Steuern und FinanzenTagged , , ,

Kalte Progression: Steuererhöhung durch die Hintertür

Durch die kalte Progression verdient der Staat an jeder Steuererhöhung überproportional mit.Bei jeder Lohnerhöhung kassiert der Staat mit: Die „kalte Progression“ beschert dem Fiskus jährlich fast unbemerkt vom Steuerzahler mehrere Milliarden zusätzlich – auch in diesem und im nächsten Jahr wieder.

Wenn trotz Lohnerhöhung die Kaufkraft unterm Strich nicht steigt, hat der Fiskus zugeschlagen – und das klammheimlich. Unser progressives Steuersystem sorgt dafür, dass für jeden Euro mehr Einkommen, ein höherer Steuersatz zu zahlen ist als für den davor. Das ist auch so gewollt, denn wer eine höhere Leistungsfähigkeit hat, kann auch mehr Steuern zahlen. Das Problem ist nur: die Progression greift schon zu, wenn ein Arbeiter von seinem Chef eine Lohnerhöhung gerade in Höhe der Inflationsrate erhält. Somit bleibt zwar sein Reallohn brutto konstant, Netto büßt er jedoch an Kaufkraft ein – der kalten Progression sei Dank. So verdient der Fiskus an jeder Gehaltssteigerung überproportional mit.

Sollte es keine Anpassungen des Einkommensteuertarifs geben, werden sich die Mehreinnahmen des Staates durch die kalte Progression für die Jahre 2010 bis 2017 auf 20 Milliarden Euro summiert haben. Jeder Steuerpflichtige würde damit im Durchschnitt 561 Euro mehr Einkommensteuer zahlen – ohne dass die Kaufkraft gestiegen ist.

Seit 2010 häuft der Staat auf diese Weise heimlich mehr Steuern an. Zwar wird in diesem und im nächsten Jahr der Grundfreibetrag angehoben, doch die Anpassung der Steuertarifgrenzen, die zur vollständigen Beseitigung der kalten Progression nötig gewesen wäre, wurde im Bundesrat von den Ländern blockiert.

Vor allem Geringverdiener treffen diese heimlichen Steuererhöhungen hart. Absolut gesehen ist ihre Steuerbelastung zwar geringer als die der Besserverdienenden. Aber bezogen auf deren Einkommen, übersteigt die Zusatzbelastung diejenige der Steuerzahler mit hohen Einkommen. Im Sinne eines gerechteren Steuersystems muss sich die Politik daher gesetzlich verpflichten, die Grenzen des Einkommensteuertarifs regelmäßig an der Preisentwicklung auszurichten.

Die Lösung ist denkbar einfach: Würde die regelmäßige, automatische Anpassung der Tarifgrenzen an die Inflation im Einkommensteuergesetz verankert, wäre der Zugriff für den Fiskus verbaut. Das Verfahren würde sich genau umkehren: Die Zustimmung von Bundesrat und Bundestag ist dann nur noch erforderlich, wenn die automatische Tarifanpassung ausgesetzt werden soll. Die heimliche Steuererhöhung wäre dann sichtbar – auch für den Wähler.