Wachstum

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 3 Kommentare zu G20: Keine schlechte Bilanz

G20: Keine schlechte Bilanz

Auf dem G20 Gipfel wurde das Fundament für eine neue Weltwirtschaftsordnung gegossen.

Was die Staats- und Regierungschefs gestern in London auf den Weg gebracht haben, kann sich sehen lassen. Immerhin hatten sie nicht weniger als eine historische Herkulesaufgabe zu meistern. Die Finanzkrise hat aufgezeigt, an welcher Stelle die Märkte an ihre Grenzen stoßen, wenn die Rahmenbedingungen falsch gesetzt sind: Zu niedrige Zinsen, faule Kredite, Haftungs- und Regulierungslücken, zu laxe Bilanzierungsregeln und eine mangelhafte internationale Koordination. Auf diesen Baustellen hat der G20-Gipfel jetzt das Fundament für eine neue, zeitgemäße Weltfinanzordnung gegossen.

Wer hätte noch vor einem guten halben Jahr gedacht, dass Reformen möglich werden, an denen sich manche Regierungen wie die deutsche jahrelang die Zähne ausgebissen haben. Jetzt sollen alle wichtigen Finanzinstitutionen stärker reguliert und beaufsichtigt werden. Dazu gehören auch die Hedgefonds, deren Kontrolle bis gestern am Widerstand der USA und Großbritanniens gescheitert war. Auch beim Thema Steueroasen ging es jahrelang nur in kleinen Trippelschritten vorwärts. Jetzt hat man endlich einen großen Satz gemacht, selbst wenn hier auf Dauer noch mehr nötig ist. Mit der Aufwertung des Financial Stability Forums zum neuen Financial Stability Board wird eine hoffentlich schlagkräftigere internationale Finanzaufsichtsbehörde geschaffen. Der Internationale Währungsfonds wird durch die Aufstockung seiner Finanzmittel handlungsfähiger gemacht, und es wird eine grundlegende Reform angemahnt. Bahnbrechend ist, dass der IWF-Direktor in Zukunft nicht mehr automatisch allein von den Europäern bestimmt werden kann, sondern nach Qualifikation ausgewählt wird.

Mit den Ergebnissen des Gipfels steht das Fundament, bis zum Richtfest werden die einzelnen Nationalstaaten aber noch Sonderschichten einlegen müssen: Jetzt geht es darum, die Absichtserklärungen von London in nationales und europäisches Recht umzusetzen. Dabei darf staatliche Kontrolle und Regulierung aber nicht zu einer Belastung für ein freies, marktwirtschaftliches Finanzsystem werden. Denn bei einer schrägen Statik, gerät auch die neue Finanzarchitektur wieder ins wanken.


Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln kommentiert den G20-Gipfel heute im Handelsblatt. Prof. Dr. Michael Hüther sieht die größten Aufgaben jetzt in der Verantwortung der Nationalstaaten: „Die Bankenaufsicht muss gestärkt werden und die Bad-Bank Frage muss beantwortet werden. Bei beiden Themen hat die Bundesregierung noch reichliche Hausaufgaben zu erledigen.“

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 4 Kommentare zu HRE: Enteignung ist noch viel zu milde

HRE: Enteignung ist noch viel zu milde

Kursentwicklung der Hypo Real Estate.Morgen wird der Bundesrat das Enteignungs-Gesetz beschließen. ÖkonomenBlog-Autor Ulrich van Suntum hält die Enteignung der Hypo Real Estate allerdings für unnötig – und präsentiert ein alternatives Modell zur Rettung der Banken.

Bei der Lösung der Finanzkrise sollte man drei Fälle von Banken unterscheiden: A-Banken können ihre Bilanzprobleme ohne Hilfe des Staates lösen. Bei B-Banken würde die sofortige Abschreibung ihrer toxischen Papiere das Eigenkapital aufzehren oder jedenfalls unter kritische Grenzen sinken lassen.  B-Banken sind aber ertragsstark genug, um ihre Verluste auf mittlere Sicht auszugleichen. Bei C-Banken ist nicht einmal das gewährleistet, weil die Zinsverpflichtungen auf absehbare Zeit ihre Zinserträge übersteigen. C-Banken haben also nicht nur ein Bilanzproblem, sie sind auch faktisch insolvent oder zumindest chronisch illiquide.

Bei A-Banken brauchen wir nichts zu tun. Für B-Banken bietet sich der Austausch des Bilanzschrotts gegen unverzinsliche Staatsanleihen an (siehe ÖB-Beitrag vom 5. März). Diese werden erst dann fällig, wenn der Staat aus der Verwertung der toxischen Papiere und der Anlage entsprechender Erlöse am Kapitalmarkt das dazu nötige Geld erwirtschaftet hat. So lässt sich ohne den Einsatz von Steuergeld das Bilanzproblem der B-Banken lösen. Sie zahlen für ihre Sünden mit langjährigen Zinsausfällen, statt wegen der sonst notwendigen Abschreibungen schließen zu müssen.

