit knallharten Vorkehrungen für die Zukunft verbunden sein. Zudem muss Griechenland die Entschuldung dazu nutzen, um fiskalisch oder ökonomisch wieder auf Dauer Fuß zu fassen. Und natürlich ist auch eine eigene Beteiligung an den Kosten der Sanierung unerlässlich.


Das Sanierungskonzept wurde gemeinsam mit Prof. Thorsten Polleit und Dr. Anton Wiegers entwickelt. Eine ausführliche Beschreibung finden Sie hier.

Buchkritik, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 7 Kommentare zu Die Fed kriegt ihr Fett weg

Die Fed kriegt ihr Fett weg

Buchkritik: Peter D. Schiff, Wie eine Volkswirtschaft wächst … und warum sie abstürzt, Kulmbach 2011

Ein selbstbewusster Autor ist dieser Peter D. Schiff. Zwar gibt er geradezu kokett bescheiden zu, nicht klüger zu sein, als die meisten Volkswirte, ist sich aber doch sicher, „ein fundamentales Verständnis für die Grundprinzipien der Volkswirtschaft“ zu besitzen. Es könnte möglich sein. An der von seinem Vater Irwing, selbst Ökonom und Buchautor, übernommenen Allegorie „Die Fischergeschichte“, in der drei Fischer eine Insel in eine prosperierende Nation verwandeln, erklärt er mit seinem Bruder Andrew als Co-Autor und dem Comiczeichner Brendan Leach als Illustrator lust- und humorvoll die Mechanismen, Fallstricke und Abstürze einer modernen Volkswirtschaft.

Die Perspektive ist rein amerikanisch. Für den europäischen Leser bleibt dennoch genug Reflexionsmaterial. Denn Schiff hält insbesondere der US-Notenbank Fed recht ungeschminkt ihre Fehler der vergangenen drei Jahre vor. Er will zeigen, „dass das Modell der Keynesianer, wonach Regierungen folgenlos Geld ausgeben können in dem Glauben, wertloses Geld könnte ein wirksames wirtschaftliches Schmiermittel sein, falsch und gefährlich ist“.

So prangert Schiff an, dass moderne Volkswirte davon ausgehen, dass Ausgaben das Wachstum antreiben und Deflation Menschen dazu bringt, Anschaffungen aufzuschieben. Er hält diese These für absurd, da es nicht auf die Ausgaben ankomme, sondern auf die Produktion. Wenn Menschen nicht kaufen, tauge entweder das Produkt nichts oder der Verbraucher könne es sich einfach nicht leisten.

Dass die Deflation Wirtschaftsfeind Nummer Eins darstelle, liege letztlich aber daran, dass die Inflation „der beste Freund aller Politiker“ sei. Die Fed, die doch ursprünglich den Auftrag gehabt hätte, eine „elastische Grundversorgung“ einzurichten, sei mit ihrem Job, umlaufende Geldmenge passend zur Wirtschaftsaktivität zu vergrößern oder zu verkleinern, „kläglich gescheitert“. Abgesehen davon, dass der Dollar in den letzten 100 Jahren 95 Prozent seines Wertes verloren habe, existiere die Fed heute nur noch zu einem Zweck – „um die Inflation zu gewährleisten, die nötig ist, damit der Staat mehr ausgeben kann, als er in Form von Steuern einnimmt“.

Schiff warnt die USA vor Hyperinflation. Zwar würde der Dollar allgemein immer noch akzeptiert, verliere er jedoch seinen „Reservestatus“, ginge es bergab. Dass er durch den Euro abgelöst wird, sagt Schiff nicht. Es wäre wohl auch gefährlich, denn bisher hat er mit seiner Ahnungen fast immer recht behalten. Auch die Finanzmarktkrise 2008 hatte er zeitig vorausgesagt.

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 8 Kommentare zu Wer kontrolliert die Ratingagenturen?

Wer kontrolliert die Ratingagenturen?

Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass die drei großen Ratingagenturen Standard & Poor’s (S&P), Moody’s und Fitch die Kreditwürdigkeit der USA herabzustufen, würde das eine weitere Verschärfung des amerikanischen Schuldenproblems bedeuten. Denn entsprechend würde für die als risikoreicher bewerteten Staatsanleihen eine höhere Rendite eingefordert. In der Konsequenz würden die jährlichen Zinslasten und damit die laufenden Staatsausgaben steigen.

Eine Herabstufung der USA ist aber nicht nur für Amerika ein Desaster: Der Verlust der Bestnote zwingt die Gläubiger weltweit, ihre Vermögen neu zu bewerten und umzuschichten. Denn die Noten der Ratingagenturen werden von den staatlichen Finanzaufsichtsbehörden zur Geschäftsgrundlage gemacht, wenn sie Banken und Versicherungen «Stresstests» aussetzen. Das Urteil der Ratingagenturen hat quasi hoheitliche Kraft und ist verbindlich. Diese herausragende Sonderstellung der Ratingagenturen ist mehr als kritisch. Denn wer kontrolliert die Ratingagenturen? Niemand! Für alles, was auf den Finanzmärkten passiert, gibt es Aufsichtsgremien – nicht jedoch für die Ratingagenturen.

S&P, Moody’s und Fitch Ratings sind nichts anders als private Gesellschaften, deren oberstes Ziel die Gewinnmaximierung ist. Sie sind keinesfalls unabhängige Schiedsrichter und unterliegen kaum einem Wettbewerb. Vielmehr sind sie Teil der Finanzwelt und verfolgen ihre ganz eigenen Interessen. Und die Vermutung, die Ratingagenturen hätten als Schiedsrichter mit den Spielern vor und während der Finanzkrise unter einer Decke gesteckt und es zu Gefälligkeitsurteilen gekommen sei, steht immer noch im Raum.

Eine Reform muss her. Die Einnahmequellen der Ratingagenturen zu ändern, wäre ein erster Schritt zur Besserung. Ein möglicher Ansatz: Alle an einer Bewertung durch unabhängige Ratingagenturen Interessierten beteiligen sich per Pflichtabgabe an einer Umlage. Eine Offenlegung der Bewertungsmodelle und eine strengere Aufsicht über Interessenverflechtungen der Ratingagenturen wären weitere Schritte. Noch wichtiger wäre es, die Ratingagenturen für ihre Bewertungen in Haftung zu nehmen und zu normalen Mitspielern auf dem Finanzparkett zu machen. Deren Urteil sollte nur noch Meinung sein, auf die hören mag, wer will.


Die Langfassung dieses Beitrags ist in der Basler Zeitung vom 14. Juni 2011 erschienen.

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 4 Kommentare zu Wurzelbehandlung für die griechische Misere

Wurzelbehandlung für die griechische Misere

Es ist eine Binsenweisheit: Schlechtem Geld sollte man kein gutes Geld hinterherwerfen. Was aber würde passieren, wenn die Euroländer Griechenland tatsächlich den Geldhahn zudrehen würden? Wäre dies wirklich im Sinne der Gläubiger? Wenn die Hilfsleistungen eingestellt werden, wird es mit ziemlicher Sicherheit zu einer Insolvenz Griechenlands kommen. Die gravierende Folge für die Gläubiger: Die bisher vergebenen Bürgschaften würden nicht mehr zurückgezahlt werden.

Gleichzeitig hätte eine Insolvenz Griechenlands auch eine erhebliche Wirkung auf den Finanzsektor. Zunächst wären die Banken betroffen, die Kredite an Griechenland vergeben haben.  Darüber hinaus wäre aber – wie in der Finanzkrise vor Lehman Brothers – der ganze Sektor über den Derivatehandel in Mitleidenschaft gezogen. Als Folge einer staatlichen Insolvenz müssten wieder systemrelevante Banken gerettet werden.

Die Alternative zur Insolvenz wäre Griechenland weiter zu unterstützen. Gleichwohl müssen die Hellenen endlich ihre Misere an der Wurzel behandeln. Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ist das eigentliche Problem der griechischen Wirtschaft. Der Grund: Die Löhne sind im vorangegangenen Jahrzehnt in Relation zur Produktivität und zu konkurrierenden Standorten zu stark gestiegen. Schrittmacher für die Lohnsteigerung war der staatliche Bereich. Zusätzlich wurde hier auch die Beschäftigung stark ausgeweitet. Um wieder wettbewerbsfähig zu werden, muss dieser Prozess rückgängig gemacht werden. Dieser Prozess ist langwierig und schmerzhaft – ist aber alternativlos.


