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Es gibt nichts umsonst

Es ist eine ökonomische Binsenweisheit: „There is no such thing as a free lunch!“. Doch in Zeiten von Wahlkämpfen scheinen auch Binsenweisheiten in Vergessenheit zu geraten. Allzu oft verbergen sich hinter Wahlversprechen vor allem neue Schulden.  

Es gibt Sinnsprüche, die das Leistungs-/Gegenleistungsverhältnis in eine griffige Form zu bringen versuchen. „Was nichts kostet, ist nichts wert!“ pflegten in meiner oberschwäbischen Heimat die Altvorderen zu sagen. Aus der wirtschaftswissenschaftlichen Debatte hat sich ein Satz des US-Ökonomen und Wirtschaftsnobelpreisträgers Milton Friedmann tief in das kollektive Gedächtnis eingegraben: „There is no such thing as a free lunch!“

Wer unvoreingenommen derzeit Wahlprogramme studiert, kann aber genau den gegenteiligen Eindruck bekommen. Unisono werden gewaltige neue Sozialleistungen versprochen: für die Eltern kostenfreie Kitas, mehr Kindergeld und höhere Kinderfreibeträge; Steigerung der Regelleistungen für Hartz IV-Empfänger; Lebensleistungs- oder Garantierenten mit deutlicher Verbesserung gegenüber der bisherigen Grundsicherung im Alter; Aufstockung der Mütterrenten und früheres Ruhestandseintrittsalter.

Von der dafür zu zahlenden gigantischen Rechnung ist kaum die Rede. Im Gegenteil: gezielt wird verschleiert, schön gerechnet und Adam Ries(e) außer Kraft gesetzt. Denn wer etwa die Rentenausgaben massiv steigern und gleichzeitig die Sozialabgaben unter dem Satz von 40 Prozentpunkten halten will, kann gleich behaupten, dass 2 + 2 = 5 sind. Diese zwei Versprechungen kann niemand gleichzeitig erfüllen, schon gar nicht, wenn auch das letzte Gegenfinanzierungsventil, der Bundeszuschuss aus dem Bundeshaushalt an die Rentenkasse, nicht erhöht werden kann, weil ganz nebenbei auch heilige Eide geschworen werden, künftig – richtigerweise! – den öffentlichen Haushalt ohne Kreditaufnahme auszugleichen. Bezahlen werden die Mütterrente Arbeitnehmer und Unternehmen durch höhere Sozialbeiträge und steigende Lohnzusatzkosten. Das ist die Wahrheit!

Die gleiche Milchbubenrechnung veranstalten die Wahlprogramm-Fabulierer, die auf breiter Front Steuererhöhungen ankündigen, aber nur für jeden Zehnten, weil ja angeblich 90 Prozent der Steuerzahler entlastet werden sollen. Wie man das Erbschaftssteueraufkommen verdoppelt, ohne dass ein großer Personenkreis getroffen wird, lassen die Robin Hoods der Neuzeit lieber im Dunkeln. Alle die glauben machen wollen, dass eine neu einzuführende Vermögenssteuer oder eine Vermögensabgabe so erhoben werden kann, dass eine Substanzbesteuerung von Betriebsvermögen ausgeschlossen wird, belügen sich selbst. Wer an diesen Steuerschrauben dreht, attackiert mit voller Breitseite die Familienunternehmer im Land, erhöht deren Steuerlast auch in den Jahren massiv, in denen kaum Gewinne erzielt werden. Damit wird die Innovations- und Investitionsfähigkeit der Betriebe im Kern angegriffen. Unsere Volkswirtschaft wird es büßen, weil das Wachstumspotential mutwillig reduziert wird. Und die Beschäftigungs- und Einkommenschancen der Arbeitnehmer werden in Folge sinken.

Nicht nur in den politischen Feuilletons dieser Republik wird die Frage gestellt, ob in der Demokratie Wahlen nur gewonnen werden können, wenn man die Wählerinnen und Wähler belügt. Denn hätten die nicht vielfach in der Vergangenheit mit ihrer Stimmabgabe bewiesen, dass sie Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit von Politikern nicht belohnen? Fast fatalistisch kommen die Kolumnisten und Leitartikler zum Ergebnis: Wenn die Aufrichtigkeit schadet, dann ist Schummeln in den Wahlprogrammen erlaubt. Schließlich will man ja gewählt werden.

Ich will und kann mich diesem für unsere demokratische Kultur verheerenden Defätismus nicht anschließen. Wenn sich die Politik nicht selbst ehrlich macht und für Überzeugungen streitet, die auf Fakten, nicht auf Ideologie beruhen, dann wird sie die Bürgerinnen und Bürger immer noch verdrossener machen gegenüber den etablierten Politikern. Ohne eine neue Kultur der Ehrlichkeit werden die Ansprüche an den Staat ins Uferlose wachsen. Schon die in der Vergangenheit in Gesetze gekleideten Versprechungen sind nicht solide finanziert. Die gigantische Staatsverschuldung gibt dafür ein beredtes Zeugnis. Dieser unlautere Wahlkampf ist eine Bankrotterklärung der Politik vor dem mündigen Staatsbürger.