Die Hypo-Real Estate ist vermutlich eine C-Bank. Das heißt: Hätte der Staat sie nicht schon bisher mit über 100 Mrd. Euro gestützt, wäre sie längst pleite – und zwar faktisch, nicht nur im Bilanzausweis. Die Alteigentümer um Flowers  & Co haben insoweit keinerlei  Ansprüche mehr zu stellen, der Restwert ihrer Aktien resultiert allein aus den staatlichen Hilfen. Daher kommen sie bei der jetzt anstehenden Verstaatlichung noch viel zu gut weg, der Staat zahlt praktisch zweimal für denselben Schrott.

Es wäre besser gewesen, die HRE von Anfang an wie bei den B-Banken beschrieben zu behandeln. Das könnte man auch jetzt noch tun. Allerdings reicht der bloße Tausch von vergifteten Aktiva gegen sichere, aber ertragslose Staatspapiere bei einer C-Bank nicht aus.  Irgendjemand muss schließlich die Zinsen auf ihre Schulden zahlen, soweit ihre eigene Ertragskraft dazu nicht reicht. Nach Lage der Dinge kann das nur der Staat sein. Entsprechende Garantien hat er ohnehin schon übernommen, um insbesondere die Pfandbriefgläubiger zu schützen. Das kann er auch ohne Enteignung weiter tun, so lange es nötig ist. Die Kosten dafür haben natürlich die HRE-Aktionäre zu tragen. Das bedeutet: Keine Dividende mehr an die Alteigentümer, bis der Steuerzahler sein Geld zurück hat. Mit viel Glück und Geduld kommt die HRE vielleicht einmal wieder in die Gewinnzone. Wenn nicht, wird ihr Aktienkurs eben ins Bodenlose sinken. In beiden Fällen ist das besser für den Steuerzahler, als den Eigentümern der Pleitebank für ihre formelle Enteignung auch noch Entschädigung hinterher zuwerfen.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 11 Kommentare zu Dritter Weg führt in die Irre

Dritter Weg führt in die Irre

Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive

Nach Ansicht vieler Kritiker hat die Wirtschaftskrise ein Steuerungsversagen der Marktwirtschaft offen gelegt. Die moralische Entrüstung über das Fehlverhalten Einzelner, der man mit Verständnis begegnen kann, die Habgier und die Verantwortungslosigkeit, fordern scheinbar kompromisslos eine neue Welt des dritten Weges. Konkrete Vorschläge sind aber bisher ausgeblieben. Sicher ist nur: die dezentrale Steuerung über den Markt wird abgelehnt. Dagegen soll der staatlichen Lenkung eine bedeutendere Rolle zukommen. Das ist eine Wunschvorstellung für eine Welt, die nur von Guten und vom Guten geprägt ist. Immerhin ergibt sich so die Chance, moralsensible Menschen wieder in den öffentlichen Raum zurückzuholen und in einen konstruktiven Dialog einzubinden. Dafür bedarf es jedoch Brücken zu neuer Sprachfähigkeit. Die Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche „Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive“ rückt einen zentralen Akteur unserer Wirtschaftsordnung wieder ins rechte Licht: den Unternehmer. Ihm wird eine hohe Bedeutung für Innovation, Wertschöpfung und gesamtwirtschaftlichen Wohlstand zugesprochen. „Unternehmerische Freiheit in evangelischer Perspektive ist Freiheit in Verantwortung vor Gott und den Menschen“, so heißt es in der Denkschrift. Verantwortung und Haftung sind die tragenden Pfeiler der Sozialen Marktwirtschaft. Die Suche nach einem dritten Weg erübrigt sich, wenn es uns gelingt, die ordnungspolitischen Eckpfeiler zu reanimieren. Das ist zwar weniger spektakulär, aber nicht minder wirksam.

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 1 Kommentar zu Opel-Konkurrenten nicht diskriminieren

Opel-Konkurrenten nicht diskriminieren

Über 10 Prozent aller Abwrack-Prämien-Anträge beziehen sich auf den Kauf eines neuen Opels. Dennoch: Trotz dieses Subventions-Schubs gehört die Marke Opel auf dem deutschen Markt zu den Lame Ducks: Bei den Autoverkäufen im Februar legte Opel nur vier Prozent zu. Ford und VW finden bei den Kunden momentan deutlich mehr Absatz.

„Angela Merkel darf Opel nicht sterben lassen“, forderte heute der stellv. IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel anlässlich des Besuchs der Kanzlerin beim Opel-Werk in Rüsselsheim. Was heißt das, Merkel solle Opel nicht sterben lassen? Meint Wetzel damit etwa die Bundesregierung, der Gesetzgeber oder die Steuerzahler ständen in der Pflicht, krisengeschüttelte Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu retten? So kann und muss man ihn wohl verstehen. In der logischen Konsequenz können wir uns bereits auf die Forderung vorbereiten, die Kanzlerin möge deutschlandweit alle anderen gescheiterten Unternehmen gleich mit retten. Immerhin mussten im letzten Jahr (2008 war wirtschaftlich noch sehr erfolgreich) knapp 30.000 Unternehmen ihre Zahlungsunfähigkeit erklären. In dieser Logik wäre es vermutlich angebracht, die Steuerzahler zur Erhaltung sämtlicher Arbeitsplätze krisengeschüttelter Unternehmen zur Kasse zu bitten, es sei denn, es wird mit zweierlei Maß gemessen.

