Europa, FinanzmarktTagged , ,

Die nächste Staatsschuldenkrise ist vorprogrammiert

So viele Staatsanleihen des eigenen Landes halten Banken.Damit Kreditinstitute in Zukunft nicht mehr mit viel Geld gerettet werden müssen, hat die EU die Eigenkapitalvorschriften für Banken verschärft. Doch auch wenn die neuen Regeln in die richtige Richtung weisen, gilt es noch einiges nachzubessern – vor allem bei der Risikogewichtung der Staatsanleihen.

Denn die Staatsanleihen aller EU-Mitgliedsländer gehen im EU-Regelwerk, anders als bei den vom Basler Bankenausschusses vorgeschlagenen Eigenkapitalvorschriften für Banken, mit einem Risikogewicht von null in die Berechnungen ein. Und das, obwohl Staatsanleihen durchaus Ausfallrisiken bergen. Das hat die Euro-Schuldenkrise gezeigt. Beispielsweise hat ein Land wie Italien derzeit ein Rating, das gerade Mal zwei Stufen besser als das einer Ramsch-Anleihe ist. Damit schätzt der Finanzmarkt die Wahrscheinlichkeit, dass Italien innerhalb der nächsten fünf Jahre Insolvenz anmelden muss, auf immerhin 3,7 Prozent. Banken wären deshalb gut beraten, für diesen Fall zur Sicherheit Eigenkapital zu hinterlegen. International ist ein Risikogewicht von 50 Prozent für Staatsanleihen üblich, wenn sie ein Rating wie das für Italien besitzen. Würden diese Eigenkapitalregeln auch in der EU gelten, müssten die Banken für italienische Staatsanleihen 35 Mrd. Euro an Eigenkapital vorhalten – anstatt null Euro wie bei der vorgeschlagenen EU-Regel. Eine solche zusätzliche Risikovorsorge ist angesichts der Bankenprobleme in Europa derzeit zwar nicht von heute auf morgen zu stemmen. Mittel- bis längerfristig ist dieser Schritt aber unabdingbar, um den Teufelskreis zwischen Staaten und Banken zu durchbrechen.

Nun könnte man meinen, die Finanzmärkte würden eine angemessene Risikovorsorge erzwingen, da Banken mit zu geringem Eigenkapital sich am Kapitalmarkt entsprechend teuer refinanzieren müssen. Weit gefehlt. Denn Investoren wissen in der Regel nicht umfassend, welche Risiken in den Bankbilanzen schlummern. Banken könnten diese Informationsdefizite ausnutzen und verstärkt riskante Staatsanleihen kaufen. Die Zinsen aus diesen Papieren sind hoch, die Finanzierungskosten auf Grund der fehlenden Eigenkapitalhinterlegung jedoch niedrig. Also steigt der Gewinn.

Die fehlende Risikovorsorge betrifft nicht nur die Banken, sondern alle Bürger. Denn gerade durch Banken verursachte Finanzkrisen führen zu starken Wachstumseinbußen. Das hat die letzte Finanzkrise gezeigt. Allein im Jahr 2009, dem Jahr nach der Finanzkrise, ist die deutsche Wirtschaft um 5,1 Prozent geschrumpft. Dadurch verringerte sich die Wirtschaftsleistung um 126 Mrd. Euro. Die staatlichen Mehrausgaben zur Bankenrettung und Mindereinnahmen auf Grund geringerer Steuerzahlungen summieren sich schätzungsweise auf weitere 187 Mrd. Euro – und das alleine für Deutschland. Für die USA schwanken die Kosten der Finanzkrise zwischen 12 und 22 Billionen US-Dollar. Wenn nur eine der im Durchschnitt alle 25 Jahre auftretenden Finanzkrisen durch die Risikogewichtung der Staatsanleihen vermieden werden könnte, wäre schon viel erreicht.

Um die durch die fehlende Risikovorsorge der Banken fast schon programmierte nächste Staatsschuldenkrise zu vermeiden, sollte das Risikogewicht deshalb abhängig vom länderspezifischen Bonitäts-Rating festgesetzt werden – zumindest nach einem adäquaten Übergangszeitraum. Wie bei den internationalen Basel-II-Standards sollte auch in der EU gelten: Je schlechter das Rating, desto höher die Risikovorsorge. Bei allen anderen Vermögensklassen wie Unternehmensanleihen oder Hypothekenkredite gilt das gleiche Prinzip. Höheres Risiko muss mit mehr Eigenkapital unterlegt werden. Bei Staatsanleihen wird eine Ausnahmen gemacht. Hier drängt sich die Vermutung auf, dass dadurch die Nachfrage nach Staatspapieren künstlich angeheizt werden soll.

Ein weiteres Problem sind die EU-Pläne für die Höchstverschuldungsquote der Banken. Der aktuelle Basel-Vorschlag sieht vor, dass das sogenannte Kernkapital grundsätzlich mindestens 3 Prozent des nicht risikogewichteten Gesamtvermögen und der außerbilanziellen Positionen betragen soll. Die geplante EU-Umsetzung greift hier zu kurz. Denn eine entsprechende Prozent-Angabe gibt es in den Plänen bislang nicht – im Jahr 2016 will die EU lediglich prüfen, ob sie 2018 eine verbindliche Höchstverschuldungsquote einführen wird.

Das Europäisches Parlament und der Ministerrat haben kürzlich die neuen Eigenkapitalvorschriften verabschiedet. Damit treten sie am 1. Januar 2014 in Kraft. Es bleibt dennoch zu hoffen, dass das Regulierungs-Paket im Rahmen der weiteren Verhandlungen zur Beilegung der Eurokrise noch einmal aufgeschnürt und so verschärft wird, dass weitere durch Banken verursachte Finanzkrisen wesentlich unwahrscheinlicher gemacht werden.