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Stress mit dem Test

Trotz Schuldenschnitt: Sitzt Griechenland in der Schuldenfalle?Mit einem strengen Regelwerk und Sanktionen will die EU zukünftige Staatsschuldenkrisen verhindern. Doch mit jedem neuen Pakt zeigt sich mehr: Staatliches Handeln lässt sich nicht planen - daran ändern auch Verträge nichts.

Erinnern Sie sich noch daran, als im Jahr 2011 die Staats- und Regierungschefs in der Euro-Zone die richtigen Konsequenzen aus der Schuldenkrise in Europa ziehen wollten? Mit „Two-Pack“, „Six-Pack“, „Europäischem Semester“, „automatischen Sanktionen“ und „Fiskalpakt“ wurden neue Wortschöpfungen kreiert, mit denen allen suggeriert wurde, dass man aus den Konstruktionsfehlern des Euro gelernt habe und zu Strukturreformen und Haushaltsdisziplin kommen wolle. Angela Merkel sprach im Juni 2012 bei der Verabschiedung des Fiskalpaktes im Bundestag noch von „unumkehrbaren Schritten hin zu einer nachhaltigen Stabilitätsunion“ . Nichts davon zeigt Wirkung. Im Zweifel sollte es sogar Sanktionen und Klagemöglichkeiten gegen den Verstoß der verschärften Schuldengrenzen geben.

Doch wer kann eigentlich klagen? Können Sie klagen? Kann Deutschland klagen? Kann ein Land ein anderes Schuldnerland verklagen? Nein, das ist nicht vorgesehen. Klagen kann nur ein Triumvirat aus alter, aktueller und künftiger EU-Ratspräsidentschaft. Diese müssen sich darauf verständigen, gegen ein viertes Land vor dem Europäischen Gerichtshof vorzugehen. Ein Blick auf die gerade begonnene neue Ratspräsidentschaft ist bereits erhellend. Italien ist dran. Dessen Ministerpräsident Mario Renzi hat gerade vor dem Europaparlament erklärt, dass er die strengen EU-Haushaltsziele aufweichen will, da er sich selbst nicht daran hält.

Ende vergangenen Jahres lag Italiens Verschuldung bereits bei fast 133 Prozent zur Wirtschaftsleistung. Im April 2014 musste die Regierung in Rom zugeben, dass ein strukturell ausgeglichener Haushalt wohl erst im Jahr 2016 zu erreichen ist. Die vorherigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und Mario Monti hatten dies bereits für 2013 zugesichert.

Und welches Land hatte bisher die Präsidentschaft inne? Genau, Griechenland! Dessen Schuldenstand wird nach zwei Schuldenschnitten(!) Ende dieses Jahres bei einem historischen Höchststand von fast 180 Prozent zur Wirtschaftsleistung liegen. Antonio Samaras, der griechische Ministerpräsident, hofft auf eine Erleichterung bei der Schuldenrückzahlung. Gut, die nächste Präsidentschaft ab Januar 2015 hat Lettland inne, mit 38 Prozent Verschuldung eines der wenigen weißen Schafe in einer tiefdunklen Herde. Es ist halt nicht alles schlecht in der EU. Doch eines ist klar: Weder Italien, noch Griechenland werden jemals gegen ein anderes Sünderland klagen, damit ist der Fiskalpakt obsolet. So war es auch gewollt. Es sollte nie geklagt werden. Um die beschlossenen Regeln kümmert sich niemand. Sie sind egal, so wie es vorher egal war, ob die Maastricht-Kriterien eingehalten werden oder nicht. Und eine Besserung ist trotz aller Schönfärberei nicht in Sicht.

Der Grundfehler dieser Entwicklung ist der erneute Glaube an die Planbarkeit staatlichen Handelns. Dieser ist nicht nur in der sozialistischen Planwirtschaft gnadenlos gescheitert, sondern scheitert auch in der europäischen Planwirtschaft. Jüngstes Beispiel ist der Bankenstresstest der Europäischen Zentralbank. Seit geraumer Zeit durchleuchten fast 6000 externe Prüfer(!) im Auftrag der EZB die Bilanzen der 124 größten Banken in der Eurozone im Hinblick auf mögliche Zeitbomben in deren Büchern. Ohnehin keine leichte Aufgabe in normalen Zeiten. Inmitten der schwersten Finanzkrise in der Eurozone ist es jedoch Harakiri.

Schon jetzt kommt heraus, dass sie es nicht rechtzeitig vor der offiziellen Übernahme der Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank im November dieses Jahres schaffen. Daher geht man inzwischen von einem individuellen Ansatz zu einem pauschalen Ansatz über. Soll heißen, jetzt greift die Daumenregel. Das Ziel war ursprünglich, die Glaubwürdigkeit des europäischen Bankensektors wiederherzustellen, indem man die Bücher von der staatlichen Aufsicht durchforsten lässt. Jetzt kommt ein Willkürakt dabei heraus. Das wird kein Vertrauen schaffen, sondern im besten Falle, wie bei den zwei vorangehenden Stresstests, nicht ernst genommen.

Wahrscheinlich wird dieser Gigantismus jedoch neue Unsicherheit schaffen. Denn wer glaubt, man könne die individuelle Verantwortung der Eigentümer und Gläubiger von Banken auf den Staat und seine Aufsicht verlagern, der glaubt auch, dass die Schuldenkrise in Europa durch noch mehr Schulden gelöst werden kann.