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Zwischen Zaudern und Misstrauen

Die Investitionen in Deutschland liegen unter dem Durchschnitt.Nach Jahren europäischer Krisenpolitik ist die Zeit reif für nationale Reformen. Der Koalitionsvertrag erkennt die großen Herausforderungen. Die angehenden Koalitionäre belassen es aber bei neuen Fürsorgeversprechen und kleinteiliger Regulierung statt überzeugender Lösungen.

Erklärtes Ziel der künftigen Regierungspartner ist laut Koalitionsvertrag, das Land wirtschaftlich weiter voranzubringen. Doch damit hört es auch schon auf: Union und SPD lassen wichtige Fragen wie die der Demografie, Energie oder der föderalen Finanzverfassung offen. Damit bleiben sie die Antwort schuldig, wie sie die derzeit gute wirtschaftliche Situation in Zukunft bewahren wollen.

Was vor allem fehlt, ist ein Mittel gegen die Investitionsschwäche. Die Unsicherheiten der politischen Lage und der Finanzmärkte dämpfen die Investitionstätigkeit schon geraume Zeit. Der Koalitionsvertrag wird daran nichts ändern: Die Energiewende wird weiter mit den höchsten Industriestrompreisen in Europa belasten, denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz bleibt samt teuren Subventionen bestehen. Dabei könnte der Preis für CO2-Zertifikate die Energiewende klimapolitisch neutral steuern.

Der Vertrag befürwortet Strukturwandel durch Innovationen, um die Investitionsschwäche zu überkommen. Wie passt dazu aber ein neues Unternehmensstrafrecht, das vor „gemeinschädlichem Handeln“ warnt? Die Risikobereitschaft, die es für den gewünschten Strukturwandel braucht, wird dadurch noch weiter sinken.

Widersprüchlich sind auch die Signale für den Arbeitsmarkt. Mit der gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit stärkt der Vertrag die Tarifautonomie. Gleichzeitig droht der gesetzliche Mindestlohn, sie auszuhöhlen, indem eine Mindestlohnkommission den Spielraum für Lohnerhöhungen festlegt.

In vielen weiteren Bereichen wollen die künftigen Koalitionäre eingreifen: Vom Fahrsicherheitstraining bis zu Gesetzen gegen Missbrauch am Arbeitsmarkt kommt der Vertrag verzagt und allzu regelungsfreudig daher. Gleichzeitig lassen die beiden Volksparteien zwanzig Jahre demografieorientierte Politik zu Gunsten von höheren Ausgaben und neuen Leistungen fahren: Bei der Rente mit 67 Jahren heißt es mit der abschlagsfreien Rente ab 63 Kommando zurück, die Mütterrente kann im Demografie-Check ebenso wenig bestehen. Die Lebensleistungsrente schließlich schafft neue Ungerechtigkeiten und entwertet die Grundsicherung im Alter.

Der Koalitionsvertrag ist von Misstrauen geprägt, wo angesichts der guten wirtschaftlichen Entwicklung Zutrauen in die privaten Akteure angebracht wäre. Damit diese weiter so stark bleiben, ist jetzt Vorsorge und nicht Fürsorge nötig.


Dieser Beitrag ist in einer längeren Fassung in der Zeit erschienen.