Ziel einer Sozialen Marktwirtschaft kann dies nicht sein. Derartige Rezepte wurden bereits mit dem Zusammenbruch der zentralen Planwirtschaft widerlegt. Das Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft lehrt uns: Langfristiges Wachstum und steigender Wohlstand waren auch bisher eben nur deshalb erreichbar, weil sich der Staat und die Politik weitestgehend aus der Unternehmensfinanzierung und -lenkung herausgehalten haben.

Sobald sich der Staat einmischt, kommt es langfristig und strukturell zu schlechteren und ineffizienten Ergebnissen: Nicht die besten und günstigsten Produkte setzen sich durch, sondern die, die sich am Subventionstopf des Staates erlaben. Das ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch ungerecht: Ungerecht für alle kleinen und mittelständischen Unternehmen, die sich ohne Staatshilfe (sei es eine Bürgschaft oder eine direkte Eigenkapitalspritze) am Markt behaupten müssen. Der Aufruf an die Kanzlerin müsste demnach eher lauten: „Angela Merkel darf die Opel-Konkurrenten nicht ungerechtfertigt diskriminieren“. Keinem ist daran gelegen, fast 30.000 Arbeitsplätze bei Opel aufs Spiel zu setzten. Deshalb sind die Bemühungen von Unternehmensleitung, Gewerkschaften und Politik auch richtig, das Geschäftsmodell zu optimieren und private Investoren ins Boot zu holen. Sollte dies aber nicht gelingen, wird sich aber auch kein Staatsunternehmen erfolgreich gegen Absatz- und Umsatzeinbrüche in einer offenen Volkswirtschaft zur Wehr setzen können.


Zur Grafik: Über 10 Prozent aller Abwrack-Prämien-Anträge beziehen sich auf den Kauf eines neuen Opels. Dennoch: Trotz dieses Subventions-Schubs gehört die Marke Opel auf dem deutschen Markt zu den Lame Ducks: Bei den Autoverkäufen im Februar legte Opel nur vier Prozent zu. Ford und VW finden bei den Kunden momentan deutlich mehr Absatz.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 2 Kommentare zu Konjunkturpaket: Programmierte Geldverschwendung

Konjunkturpaket: Programmierte Geldverschwendung

Die DIW Studie “Richtig Investieren” zeigt, dass die Ausgestaltung der Konjunkturpakete nicht optimal sind.

Mit den im Rahmen der Konjunkturpakete versprochenen Investitionsvorhaben hat die Bundesregierung große Hoffnungen geweckt. Vor allem die versprochenen Infrastrukturinvestitionen können — sofern sie sinnvoll ausgegeben werden — das Wachstumspotential der deutschen Volkswirtschaft deutlich verbessern. In den bisher beschlossenen Konjunkturpaketen ist die Ausgestaltung dieser Vorhaben aber leider enttäuschend. Vor allem fehlt es an klaren Vorgaben, in welche verschiedenen Felder die insgesamt 19,7 Milliarden Euro investiert werden sollen. Ohne derartige Vorgaben ist Geldverschwendung vorprogrammiert. Denn die Kommunen können die vagen Vorgaben nutzen, um Maßnahmen, die ohnehin beschlossen waren, so umzuformulieren, dass sie Teil des Investitionsprogramms werden können.

Die Studie „Richtig investieren” zeigt erstens, dass der Investitionsbedarf in Deutschland grundsätzlich zu ermitteln ist und zweitens, dass ein echtes Zukunftsinvestitionsprogramm auf Grundlage ökonomischer Daten errechnet werden kann. Das Konzept ist einfach: Dort wo im internationalen Vergleich Deutschland am meisten hinterherhinkt, gehört am meisten Geld hin! So fehlen Investitionen in die qualitative Verbesserung des Bildungswesens, die Energieeffizienz, die Gesundheitsförderung und den Ausbau der Internet-Infrastruktur. Dies sind genau die Bereiche, in denen Deutschland international hohen Nachholbedarf hat. Aus diesem Grund muss deutlich mehr Geld in diese Bereiche fließen, weil sich dort Investitionen besonders auszahlen. Vor allem die Investitionen in die Basisinfrastruktur sind hingegen falsch angelegtes Geld. Deutschland hat in diesem Bereich das höchste Niveau aller EU-Staaten. Mit den Vorgaben des aktuellen Konjunkturprogramms werden aber genau dorthin die meisten Mittel fließen. Betonautobahnen statt Datenautobahnen. Gips statt Grips – Zukunft sieht anders aus!


Die DIW Studie „Richtig investieren“ zeigt, dass die Ausgestaltung der Konjunkturpakete enttäuschend ist. Anstatt die Basis-Infrastruktur weiter auszubauen, wären Investitionen in Bildung und Nachhaltigkeit wesentlich sinnvoller gewesen. Denn vor allem in diesen Bereichen besteht in Deutschland Aufholbedarf.

