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Alles ist käuflich. Fast.

Michael J.SandelMichael J. Sandel: Was man für Geld nicht kaufen kann – die moralischen Grenzen des Marktes, Berlin 2012, Ullstein-Verlag Über die fortschreitende Ökonomisierung zu schreiben, ist in. Insofern ist Michael J. Sandels Buch nicht gerade originell. Ein paar interessante Gedanken gelingen ihm aber doch. Und ein paar lustige Konsumententipps – ungewollt.

Für den Harvard-Professor Michael J. Sandel steht fest: Die Regeln des Marktes haben so gut wie alle Lebensbereiche infiltriert. Vor allem die Tatsache, dass eben nicht alle Güter, die im Leben eine Rolle spielen, auch Handelsgüter sind, bringt den Autor auf die Palme. Immaterielle Güter wie Partnerschaft, Gesundheit, Familie und Erziehung werden von uns als Ware behandelt wie Toilettenbrillen, Schuhcreme oder Bananen. Sandel ist sich sicher: Ohne es zu merken, haben wir uns von einer Marktwirtschaft in eine Marktgesellschaft verwandelt.

Selbst die Finanzkrise hat die Marktgläubigkeit vieler privater Anleger nicht nachhaltig erschüttern können, bedauert Sandel. Die moralische Entleerung von Wirtschaft und Politik sei das Charakteristikum unserer Zeit. Marktkonformes Denken habe sich unaufhaltsam in unser Handeln eingeschlichen und Werte wie Anstand, Gemeinsinn oder Empathie verdrängt. Für den Autor geht es nun darum, Märkte und Moral wieder in Einklang zu bringen, um letztlich nichts anderes, als das Zusammenleben in einer Demokratie zu retten.

Die Ökonomisierung fast aller unserer Lebensbereiche verstärkt seiner Meinung nach vor allem die Ungleichheit. Wenn alles Geld kostet, profitieren am Ende diejenigen, die sich alles leisten können. Die Armen haben das Nachsehen. Zudem fördert eine Gesellschaft, in der Leistung nur noch durch finanzielle Anreize provoziert und durch Honorare belohnt wird, die Korruption. Sein Beispiel sind die Schüler in den USA, die für gute Noten eine Bezahlung erhalten. Auf diese Weise gingen die intrinsischen Motive, also die Lust am Lernen aus freien Stücken, verloren. Wenn letztlich alles sein Preisschild habe, würden ideelle Werte irgendwann keine Rolle mehr spielen und die Gesellschaft verrohe, ist sich der Autor sicher.
Sandels Buch ist nicht spektakulär, die Thesen sind nicht neu. Allerdings ist der Autor ein Profi im Storytelling und versteht es, ein populäres Thema unterhaltsam und anekdotenreich zu verkaufen. Dazu gehört auch die Aufzählung von kuriosen Beispielen, mit der Sandel zeigen möchte, wie die gnadenlose Sucht der Menschen, aus allem Geld zu scheffeln, vorangeschritten ist. Sie reicht vom Austragen eines Babys durch eine indische Leihmutter über das Recht, ein schwarzes Nashorn zu schießen, bis zu maßgeschneiderten Hochzeitsreden auf Theperfecttoast.com für 149 Dollar das Stück und vorformulierten Standardreden auf Instantweddingtoasts.com für 19,95 Dollar – ein Textservice, der so grotesk klingt, das man ihn glatt mal ausprobieren möchte.

Dass Sandel sein Werk mit rhetorischen Fragen beendet, ist ein Ärgernis. „Wünschen wir eine Gesellschaft, in der alles käuflich ist?“, fragt er Autor, „oder gibt es gewisse moralische und staatsbürgerliche Werte, die von den Märkten nicht gewürdigt werden – und die man für Geld nicht kaufen kann?“ Ein klares Fazit ohne Schnörkel wäre hier stilvoller gewesen. So hat das Ganze eben doch etwas von einer Kathederpredigt.