Prof. Dr. Michael Bräuninger ist Forschungsdirektor am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und Professor an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Der Forschungsbereich von Michael Bräuninger umfasst konjunkturelle und langfristige wirtschaftliche Analysen.

Die Langfassung dieses Beitrags „Für Griechenland gibt es keine Alternative zu einer langen und schmerzhaften Konsolidierung“ ist als am 10. Juni 2011 als „Standpunkt“ erschienen. 

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 8 Kommentare zu Haftung und Verantwortung in der Marktwirtschaft

Haftung und Verantwortung in der Marktwirtschaft

Als nach der Lehmann-Pleite die Finanzmärkte der Welt zu kollabieren drohten, hieß es unisono: Die Risiken für fahrlässiges Verhalten im Finanzsektor würden künftig nie mehr allein bei den Steuerzahlern abgeladen. Denn zu den Grundprinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehörten – wie siamesische Zwillinge – Begriffe wie Haftung und Verantwortung. Wer als Geldgeber fahrlässig hoch riskante Anlagewetten auf die Zukunft eingehe, müsse für die Folgen von Fehlspekulationen selbst haften. Nur dann, wenn dieser Grundsatz lückenlos zum Tragen komme, ließen sich die sündhaft teuren Reparaturmaßnahmen für die öffentlichen Haushalte – und damit für die Steuerzahler – wirkungsvoll eindämmen.

Wer den politischen Streit in der EU über die Beteiligung privater Gläubiger an den Rettungspaketen für Griechenland verfolgt, reibt sich verwundert die Augen. Plötzlich sind Umschuldungen unter Beteiligung des privaten Sektors ein Übel, gegen das sich Regierungen im Euroraum genauso stemmen wie die Europäische Zentralbank. Warum wird plötzlich die Gefahr einer neuen Bankenkrise an die Wand gemalt, um damit genau den Lösungsansatz zu bekämpfen, der die strukturelle Hauptursache für die regelmäßig wiederkehrenden Krisen an den Finanzmärkten oder die Überschuldungskrisen von Nationalstaaten beseitigen könnte?

Der Finanzsektor schreit nach Vollkasko! Er verteidigt seine Renditen aus den Boomzeiten, die häufig genug unter grober Missachtung jeglicher Risikofolgenabschätzung erzielt wurden, statt sich zur unternehmerischen Eigenverantwortung zu bekennen. Er setzt darauf, dass seine „Systemrelevanz“ die Politik zwingt, ihm die Verantwortung dadurch abzunehmen, dass die erzielten „Strohgewinne“ privatisiert  bleiben und die Verluste sozialisiert werden. Mit diesem Geschäftsmodell machen viele gut bezahlte Akteure an den Finanzmärkten unsere marktwirtschaftliche Ordnung kaputt. Wer mag noch den Stab über vermeintliche oder tatsächliche „Sozialschmarotzer“ brechen, wenn die Epigonen des Finanzkapitalismus gegen sich nicht gelten lassen, was für die sogenannten kleinen Leute zu gelten hat: Eigenverantwortung!

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 3 Kommentare zu Neue Stabilität wird beerdigt

Neue Stabilität wird beerdigt

Mit dem heutigen Beschluss des Bundestags über weitere Finanzhilfen für Griechenland, begräbt er die zukünftigen Stabilitätsregeln für die Euro-Länder gleich mit. Ab Juli 2013 soll der Europäische Stabilitäts-Mechanismus (ESM) die bisherigen provisorischen Hilfssysteme ablösen und die Maastricht-Kriterien bzw. den Stabilitäts- und Wachstumspakt ergänzen. Zu den Kerngedanken des ESM gehört, im Falle einer faktischen Staatsinsolvenz unter strengen Sparauflagen Finanzhilfen zu gewähren – allerdings, und das wäre neu, unter Beteiligung der Gläubiger.