Arbeitsmarkt, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , Leave a Comment on 10 Jahre Einheitswährung: Europa driftet

10 Jahre Einheitswährung: Europa driftet

Grafik aus der IW-Studie „Zehn Jahre Euro – Erfahrungen, Erfolge und Herausforderungen“, IW-Analysen Nr. 43, Köln 2008

In diesem Jahr feiert die Europäische Währungsunion ihr zehnjähriges Bestehen. Doch einigen Mitgliedsstaaten dürfte beim Blick auf ihre Leistungsbilanz die Lust zum Feiern vergehen. In Italien wurde bereits schon vor einiger Zeit laut über den Euroausstieg nachgedacht. Die Währungsunion ist bedroht. Schnell wird die globale Finanzkrise dafür verantwortlich gemacht, die wahren Ursachen liegen aber woanders. In der EU herrschen beträchtliche wirtschaftliche Ungleichgewichte, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigt. Während vor allem südeuropäische Staaten enorme Defizite in ihrer Leistungsbilanz aufweisen, können Länder wie Deutschland, Finnland und die Niederlande enorme Überschüsse vorweisen. Europa driftet auseinander.

Aber wie kommt das? Schlägt die Wirtschaftskrise in diesen Ländern besonders hart zu? Diese Schlussfolgerung wäre zu einfach. Richtig ist, dass durch die Krise das zu Tage kommt, worüber im Aufschwung oft hinweggesehen wird. Die südeuropäischen Länder und Irland haben stark vom Euro profitiert und konnten hohe Wachstumsraten aufweisen. Als Folge stiegen die Löhne überdurchschnittlich stark an. Zwar war der Boom schnell vorüber, die Löhne stiegen jedoch immer weiter. Die Produktivität dagegen verbesserte sich kaum noch. Das Resultat: Die Lohnstückkosten der einzelnen Länder erhöhten sich im Vergleich zum restlichen Europa stark und die heimischen Güter wurden teurer, während Erzeugnisse aus dem restlichen Europa erschwinglicher wurden. So verwundert es nicht, dass die Importe der Südeuropäer die Exporte deutlich übersteigen. Zusätzlich befeuert wurde das ganze durch das niedrige reale Zinsniveau in diesen Ländern. Ein Effekt, der in weniger dynamisch wachsenden Staaten wie Deutschland ausblieb. Dort klagte man über schwache Binnennachfrage, aber freute sich über wachsende Exporte. Um die Gemeinschaftswährung vor dem Zusammenbruch zu retten, müssen die Südeuropäischen Staaten die Sünden der Vergangenheit kompensieren. Deshalb ist eine strikte Lohnzurückhaltung geboten, und zwar so lange bis Spanien, Griechenland, Italien und Portugal wieder wettbewerbsfähig sind und sich über den Außenhandel aus der Rezession ziehen können.


Grafik aus der IW-Studie „Zehn Jahre Euro – Erfahrungen, Erfolge und Herausforderungen“, IW-Analysen Nr. 43, Köln 2008, 152 Seiten, 24,80 Euro. Bestellung als E-Book unter: www.divkoeln.de

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , Leave a Comment on Arbeit ist sicher geworden

Arbeit ist sicher geworden

Entwicklung der Berufsunfälle in den vergangenen 60 Jahren.

Vor 50 Jahren war der Einkommenserwerb ein echtes Risiko für Leib und Leben. Über 3.000 tödliche Berufsunfälle wurden im Jahr 1960 registriert und die Zahl stieg in den kommenden Jahren sogar auf fast 4.000 an (jeweils Westdeutschland). Bis zum heutigen Zeitpunkt reduzierte sich die Anzahl der tödlichen Berufsunfälle auf gerade noch 1.000 – in Gesamtdeutschland. Die Wahrscheinlichkeit, am Arbeitsplatz ums Leben zu kommen war seinerzeit somit fast fünfmal so hoch wie heute. Fast im Gleichschritt haben sich auch die nicht-tödlichen Arbeitsunfälle verringert. 1960 verletzten sich von 1.000 Arbeitern über 100 pro Jahr – jeder Zehnte. Heute wird nicht einmal mehr jeder Dreißigste in einen Unfall verwickelt. Der Arbeitsplatz ist also tatsächlich sicherer geworden. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen haben sich die Schutzbestimmungen am Arbeitsplatz drastisch verschärft. Waren früher Arbeiter z.B. in der Chemieindustrie giftigen Dämpfen oder Stoffen schutzlos ausgesetzt sind sie heute mit Masken und speziellen Anzügen bestens davor geschützt. Zum anderen sind heute immer mehr Menschen in Dienstleistungsberufen tätig. Die Berufsausübung verlagert sich von der Fabrikhalle in moderne Büros. Es ist offensichtlich, dass eine Arbeit am Schreibtisch und Computer ein wesentlich geringeres Risiko für die Gesundheit darstellt, als eine Arbeit am Fließband, in der Zeche oder in der Chemiefabrik. Richtig ist aber auch, dass sich durch den zunehmenden Wettbewerb der Zeitdruck und der Stress am Arbeitsplatz vergrößert haben. Und dennoch geben laut Befragungen heute nur 17 Prozent der Erwerbstätigen an, an der Leistungsgrenze arbeiten zu müssen. So zeigt sich: eine Gefahr für Leib und Leben stellt der Einkommenserwerb heutzutage nur noch in Ausnahmefällen dar.


