Buchkritik, EuropaTagged ,

Der Orakel-Onkel

George Soros - Wetten auf EuropaGeorge Soros / Gregor Peter Schmitz: Wetten auf Europa – warum Deutschland den Euro retten muss, um sich selbst zu retten, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014. Ein Buch über Deutschland, die Finanzkrise und die Schwächen der EU ausgerechnet von einem Mann, der als einer der größten Finanzspekulanten überhaupt gilt – das kann nur provokant sein. Dem Ko-Autor Gregor Peter Schmitz ist es zu verdanken, dass inhaltlich Gewinn abfällt.

Vom amerikanischen Finanzinvestor George Soros ist man große Sprüche gewöhnt. Auch seine Koketterie kann amüsant sein, wenn in ihr nicht immer auch die Arroganz des erfolgreichen, milliardenschweren Spekulanten mitschwingen würde. Dass er sich mit seiner nicht nachlassenden Kritik am deutschen EU-Spar-Kurs erhofft, „die Deutschen ein wenig aufzurütteln und ihr Verhalten zu beeinflussen“, mögen ja selbst viele Ökonomen hierzulande noch für sinn- und ehrenvoll halten. Dass Soros allerdings meint, die deutsche Politik tatsächlich zu einem Umdenken bringen und diese Umkehr dann als „die krönende Leistung meines Lebens“ feiern zu können, ist schon ziemlich bemerkenswert.

Soros markante Sprüche sind es natürlich, von denen sich der Verlag erhofft hat, die Verkaufszahlen seines Interview-Buches „Wetten auf Europa – warum Deutschland den Euro retten muss, um sich selbst zu retten“ zu erhöhen. Tatsächlich hätten die sehr klugen Analysen des Journalisten Gregor Peter Schmitz, die jede der vier Interview-Strecken mit Soros einleiten, gereicht, um einen fundierten Überblick über Deutschlands Position und Politik im Euro-Raum während der Finanzkrise zu erhalten. Nun haben aber die Verleger Soros vor den Karren gespannt, und er legt auch gleich los: Die Regeln und Vorschriften der europäischen Wirtschaftsunion haben sich für ihn als völlig unbrauchbar erwiesen. Sie stehen einer raschen wirtschaftlichen Erholung im Weg. Deutschland solle sich an die amerikanische Hilfe nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern. Dem Vorbild des Marshallplans folgend möge die Bundesrepublik ihren selbstgerechten Tonfall einstellen, den Sparkurs aufgeben und den darbenden Ländern Europas ein ähnlich versöhnliches Angebot wie einst die Amerikaner den Deutschen machen. „Deutschland soll großzügiger und nachsichtiger gegenüber dem Rest Europas handeln. Und dafür sorgen, dass Deutschland dort nicht wieder gehasst wird.“

Soros, der als Kind im Holocaust verfolgt wurde, argumentiert aus der historischen Erfahrung und stets pro-europäisch, aber durchaus auch unsentimental: Die Europäer heute müssten „endlich begreifen, dass man den Euro von der Idee der Europäischen Union trennen muss. Der Euro ist nur ein Mittel zum Zweck und nicht der Zweck an sich“. Für ihn ist die Europäische Union das ideale Modell einer offenen und freien Gesellschaft. Er fürchtet, dass sich nun dieser freiwillige Zusammenschluss gleichberechtigter Staaten in eine Zweckgemeinschaft zwischen Schuldnern und Gläubigern zu verwandeln droht, aus der es für Schuldner kein Entkommen gibt.

Sein Vorschlag: Deutschland soll seine Rolle als stärkstes EU-Land akzeptieren und damit auch die Verantwortung, die damit einhergeht. Die Einführung von Euro-Bonds, also die Vergemeinschaftung von Schulden, hält er für richtig. Die Alternative sei: Deutschland und einige nordeuropäische Länder treten aus der Euro-Zone aus – damit würden die Schuldnerstaaten mit einem Schlag wieder wettbewerbsfähig. Dass sich in der Folge aber zwei Blöcke in Europa bildeten mit Deutschland als Führungsland auf der einen und Frankreich auf der anderen Seite, sieht er durchaus als brisant an.

Seine Ratschläge mögen einen hehren Zug in sich tragen. Dennoch ist es schwierig, gerade von einem Mann beraten zu sein, dem mehrfach vorgeworfen wurde, höchstpersönlich die Stabilität des Weltfinanzsystems untergraben zu haben. Soros hat mit der Bezeichnung „Spekulant“ keine Probleme. Es sieht sich halb als Orakel halb als Anleger. Die intellektuelle Größe beispielsweise eines André Kostolany fehlt ihm allerdings komplett. Ernst nehmen sollte man ihn dennoch in seinem eigenen Terrain: So ist er mittlerweile für ein Verbot vom sogenannten Credit Default Swap (CDS). Diese Finanzinstrumente machen möglich, mit Ausfallrisiken von Krediten oder Anleihen zu handeln. Soros selbst hat mit ihnen einschlägige (und erfolgreiche) Erfahrungen gemacht. Ein Verbot heute wäre wünschenswert. CDS waren maßgeblich verantwortlich für die Weltwirtschaftskrise.