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Die Freiheit, die wir teilen

Lisa Herzog: Freiheit gehört nicht nur den ReichenLisa Herzog: Freiheit gehört nicht nur den Reichen – Plädoyer für einen zeitgemäßen Liberalismus, München 2014, Verlag C.H. Beck Philosophen verbinden mit Freiheit eher bürgerliche Freiheitsrechte, Ökonomen meist die Freiheit des Marktes. Für die Ökonomin und Philosophin Lisa Herzog war der Liberalismus in seiner Rolle als eine Art Virenschutz gegen staatliche Willkür immer schon falsch. Die liberale Idee ist für die Autorin der Humus einer gesunden Gesellschaft. Sie will Staat und Markt in eine gesunde Balance zu bringen.

Schon länger ist der Lack des Liberalismus‘ ab. Staatsfeindlich sei er, reichenfreundlich oder auch nicht sozial – so die populären Vorurteile. Damit will Lisa Herzog aufräumen. In ihrem neuen Buch „Freiheit gehört nicht nur den Reichen – Plädoyer für einen zeitgemäßen Liberalismus“ stellt sie die Weichen neu. Der Begriff Liberalismus soll sich nicht mehr nur an ordoliberalen Parametern oder gesellschaftlichen Toleranztheorien orientieren, sondern wieder an die Idee eines freien Lebens überhaupt anknüpfen: Herzog setzt auf eine Gesellschaft, in der Menschen ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben als zentralen Wert der Moderne endlich wieder ernst nehmen. Sie meint nicht die Freiheit grenzenlosen Handelns, sondern die Freiheit in Verantwortung. Auch darum richtet sie ihre besondere Mahnung an die beiden Antipoden auf dem Feld der gesellschaftlichen Freiheit: Staat und Markt. Für Herzog können nicht nur staatliche Strukturen, sondern auch Märkte freiheitsfeindlich sein.

Freiheit darf kein Privileg der Reichen sein

Klug kontrastiert die Autorin in ihrem 180-Seiten-Werk den Begriff des klassischen Liberalismus‘ am heutigen Menschenbild und den Sozialstrukturen moderner Gesellschaften – und fragt sich, wie sich der Markt moralisch zähmen lässt. Herzog zeigt sich als Verehrerin Adam Smiths, des großen Ökonomen und Moralphilosophen, und bekennt sich klar zu den Erfolgen der modernen Verhaltensökonomie. Nicht der homo oeconomicus dient ihr als Grundlage einer liberalen Theorie. Vielmehr gilt: „Wenn der Begriff des Liberalismus zukunftsfähig bleiben will, muss er sich von dem Dogma verabschieden, dass mehr Freiheit automatisch auch ein Immer-mehr an materiellen Gütern bedeutet“, schreibt die Autorin. Es gebe eben nicht nur Staat oder nur Markt und Privatwirtschaft – alle seien wichtig und müssten auf Stärken und Schwächen abgeklopft werden.

Die studierte Ökonomin Herzog schreibt in ihrem Buch vor allem als Philosophin. Der Philosophie geht es seit der Antike um die Freiheit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. „Mich interessiert, wie diese Freiheit jeder und jedem zukommen kann, in ihren unterschiedlichen Dimensionen. Wenn diese Freiheiten heute nicht nur den Reichen gehören sollen, kann es notwendig sein, im Namen der Freiheit aller die Einschränkung des Markts zu fordern“, meint Herzog. Sonst könne es zu einer gefährlichen Konzentration von Kaufkraft und Macht kommen.

Ein unpolitisches Buch für Politiker

Herzog entschlackt den Liberalismus von den bekannten Ideen-Furunkeln, die ihn in den vergangen Jahren so unpopulär haben werden lassen: Ihr „zeitgemäßer Liberalismus“ steht weder im Widerspruch zu Klima und Umwelt, noch zu Kapital, Wachstum und Gewinn. Er beinhaltet einen Freiheitsbegriff, der mehr als nur Gleichheit vor dem Gesetz bedeutet. Er zielt auf die Lösung materieller Ungleichheit und fordert soziale Gerechtigkeit: „Besonders auf die Freiheit derjenigen ist zu achten, die in den formellen und informellen Machtverhältnissen unserer sozialen Welt die schwächsten sind“, schreibt die Autorin.

Gerade weil ihr Buch den Begriff des Liberalismus nicht politisch interpretieren möchte, ist Herzogs Werk ein lesenswertes „Plädoyer“ – vor allem für politische Entscheidungsträger, die aus der Engstirnigkeit parteigegebener Vorgaben heraustreten wollen. Herzogs liberale Idee zielt nicht auf Wähler, sondern auf Menschen, die ihre Vorstellung von Freiheit gemeinsam verwirklichen möchten. Oder beizeiten auch gegeneinander abwägen müssen – denn für Herzog darf, à la Kant‘schem Imperativ, die Freiheit des einen die Freiheit des anderen nie erdrücken.