Buchkritik, OrdnungspolitikTagged

Innovation als Mannschaftssport

NewBusinessOder_Cover_131021.inddChristoph Giesa / Lena Schiller Clausen: New Business Order – wie Start-ups Wirtschaft und Gesellschaft verändern, Hanser Verlag, München 2014 Der neue Arbeitnehmer ist mobil, autonom und findet Erfüllung in immer neuen Arbeitsprojekten. Seine Welt ist hipp, schick und das Gegenteil von jedem, der sein Glück in Konzernkarrieren sucht. Neu ist das alles nicht. Kritiker bejubeln das Buch „New Business Order“ dennoch als Pflichtlektüre für die neue Arbeitswelt. Dass es an vielen Stellen ziemlich aufgeblasen wirkt, liegt wohl eher an der gespreizten Sprache als an fehlender Kompetenz.

Dass eine neue Arbeitswelt stets auch neue Begrifflichkeiten braucht, ist nichts Neues. So war es schon zu Beginn der industriellen Revolution, so hat es sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Wunderwirtschaftsdeutschland gezeigt, dann in der ideologisierten Sprache der 70er Jahre und zuletzt zur Jahrtausendwende in der New Economy. An sie schließt „New Business Order“ an. Hier sind „Projektnetzwerke“, „Crowdsourcing“, „Selbstorganisation“ und „technologische Paradigmenwechsel“ die Zentralbegriffe. Aber auch Cloud, Coworking Spaces oder Barcamps, also sogenannte Unkonferenzen oder Tagungen, deren Verlauf und Inhalte von den Teilnehmern zu Beginn der Konferenz selbst entwickelt werden, spielen eine Rolle. In „New Business Order“ schreiben Lena Schiller Clausen und Christoph Giesa über viele kleine und große Unternehmen und Organisationen, deren Werte – wie die Autoren meinen – „Neugier, Offenheit und Teilhabe“ sind. „Die Gier nach Neuem“ treibe die Firmen. Zwar propagieren genau solche Slogans auch Dax-30-Konzerne und alle, die als Hidden Champions weltweit erfolgreich sind. Dennoch meinen die Autoren, dass Innovation als Mannschaftssport gerade für Start-ups und viele kleine Unternehmen das Charakteristikum schlechthin sei.

Das Neue komme immer seltener durch einsame Genies vom Schlage Edison in die Welt. Kreativität entfalte ihre schöpferische Wirkung vielmehr in interdisziplinären Teams. Im Zentrum steht für die Autoren die Projektarbeit, an der jeder gleichberechtigt mitarbeitet und von der jeder profitieren kann. Ein Beispiel: der Spielzeughersteller Lego. Auf einer von dem Unternehmen initiierten Online-Plattform kann jeder seine Idee für ein neues Projekt einstellen und von der Lego-Community bewerten lassen. Jedes Quartal prüft das Unternehmen die Vorschläge. Geht ein Projekt in Serienproduktion, wird der „Erfinder“ mit einem Prozent am Umsatz des Produktes beteiligt.

Schiller Clausen und Giesa sind Strategieberater und Unternehmer und berichten aus ihrer Praxis. Die Menschen, über die sie schreiben, wünschen sich statt vordefinierter Karriereleitern eine „breite Landschaft von Möglichkeiten“, in der sie Projekte entwickeln oder sich möglichst sichtbar in Projekten einbringen können. Wer also nichts von der Lebenswelt dieser Projektarbeiter weiß und mehr über neue Organisationsstrukturen in Unternehmen erfahren möchte, sei „New Business Order“ empfohlen. Meisterblogger Sascha Lobo lobt dieses Buch über digitale Wirtschaft und Gesellschaft zwar als „Pflicht-Lektüre und Kür-Lektüre“. Allerdings müssen sich die Leser auch durch Sätze kämpfen wie: „Während der im Konzernkapitalismus etablierte und sozialisierte Erwerbstätige noch an der industriellen Polis mit ihren Werten Effizienz und fachliche Kompetenz festhält und die projektbasierte Polis eher als bedrohlich wahrnimmt, rückt derzeit eine Generation auf den Arbeitsmarkt nach, die eine Form der Entwurzelung und den Mangel an Struktur tatsächlich als ihre Chance begreift.“ Dass Lena Schiller Clausen und Christoph Giesa ihre Praxisberichte mit hochtrabendem sozioökonomischem Begriffsbesteck aufzuputzen versuchen, ist schade – sogar für die sympathischen Autoren, die bei Lesungen ihres Buches nicht selten ins Stocken geraten.