Zur Grafik: Die Zahl der Berufsunfälle ist in den vergangen 60 Jahren deutlich zurückgegangen. Im Jahre 1960 wurden noch mehr als 3.000 tödliche Arbeitsunfälle registriert. Heute verlaufen weniger als 1.000 Arbeitsunfälle pro Jahr tödlich.

Jeden Montag oder Dienstag werden im ÖkonomenBlog Beiträge aus der Reihe „Wohlstands-Bilanz-Deutschland“ veröffentlicht, mit denen die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft nachgezeichnet und auf neue Herausforderungen hingewiesen wird. Eine umfassende Übersicht über Wohlstands-Parameter wie Einkommen, Vermögen, Lebensqualität und Bildungschancen finden Sie auf der Internetseite www.wohlstandsbilanz-deutschland.de

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , 7 Kommentare zu HRE-Enteignung mit Marktwirtschaft vereinbar?

HRE-Enteignung mit Marktwirtschaft vereinbar?

Seit dem 29. Oktober 2008 hat die Hypo Real Estate (HRE) bereits staatliche Hilfen von insgesamt 102 Mrd. Euro erhalten: Zunächst eine Kapitalspritze in Höhe von 50 Milliarden Euro und dann nacheinander Bürgschaften von noch einmal 52 Mrd. Euro.

Die geplante Enteignung der Aktionäre der Hypo Real Estate ist ein schwerwiegender Eingriff in marktwirtschaftliche Prinzipien. Auch wenn an die Enteignung Bedingungen geknüpft sind und die Geltung des Gesetzes zeitlich befristet ist, so ändert es nichts daran, das mit dem Eigentumsrecht ein Grundpfeiler jeder marktwirtschaftlichen Ordnung angegriffen wird. Hat man diesen Pfeiler erst einmal umgestoßen, so wird man sich bei der nächsten systemrelevanten Bank, die in Schwierigkeiten gerät, leichter tun, denselben Weg zu beschreiten.

Das Enteignungsgesetz ist jedoch nicht der erste Verstoß gegen marktwirtschaftliche Prinzipien, sondern lediglich die logische Folge des Versprechens, keine systemrelevante Bank insolvent werden zu lassen. Die Insolvenz als Sanktion für unternehmerische Fehlentscheidungen ist ein weiterer zentraler Bestandteil einer Marktwirtschaft. Dass man diesen Grundsatz außer Kraft gesetzt hat, mag nach den Erfahrungen im Anschluss an die Lehman-Pleite und angesichts der systemischen Risiken im Bankensektor gerechtfertigt sein, man muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass jeder Eingriff in die Marktwirtschaft den nächsten Eingriff vorprogrammiert. Auch die Verstaatlichung wird nicht der letzte Eingriff sein. Zu befürchten ist, dass zusätzliche Maßnahmen notwendig werden, um zu verhindern, dass die Wettbewerbsvorteile, die eine verstaatlichte HRE hat, zu Lasten anderer Banken gehen. Die Beschwerden von Banken und Sparkassen über Wettbewerbsnachteile gegenüber Banken, die die Hilfe des SoFFin in Anspruch genommen haben, lassen erahnen, wohin der Zug rollt.

Es kommt jetzt darauf an, klar zu machen, dass das, was im Bankenbereich unausweichlich erscheint, kein Weg für andere Branchen sein darf. Gleichgültig ob Schaeffler-Conti oder Opel, der Begriff Systemrelevanz hat Hochkonjunktur und die Gefahr ist groß, dass man die Vorgehensweise bei der HRE auf andere Unternehmen überträgt. Dies wäre dann der Einstieg in die Staatswirtschaft mit unabsehbaren Folgen für Freiheit und Wohlstand.


Zur Grafik: Seit dem 29. Oktober 2008 hat die Hypo Real Estate (HRE) bereits staat-liche Hilfen von insgesamt 102 Mrd. Euro erhalten: Zunächst eine Kapitalspritze in Höhe von 50 Milliarden Euro und dann nacheinander Bürgschaften von noch einmal 52 Mrd. Euro.

Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , 4 Kommentare zu The Crises of Credit Visualized

The Crises of Credit Visualized

The Crisis of Credit Visualized: Ein WebVideo zur Finanzkrise von Jonathan Jarvis auf vimeo.deSeit Herbst letzten Jahres hält die Bankenkrise die Welt in Atem. In einem ersten Schritt hatte der Bundestag mit einem Finanzmarktstabilisierungsgesetz auf die Turbulenzen auf dem Geld- und Kapitalmärkten reagiert. An diesem Freitag soll das Gesetz geändert werden: unter anderem um eine Enteignung der Hypo Real Estate zu ermöglichen. Während in Deutschland die Verstaatlichung von Banken vorangetrieben wird, sind viele Fragen zu den Ursachen der Finanzkrise noch nicht beantwortet. Eine gute Übersicht dazu liefert das WebVideo „The Crisis of Credit Visualized“ von Jonathan Jarvis: Zehn lehrreiche Minuten für alle, die wissen wollen, wie es zu dieser weltweiten Krise kommen konnte.

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 2 Kommentare zu Autowerke die Steinkohlezechen von heute?

Autowerke die Steinkohlezechen von heute?

