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Wer besser leben will, muss nicht gut essen, sondern handeln

Caspar Dohmen: Otto Moralverbraucher – vom Sinn und Unsinn engagierten Konsumierens, orell füssli, Zürich 2014Caspar Dohmen: Otto Moralverbraucher – vom Sinn und Unsinn engagierten Konsumierens, orell füssli, Zürich 2014 Wer eine gerechtere und ökologischere Welt anstrebt, sollte wissen: Ethisch einkaufen zu gehen, ist gut – sich politisch zu engagieren, ist besser. Caspar Dohmen bezweifelt den Nutzen des moralisch korrekten Konsums. Kritisch blickt er auf Marken und Konzerne und zeigt, dass vor allem eins unserem ökosozialen Untergang vorbeugt: Bürgerengagement.

Jeder siebte Konsument achtet beim Einkauf darauf, dass die Produkte aus fairem Handel stammen, jeder Fünfte möchte Produkte aus ökologischem Anbau. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Allensbacher Meinungsforschungsinstituts, die Caspar Dohmen gleich zu Anfang seines neuen Buches zitiert. Und kritisiert: „Manche Menschen lassen bereitwillig ihre demokratischen Mitspracherechte verkümmern und setzen lieber auf ihr Votum als Verbraucher, weil sie sich davon mehr Einfluss versprechen.”

Gezielter Konsum als Alternative zum politischen Handeln – das ist einer der Knackpunkte, um den es Dohmen auf rund 200 Seiten seines inspirierenden Werkes „Otto Moralverbraucher –vom Sinn und Unsinn engagierten Konsumierens“ geht. Freilich lobt er den durchdachten Einkauf und die bewusste Kaufverweigerung als wichtiges Signal für die Gesellschaft und charakterisiert sie als zentralen Bestandteil von Bürger- und Menschenrechtskampagnen. Dennoch ist ihm klar: „Die große Mehrheit der Verbraucher stützt – bewusst oder unbewusst – mit ihrem Einkaufsverhalten den verheerenden sozialen und ökologischen Status quo.“ Grüner Strom, Autos mit Hybridantrieb und faire Bananen sind nett und gut. Doch verbessern sich dadurch die Arbeitsbedingungen in den Fabriken der Entwicklungsländer? Reichen Solarzellen und faire Kokosnüsse, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen? Dohmen zweifelt und fordert vom Verbraucher statt höherem Konsumbewusstsein mehr Bürgerbeteiligung und politisches Engagement. Denn er ist sich sicher: „Alle entscheidenden gesellschaftlichen Reformen verdanken wir politisch tätigen Menschen.“

Was wie eine radikale Ansicht aus der Hippiebewegung klingt, ist nichts anderes als der Wunsch auf den Fortbestand des freien und fairen Marktes und seiner Teilnehmer – den Verbrauchern und den Konzernen. Dohmen, der Wirtschaftsjournalist und Ökonom, ist ein Aufklärer ohne moralischen Zeigefinger. Er ist kritisch, querdenkerisch, freigeistig und wertkonservativ zugleich. So rechnet er in seinem Buch genauso mit den umstrittenen Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern der Kultmarke Apple  ab, wie er Kampagnen-Netzwerke unterstützt und Unternehmer aus Gattung des „Ehrbahren Kaufmann“ wie den Großindustriellen und Autobauer Henry Ford geradezu hochleben lässt: „Autobauer Henry Ford hielt es für sozial, mehr Leute einzustellen, um sie an den Vorteilen der industriellen Arbeitsteilung teilhaben zu lassen“, schreibt Dohmen. Ford ließ deswegen seine Produktion ausweiten – und war dafür auch bereit, einen geringeren Gewinn in Kauf zu nehmen. Anders als die Dodge-Brüder, die zehn Prozent der Aktien des Ford-Unternehmens hielten. Nach Meinung der Großaktionäre, schreibt Dohmen, war der Hauptzweck eines Unternehmens, tüchtig Gewinn zu machen. Sie klagten deshalb gegen Fords Pläne für neue Automobilwerke.

Der „Ottomoralverbraucher“ ist vor allem für diejenigen Normalverbraucher eine anregende Lektüre, die sich nicht weiter gedanken- und bedingungslos den Angeboten einer zwar mittlerweile immer grüneren aber nach wie vor stark gewinnorientierten Konsumwelt aussetzen lassen wollen. In Dohmens Szenario gilt es, die „falschen Bedürfnisse“ nach Konsumgütern – wie es Philosoph Herbert Marcuse definierte – zu erkennen und „tiefere, authentischere Wünsche“ zu entdecken. Es sei auch deswegen endlich Zeit, „mehr auf Kooperation und Politik statt auf Konsum“ zu setzen, da letztlich „über wirksame Regeln für Unternehmen, für die von ihnen verursachten Schäden selbst aufzukommen“, allein in der politischen Arena entschieden werde.