Das Haftungsprinzip gehört zu den Grundpfeilern der Sozialen Marktwirtschaft. Denn ohne Wettbewerb, Vertragsfreiheit und eben Haftung kann der Markt keine glaubwürdigen Informationen liefern. Die faktische Sozialisierung des Risikos der Staatsverschuldung von Griechenland ist insoweit nicht nur Folge sondern eben auch Ursache zu niedriger Zinsen in der Vergangenheit bzw. der überhöhten Verschuldung. Das Haftungsprinzip sollte mit der im ESM verankerten Gläubiger-Beteiligung bei zukünftigen Staatsinsolvenzen wieder gestärkt werden. Sollte…Wird aber nicht. Denn mit der erneuten Griechenland-Hilfe wird dieser Grundsatz schon wieder verletzt, bevor das neue Regelwerk überhaupt beschlossen ist.

Nach EMS-Regelwerk müsste es bei einer negativen Schuldentragfähigkeitsanalyse zu einer Verhandlung des Schuldners mit seinen Gläubigern kommen – Finanzhilfen vom ESM gäbe es nur dann, wenn Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Anleihezinsen, die einen drohenden Zahlungsausfall berücksichtigen, wären höher und würden ausufernde Verschuldung frühzeitig dämpfen. Im Fall Griechenlands läuft es aber jetzt wieder ganz anders. Hier sollen die Gläubiger lediglich dazu angehalten werden, ihre Kreditlaufzeiten zu verlängern. Schäuble nennt das „weiche Umschuldung“. Tatsächlich ist das aber ein warmer Geldsegen für alle, die von hohen Anleihezinsen profitieren. Statt Haftung wird so Risikofreiheit garantiert. Die Geschichte des Euros ist eine Aneinanderreihung ungesühnter Rechtsbrüche. Ein neues Kapitel wird gerade geschrieben.


* WestLB (Bad Bank): 1.400 Mio., LBBW: 1.389 Mio, Landesbank Berlin: 364 Mio., HSH Nordbank: 295 Mio., NordLB: 197 Mio., BayernLB: 121 Mio., WestLB: 97 Mio., Helaba: 78 Mio.

Weitere Informationen:
*cep-Standpunkt: Freie Fahrt in die Schuldenunion, April 2011

*cep- Kommentierung zur Reform des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes

Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 1 Kommentar zu Inszenierung statt Verantwortung

Inszenierung statt Verantwortung

Es sind merkwürdige Zeiten: Killerbakterien und ein deutsch-spanischer „Gurkenkrieg“ beherrschen seit Wochen die Schlagzeilen. Dabei relativieren sich die Krankheits- und Todesfälle durch den EHEC-Erreger,  wenn man die Fallzahlen bei jeder größeren Grippe-Welle in der kälteren Jahreszeit damit vergleicht. Hier wird medial vor allem Panik inszeniert!

Bereits im zweiten Jahr befindet sich die Inszenierung um die Griechenland-Rettungsaktion, die fälschlicherweise als „Euro-Rettung“ apostrophiert wurde. Statt den Kern des Problems zu benennen, die selbst verschuldete griechische  Überschuldung, das permanente Leben auf Pump, machten Politiker, Notenbanker und Medien die Zukunft des Euro zum Thema: Wer Griechenland nicht hilft, macht die europäische Währungsunion kaputt!

Doch Griechenland ist ohne Umschuldung, ohne Verzicht der Gläubiger auf große Teile ihrer Forderungen, nicht zu retten. Wer das angesichts des derzeit verhandelten 2. Hilfspakets immer noch bestreitet , handelt verantwortungslos. Vor lauter Rettungs-Inszenierung ist der Politik inzwischen die Tuchfühlung zum Volk in der Euro-Frage abhanden gekommen. Weil die Politik die Griechenland-, Portugal- und Irland-Rettung zur Euro-Rettung verklärte, haben besonders wir Deutschen die Lektion gelernt: Die Euro-Skepsis ist mit Händen zu greifen, Währungsreform-Debatten werden in privaten Runden und am Arbeitsplatz geführt und sie bestimmen zunehmend langfristige Anlage- und Investitionsentscheidungen.