Der Absatz neuer Autos in Deutschland hat viel Tempo eingebüßt. Im Rekordjahr 1999 wurden noch gut 3,8 Millionen neue Pkws auf die Straßen gebracht. Seit dem geht die Zahl der Neuzulassungen zurück. Im Jahr 2007 um fast 10 Prozent. Auch in 2008 hat sich die Absatzlage weiter verschlechtert – im Oktober 2008 wurden 8,2 Prozent weniger Neuwagen zugelassen als im gleichen Vorjahresmonat. Opel Deutschland schreibt seit Jahren rote Zahlen.

Was die deutsche Öffentlichkeit gerade in Sachen Opel erlebt, das erinnert doch in seinen Anfängen an die unendliche Geschichte der Steinkohleförderung seit den 1960er Jahren. Ein – zugegebenermaßen verdienter – Wirtschaftszweig, dessen internationale Wettbewerbsfähigkeit unbestritten dauerhaft auf ein Minimum gesunken war, hat über Jahrzehnte Subventionen erhalten, die auf die Mitarbeiter bezogen deutlich über den Bruttolöhnen der Beschäftigten lagen. Es wird am Ende ein gutes halbes Jahrhundert an Steinkohlebeihilfen gegeben haben.

Was hat das alles mit Opel zu tun? Kurz gesagt: Eine Menge! Denn die Krise der Automobilindustrie ist keine Konjunkturkrise, auch wenn die Bundesregierung genau diesen Eindruck vermittelt. Weltweit bestehen erhebliche Überkapazitäten, die Marke Opel scheint gerade nicht wettbewerbsfähig zu sein, und es drängen Anbieter auf die Märkte, die eine ähnliche Qualität zu deutlich geringeren Preisen anbieten können. Diese Anbieter dürften sich nicht von einigen Milliarden für Opel abschrecken lassen und sich von den Weltmärkten zurückziehen. Sie könnten auch in Zukunft gerade auf dem Markt für Massenprodukte (sparsame Kleinwagen) eine ernsthafte Konkurrenz für europäische Autobauer darstellen.

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Finanzmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 3 Kommentare zu Zu viel Staat ist eine wirkliche Gefahr

Zu viel Staat ist eine wirkliche Gefahr

Verlauf der Staatsquote in Deutschland

Rettungsschirm für die Banken, Konjunkturhilfen für die Industrie – die Maßnahmen zur Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage haben derzeit viele Namen. Zu hinterfragen ist jedoch, wie viel Staat die Wirtschaft tatsächlich verträgt. Wir haben erlebt, dass der Staat im Finanzmarkt zu wenig Einfluss genommen hat. Das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes ist dort beschädigt. Nun schlägt das Pendel in die andere Richtung. Dem Staat wird zu viel zugetraut. Obwohl die momentane Krise auch eine Folge von Staatsversagen ist: Er hat weder für die notwendigen Regulierungen gesorgt, noch haben staatliche Landesbanken besser gehandelt als private Banken. Die Realwirtschaft erlebt eine Rezession, aber wir haben kein Versagen des allgemeinen Ordnungsrahmens. Wenn sich das Familienunternehmen Schaeffler an der Übernahme des MDax Konzerns Continental verschluckt, sind das Fehler, die das Management zu verantworten hat und nicht der Steuerzahler. Unterstützung mit Staatsgeldern bestraft zudem andere Unternehmen der Branche, die in der Vergangenheit vorsichtiger gehandelt haben. Unternehmen, die zu oft falsche Entscheidungen treffen, sortiert der Markt aus. Wenn nun der Steuerzahler für alle Fehler gerade stehen muss, errodiert das Vertrauen in die Gerechtigkeit der marktwirtschaftlichen Mechanismen. Zumal zu befürchten ist, dass die Großen gerettet und die Kleinen fallen gelassen werden. Große Unternehmen zu retten ist für Politiker publikumswirksamer als kleine, und auch für Gewerkschaften attraktiver, da der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Großunternehmen zumeist höher ist als bei kleinen und mittelständigen Unternehmen. Wenn die großen gerettet werden und die kleinen über die Klinge springen, dann führt dies aber zu einer steigenden Angebotskonzentration und einer Vermachtung der Märkte mit sehr negativen Konsequenzen für den Wettbewerb an sich und insbesondere die Verbraucher. Dies muss unbedingt verhindert werden.
Der Staat kann nur den Ordnungsrahmen vorgeben, der sowohl der Wirtschaft als auch der Gesellschaft nutzt. Nur unter bestimmten Umständen lassen sich Eingriffe von Seiten des Staates rechtfertigen. Die Rettung einzelner Systemtragender Banken kann billiger sein, als die Folgen zu tragen. Aber in der realen Wirtschaft ist das nicht so. Wenn eine Firmenkrise durch Konjunkturschwächen ausgelöst wird, sollte der Staat nicht helfen, in dem er Kredite oder Bürgschaften vergibt. Zu viel Staat ist eine wirkliche Gefahr.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , 4 Kommentare zu Gleiche Vermögen: Kein Gewinn

Gleiche Vermögen: Kein Gewinn

Der Gini Koeffizient ist ein statistisches Konzentrationsmaß. Ein Gini Koeffizient von 100 sagt aus, dass sämtliches Vermögen in einer Hand ist.

