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Die Schizophrenie des Politikbetriebs

Wir alle kennen das Lamento der unterschiedlichen politischen Ebenen unseres Landes: Die Kommunen etwa beklagen exorbitante Steigerungen der Sozialausgaben, die in der Regel vom Bund beschlossen, von den Landkreisen und kreisfreien Städten aber administriert und bezahlt werden müssen.

Die vom Bund zur Verfügung gestellten Finanzmittel reichen häufig nicht, um die übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Das Konnexitätsprinzip, im Grundgesetz geregelt, wird systematisch missachtet. Deshalb fordert die kommunale Familie regelmäßig wiederkehrend mehr Mittel. Aktuell steht das Versprechen der Großen Koalition im Raum, den Kommunen 5 Milliarden Euro jährlich für die sogenannte Eingliederungshilfe zusätzlich zu überweisen, mit der die soziale Teilhabe von Behinderten finanziert wird. Diese Ausgabenposition explodiert in vielen Regionen förmlich. Das noch zu entwickelnde „Teilhabegesetz“, an dem die Wohlfahrtsverbände mitarbeiten sollen, entfaltet bereits im Vorfeld eine Eigendynamik, die nach Ansicht vieler Praktiker in den Kommunalverwaltungen letztendlich dazu führen wird, dass die vom Bund in Aussicht gestellten höheren Mittel durch die Ausweitung der gesetzlichen Leistungsansprüche mehr als überkompensiert werden. Eine strukturelle Entlastung der Kommunen wird so nicht gelingen!

Die Länder positionieren sich ebenfalls an der Klagemauer. „Wenn uns der Bund nicht die Lasten der Altschulden abnimmt, können wir die Einhaltung der Schuldenbremse des Grundgesetzes nicht garantieren, die für uns ab 2020 verbindlich gilt“ tönt es unisono zumindest aus den 13 Ländern, die aktuell Ausgleichsleistungen aus dem Länderfinanzausgleich erhalten. Der Bund soll es richten – mit mehr Geld. An das Aufkommen des Solidaritätszuschlags, einer zeitlich befristeten Sonderabgabe auf die Einkommensteuer, die zur Finanzierung der Kosten der Wiedervereinigung gedacht war und bisher allein dem Bund zusteht, wollen die Länder ran. Dass der „Soli“ bleibt, steht parteiübergreifend so gut wie fest. Entlastungen der Steuerpflichtigen haben ohnehin nur selten Priorität.

Wie schizophren die Politik tickt, sieht man daran, dass die allermeisten Landesregierungen schlicht verdrängen, dass ihre eigenen Parteikollegen im Deutschen Bundestag dem Bund allein mit dem Rentenpaket eine strukturelle Finanzierungslast aufhalsen, die mittelfristig bis zu zwei Drittel des Aufkommens aus dem Solidaritätszuschlag kostet. Denn der Bund wird über einen deutlich höheren Rentenzuschuss, der längst die mit Abstand größte Ausgabenposition im Bundeshaushalt darstellt, für die immensen Zusatzkosten der Mütterrente und der Rente mit 63 einstehen müssen. Weil man einen Euro nur einmal ausgeben kann, dürfte die Hoffnung der Länder auf einen finanzstarken und solidarischen Bund trügen. Doch hören Sie massive Proteste aus den Ländern gegen dieses unsinnige Rentenpaket? Aus falscher parteipolitischer Rücksichtnahme verhält man sich still und stellt sich gleichzeitig dumm, weil man vom Bund trotzdem Milliardensolidarität bei der anstehenden Föderalismusreform III erwartet.

Mehr Verantwortung für die Ausgaben und Einnahmen auf der jeweiligen staatlichen Ebene täte dringend Not, um die Politik in ihrem permanenten Drang nach einer Ausweitung des Sozialstaats zu stoppen. Doch genau diese Entflechtung scheuen die meisten Politiker, weil es unbequem wird, generös Leistungen zu versprechen, für deren Finanzierung man dann selbst den Kopf hinhalten muss.