Plötzlich muss die Politik ihre Argumentationsketten ändern, um den Flächenbrand an Europa-Skepsis zu stoppen, der im Land herrscht.  Plötzlich sagen und schreiben alle vom Euro als Erfolgsgeschichte, der uns Deutschen Wohlstand und politische Stabilität gebracht habe. Man redet jetzt lieber von Haushaltsdisziplin, die durchzusetzen es in den peripheren Mitgliedsstaaten im Süden und Nordwesten der Euro-Zone gehe. Man inszeniert wieder, statt dort Verantwortung einzufordern, wo jahrelang Schindluder getrieben wurde:  bei den politisch Verantwortlichen in den betroffenen Ländern, bei den EU-Institutionen und der EZB, die nicht so genau hingeschaut haben, bei Banken und anderen Gläubigern, die trotz der absehbaren Risiken großzügig die Verschuldungsorgien mitfinanziert haben.

Inszenierung ersetzt niemals Verantwortung! Diese Lektion verbindet so unterschiedliche Themen wie EHEC und Euro.

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 11 Kommentare zu Eine Chance für Griechenland!

Eine Chance für Griechenland!

Griechenland droht unter seinem eigenen Schuldenberg zu ersticken. Die Milliarden aus den Rettungspaketen sind mehr oder weniger verpufft. Selbst in den Finanzministerien in Europa wird nun seit kurzem offen über eine Umschuldung gesprochen. Die Frage lautet nicht mehr, ob ein Schuldenschnitt gut oder schlecht ist, sondern wann und in welcher Form er kommt. Dabei gilt: Je eher der Schnitt kommt, umso besser. Denn die Unsicherheit schadet Unternehmen und Konsumenten – auch hierzulande. Und je länger man wartet, umso mehr können sich private Gläubiger davonmachen und desto stärker bleibt das Risiko bei den Staaten und damit beim Steuerzahler.

Im Prinzip bleiben folgende Möglichkeiten: Erstens „Das Schrecken ohne Ende Szenario“. Das würde bedeuten, man schiebt die Rückzahlungen der Anleihen 10, 20 oder 30 Jahre auf und verringert gleichzeitig die Zinszahlungen oder setzt sie sogar ganz aus. Oder Zweitens „Das Ende mit Schrecken Szenario“ – der Haircut. Von einem Tag auf den anderen müssten Gläubiger einen Teil der Schulden abschreiben. Danach könnten allerdings schwache Banken in- und außerhalb Griechenlands existenzielle Probleme bekommen, da sie hohe Summen abschreiben müssen. Eine dritte und wohl günstigste Möglichkeit ist eine Kombination aus beidem. Ein Gremium aus Internationalem Währungsfonds und EU-Vertretern müsste den Insolvenzverwalter mimen und jedem Gläubiger die Wahl zwischen den beiden Szenarien anbieten. Das wäre ein elegantes Modell, um die negativen Seiten eines harten Haircuts abzufedern. Mittels Investitionen mit zinsvergünstigten Krediten aus dem ESM könnte die griechische Wirtschaft danach wieder aufgepäppelt werden. Das wäre eine Chance für Griechenland.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 16 Kommentare zu Steuermehreinnahmen: Die große Versuchung

Steuermehreinnahmen: Die große Versuchung

Am kommenden Donnerstag wird der Arbeitskreis Steuerschätzung offiziell verkünden, was die Spatzen bereits seit Wochen von den Dächern pfeifen: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, seine Länderkollegen und die Kämmerer in den Kommunen können sich dank der guten Konjunkturlage im Land auf Steuermehreinnahmen freuen, die sich im Vergleich zur letzten Schätzung vor einem Jahr auf bis zu 125 (!) Milliarden Euro im Zeitraum 2011 bis 2014 belaufen können.