Vermögen ist in Deutschland nicht gleichmäßig verteilt. Stimmt! Ist das ungerecht, oder gar unsozial? Nein! Denn: Der Aufbau von Vermögen ist sehr stark von persönlichen Präferenzen abhängig. Während die einen eher konsumieren, viel Geld für Urlaub, Freizeit und Unterhaltung ausgeben, investieren andere lieber in ihre Eigentumswohnung. Ein hoher Lebensstandard ist eben nicht nur durch hohes Vermögen erreichbar: Zur Miete lässt sich in aller Regel genauso gut leben wie in der eigenen Immobilie. Und ein Auto muss nicht unbedingt aus dem Ersparten erworben werden, sondern lässt sich auch leasen oder finanzieren. Die Lebensqualität des Einzelnen wird nicht geschmälert, weil einige mehr auf der hohen Kante haben als man selbst. Der internationale Vergleich zeigt zudem: Die Konzentration von Geld-, Sach- und Immobilienvermögen ist hierzulande nicht auffallend höher als im Ausland. Deutschland rangiert unter den sieben Ländern, für die es überhaupt Angaben zur Vermögensverteilung gibt, im Mittelfeld. Gemessen am Gini-Koeffizienten belegt Schweden den Spitzenplatz und steht sogar noch vor den USA. Über die Jahrzehnte hat die Konzentration des Vermögens zwar gegenüber den 90er Jahren zugenommen, liegt aber niedriger als in den 70er und 80er Jahren. Mit Blick auf die aktuelle Finanzkrise wird die ungleiche Verteilung in den nächsten Jahren aber wieder zurückgehen, weil sinkende Aktienkurse und Immobilienwerte das Vermögen schmälern. Daran erkennt man: Wenn die Reichen ärmer werden, ist für die Mittelschicht nichts gewonnen.


Zur Grafik: Der Gini Koeffizient ist ein statistisches Konzentrationsmaß. Ein Gini Koeffizient von 100 sagt aus, dass sämtliches Vermögen in einer Hand ist.

Jeden Montag oder Dienstag werden im ÖkonomenBlog Beiträge aus der Reihe „Wohlstands-Bilanz-Deutschland“ veröffentlicht, mit denen die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft nachgezeichnet und auf neue Herausforderungen hingewiesen wird. Eine umfassende Übersicht über Wohlstands-Parameter wie Einkommen, Vermögen, Lebensqualität und Bildungschancen finden Sie auf der Internetseite www.wohlstandsbilanz-deutschland.de

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , 3 Kommentare zu Vermögend durch die Krise

Vermögend durch die Krise

Zum Jahresende 2006 summierten sich der private Besitz, Sachwerte, Wohnungen und Geldvermögen der Deutschen insgesamt auf 9.169 Milliarden Euro – eine Zahl mit 13 Stellen. Pro Einwohner entspricht dies einem Vermögen von rund 111.000 Euro.

Einbrechende Aktienkurse, Preisverfall am Immobilienmarkt, steigende Arbeitslosigkeit – auch in Deutschland werden die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise spürbar. Doch ein Blick zurück dürfte für eine Beruhigung der Gemüter sorgen. Denn bisher haben die Deutschen ihr Vermögen immer erfolgreich durch jede Krise gebracht. Zum Jahresende 2006 summierten sich der private Besitz, Sachwerte, Wohnungen und Geldvermögen der Deutschen insgesamt auf 9.169 Milliarden Euro – eine Zahl mit 13 Stellen. Pro Einwohner entspricht dies einem Vermögen von rund 111.000 Euro. In den Jahren zwischen 1970 und 1992 legte das Vermögen eines durchschnittlichen Westdeutschen um satte 154 Prozent zu. Das ist besonders bemerkenswert, denn auch in diesem Zeitraum wurde Deutschland von mehreren Konjunktureinbrüchen heimgesucht, wie z.B. im Jahr 1974 oder Anfang der Achtziger Jahre. Die letzten konjunkturellen Herausforderungen erlebte Deutschland nach der Wiedervereinigung 1990 und nach dem Zerplatzen der dotcom-Blase im Jahr 2002. Und dennoch: In den Jahren 1991 bis 2006 steigerten die Bundesbürger im wiedervereinigten Land ihr Vermögen pro Kopf nochmals um 38 Prozent.


Jeden Montag oder Dienstag werden im ÖkonomenBlog Beiträge aus der Reihe „Wohlstands-Bilanz-Deutschland“ veröffentlicht, mit denen die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft nachgezeichnet und auf neue Herausforderungen hingewiesen wird. Eine umfassende Übersicht über Wohlstands-Parameter wie Einkommen, Vermögen, Lebensqualität und Bildungschancen finden Sie auf der Internetseite www.wohlstandsbilanz-deutschland.de

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , 4 Kommentare zu Mit Keynes konsequent die Schulden tilgen