Die gute Konjunktur und Beschäftigungslage lassen die Steuerquellen sprudeln und mit ihnen wachsen die Begehrlichkeiten in Politik und Gesellschaft. Kollektiv wird dann ausgeblendet, dass die mittelfristige Finanzplanung der öffentlichen Haushalte in den kommenden Jahren hohe Defizite und damit weitere Kreditaufnahmen vorsieht. Schnell wird verdrängt, dass sich die aktuell positive Konjunkturentwicklung im Prognosezeitraum auch wieder verschlechtern kann. Da werden die absehbaren gewaltigen Mehrausgaben, die mit steigender Inflation und steigenden Zinsen auch auf die öffentlichen Kassen zukommen, schlicht negiert. Allein die Finanzplanung des Bundes, die erst vor einem Monat vom Bundeskabinett beschlossen wurde, weist für den Bundeshaushalt in den Jahren 2011 bis 2014 Kreditaufnahmen von insgesamt mehr als 117 (!) Milliarden Euro aus. Und die Bareinlage, die Deutschland für den Europäischen Stabilitätsmechanismus ab 2013 einzahlen muss, wird mehr als ein Drittel der vorhergesagten Mehreinnahmen des Bundes aufzehren. Denn die Kosten für die dauerhafte Rettungsaktion für die europäischen Krisenstaaten Griechenland, Irland und Portugal sind in der bisherigen Finanzplanung noch überhaupt nicht berücksichtigt. Wie gewonnen, so zerronnen!

Bundesbankpräsident Jens Weidmann tat gut daran, bei seiner Amtseinführung den anwesenden Bundesfinanzminister in diesen Tagen aufzufordern, die gute Konjunkturlage für eine Beschleunigung der Etatsanierung zu nutzen. Konjunkturbedingte Steuermehreinnahmen sollten zwingend in den zügigen Abbau der hohen Defizite gesteckt werden. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not! Diese alte Volksweisheit müsste eigentlich als guter Leitsatz für solide Finanzpolitik im aktuellen Aufschwung stehen! Doch wer will ihn hören oder gar beherzigen?

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 4 Kommentare zu Kein Spielraum für neue Subventionen

Kein Spielraum für neue Subventionen

Von Jahr zu Jahr wird der Subventions-Dschungel in Deutschland immer dichter. Erst Anfang des Jahres hatte das Institut für Weltwirtschaft Kiel einen neuen Höchststand vermeldet: 164 Milliarden Euro hatte der Staat 2010 an Subventionsgeldern verteilt. Dabei verstoßen derlei Eingriffe gegen den Grundgedanken der Sozialen Marktwirtschaft von einem fairen Wettbewerb. Und dennoch: Immer wieder und wieder greift die Politik auf das reichhaltige Instrumentarium der Subventionen in dem Glauben zurück, sie wüsste besser als der Markt welchen Produkte die Zukunft gehören sollten. Nun ist es wieder soweit: Geht es nach der Bundesregierung dann sollten bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren.

Um den Bürgern den Kauf von Elektro-Autos schmackhaft zu machen, debattiert die Politik gegenwärtig darüber, stromgetriebene Pkw für zehn Jahre oder sogar gänzlich von der Kfz-Steuer zu befreien sowie über günstige Kredite der KfW-Banken. Das verzerrt nicht nur den Wettbewerb mit benzinbetriebenen Autos, sondern führt auch zu erheblichen Steuermindereinnahmen. Äußerst kurios erscheint freilich die Idee, in den Innenstädten einige Parkplätze nur für Batteriemobile vorzubehalten.

Daneben stehen Zuschüsse in Forschung und Gelder zum Aufbau der notwendigen Stromnetze im Raume. Insgesamt wird der Subventionsbedarf laut einer Studie der Nationalen Plattform Elektromobilität bei über 3,9 Milliarden Euro liegen. Offenbar scheint es den verantwortlichen Politikern entgangen zu sein, dass Deutschland neben dem Subventionsrekord noch in einem anderen Bereich einen historischen Rekord erreicht hat. Die Gesamtverschuldung liegt bei astronomischen 2.000.000.000.000 Euro. Für neue Subventionsgeschenke besteht wahrlich kein Spielraum.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 25 Kommentare zu Keynes vs. Hayek: “Kampf des Jahrhunderts“ Part II.

Keynes vs. Hayek: “Kampf des Jahrhunderts“ Part II.

Wie soll sich der Staat in wirtschaftlichen Krisensituationen verhalten? Ist eine drastische Erhöhung der Staatsausgaben der einzige mögliche Weg aus der Krise? Oder ist es besser, er hält sich raus? Wären wir heute ohne all die Konjunkturpakete in eine Depression wie in den 30er Jahren abgeglitten. Oder sind wir umgekehrt wegen der folgenschweren Eingriffe in die Wirtschaft noch nicht aus der Krise raus? Der Kampf Hayek vs. Keynes geht in die nächste Runde.

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Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 7 Kommentare zu Bankrottes Amerika

Bankrottes Amerika

Nur kurz schreckte die Rating-Agentur Standard and Poor’s mit dem abgesenkten Bonitätsausblick für die USA die Finanzmärkte der Welt auf. Doch ob dieser Warnschuss ausreicht, die politische Blockade zwischen Demokraten und Republikanern aufzulösen, die derzeit eine wirksame Konsolidierungsstrategie in der amerikanischen Finanzpolitik verhindert, ist extrem ungewiss.

Dabei zeigen die harten Fakten der amerikanischen Verschuldungsorgie ein gnadenloses Politikversagen in der immer noch größten Volkswirtschaft der Welt. Das Land, das mit der Wallstreet die Herzkammer des weltweiten Finanzkapitalismus repräsentiert, ist auf dem Weg in einen Staatsbankrott. Allein die ausgewiesene Staatsverschuldung hat sich binnen des letzten Jahrzehnts von etwas mehr als 5.000  auf über 14.000 Milliarden US-Dollar annähernd verdreifacht. Gemessen am jährlichen Bruttoinlandsprodukt der USA explodierte die Staatsverschuldung von knapp 55% im Jahr 2000 auf fast 100% im laufenden Jahr.

Rechnet man die implizite Verschuldung hinzu, also die Leistungszusagen der Altersversorgung und der Sozialsysteme, dann explodiert die US-Verschuldung auf mehr als 200 Billionen (!) US-Dollar. Der renommierte Bostoner Ökonom Laurence Kotlikoff bringt das Schuldendesaster Amerikas auf den Punkt: „Die USA ist in schlechterer fiskalischer Verfassung als Griechenland.“  Die fiskalische Lücke Amerikas sei 14 mal größer als das Bruttoinlandsprodukt, während die Deckungslücke Griechenlands „nur“ 11 mal größer sei als das BIP. „Faktisch sind die USA bankrott“, so Kotlikoffs harsches Fazit.

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Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , , , 16 Kommentare zu Plädoyer für einen effizienten Bürgerstaat

Plädoyer für einen effizienten Bürgerstaat

Ohne eine grundlegende Revision der staatlichen Auf- und Ausgaben werden die Vorgaben der Schuldenbremse für Bund und Länder nicht zu erfüllen sein. Der durch die Reformen der Sozial-, Wirtschafts- und Bildungspolitik in den sechziger und siebziger Jahren expandierte Staatsapparat muss nun für ein schrumpfendes, wachstumsschwächeres Land zurechtgestutzt werden. Dies wird auf massiven Widerstand stoßen. Die politischen und öffentlichen Reaktionen auf die Hartz-Reformen haben deutlich gemacht, wie schwer es im demokratischen Gruppenstaat fällt, einmal beschlossene Leistungen zu kürzen.

Und dennoch: Bei dem nach 1970 begonnene Ausbau des Wohlfahrtstaates galt die Maxime: je mehr Leistungen, desto besser. Fragen nach Effektivität und Effizienz wurden vernachlässigt. Nachdem in den frühen sechziger Jahren der Bildungsnotstand ausgerufen worden war, setzte eine Bildungsexpansion ein. Dann beschlossen die Kulturminister nicht mehr an internationalen Vergleichsstudien teilzunehmen. Das Resultat dieser Verweigerung zeigte vor gut zehn Jahren die erste PISA-Studie: Im internationalen Vergleich war Deutschlands Bildungssystem nur Mittelmaß.

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