Mit Keynes konsequent die Schulden tilgen

Zinslast der öffentlichen Haushalte

Mitten im weltweiten wirtschaftlichen Sinkflug steigt das „Merkelmeter“, mit dem seit der Bundestagswahl 2005 die Politik der Großen Koalition bewertet wird. Scheinbar paradox – denn die deutsche Wirtschaftsleistung wird im Jahr 2009 sinken und damit auch die Anzahl der Arbeitsplätze. Die insgesamt positive Beurteilung der Regierungspolitik hat vor allem mit dem zweiten Konjunkturpaket zu tun. Denn diese stellt eine im Grundsatz angemessene Reaktion auf die aktuelle Wirtschaftskrise dar, die durch die Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten mitverursacht wurde. Auch wenn verschiedene Details zu bemängeln sind: Die Bundesregierung verfolgt  eine angemessene Strategie, um auf Dauer die gesamtwirtschaftlichen Kosten der Krise zu begrenzen. Die beschlossenen Steuer- und Abgabensenkungen sowie die höheren Ausgaben für die Infrastruktur steigern kurzfristig Konsum und Investitionen, ohne jedoch langfristig die Wachstumskräfte zu schwächen. Zu kritisieren ist, dass neue Ausnahmetatbestände im Steuerrecht geschaffen wurden. Besser wäre gewesen, eine noch breitere Entlastung aller Steuerzahler zu beschließen. Ärgerlich ist auch der Zickzackkurs bei den Krankenkassenbeiträgen: Mit der Einführung des Gesundheitsfonds war der Beitragssatz zu Jahresbeginn von durchschnittlich 14,9 auf einheitlich 15,5 Prozent gestiegen. Nun werden Steuergelder ins System gepumpt, damit der Beitragssatz ab Juli wieder auf 14,9 Prozent sinken kann. Das bringt zwar kurzfristig Entlastung bei den Arbeitskosten und erhöht die verfügbaren Einkommen, löst aber nicht die grundsätzlichen Probleme des Gesundheitssystems. Außerdem ist es der Großen Koalition bisher nicht gelungen, die öffentlichen Haushalte nachhaltig zu konsolidieren, obwohl dies in den Jahren des Aufschwungs durchaus möglich gewesen wäre. Angesichts der Schwere der Rezession kommt Deutschland an einer vorübergehenden Neuverschuldung jetzt nicht vorbei. Gleichfalls muss aber klar sein: Wenn der Konjunkturmotor wieder läuft, müssen die Schulden konsequent abgebaut werden. Eine verbindliche Schuldenbremse sollte deshalb nicht erst ab 2020 zum Einsatz kommen. Wer heute mit Keynes auf die Krise reagiert, muss im Aufschwung ebenso engagiert die Schulden zurückbezahlen.


Zur Grafik: Nachfolgende Generationen werden nicht nur von der aufgebauten Staatsschuld erdrückt, sondern auch von den jährlich anfallenden Zinsen. Schon jetzt beträgt die jährliche Zinslast der öffentlichen Haushalte rund 68 Milliarden Euro. Gestern wurde in der Föderalismuskommission II verabredet, im Grundgesetz eine Schuldenbremse zu verankern. Im ÖkonomenBlog hatte Frank Schäffler die getroffenen Regelungen bereits kritisiert: Bis ins Jahr 2020 drohe demnach eine Staatsverschuldung von über 2.000.000.000.000 Euro.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , 1 Kommentar zu Zwanzig Minuten – ein Pfund Kaffee

Zwanzig Minuten – ein Pfund Kaffee

Anstieg der Kaufkraft je Arbeitszeit

Mit einer Tasse Kaffee zum Frühstück starten die meisten Deutschen heutzutage in den Tag. Doch das war nicht immer so. Denn Kaffee war vor knapp 60 Jahren nur für gut betuchte Bevölkerungsschichten bezahlbar. Für die Mehrheit war er schlichtweg zu teuer. Denn ein Durchschnittsverdiener musste im Jahre 1950 für 500g Bohnenkaffee 26 Stunden und 22 Minuten arbeiten – etwa eine halbe Woche. Heute dagegen reichen 20 Minuten. Auch ein Fernsehgerät ist heute für jeden erschwinglich. Mussten 1960 noch zwei ganze Monatslöhne für ein simples Schwarz-Weiß Gerät berappt werden, genügt heute der Verdienst von etwa drei Arbeitstagen – für einen modernen Farbfernseher. In den 60 Jahren der Sozialen Marktwirtschaft ist die Kaufkraft je Arbeitsstunde insgesamt enorm angestiegen. Während die Nettoverdienste je geleisteter Stunde von 56 Cent im Jahr 1950 bis heute auf das 24 fache kletterten, sind die Verbraucherpreise nur um das 4,6-fache gewachsen. In Preisen von heute gerechnet, erhielt ein Durchschnittsverdiener im Jahre 1950 einen Nettostundenlohn von 2,57 Euro. Heute sind es fast 14 Euro. Insgesamt hat sich die Kaufkraft der Deutschen seit Einführung der Sozialen Marktwirtschaft mehr als verfünffacht.


Jeden Montag oder Dienstag werden im ÖkonomenBlog Beiträge aus der Reihe „Wohlstands-Bilanz-Deutschland“ veröffentlicht, mit denen die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft nachgezeichnet und auf neue Herausforderungen hingewiesen wird.  Eine umfassende Übersicht über Wohlstands-Parameter wie Einkommen, Vermögen, Lebensqualität und Bildungschancen finden Sie auf der Internetseite www.wohlstandsbilanz-deutschland.de