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Blühende Landschaften

Argentinien ist seit der Staatsgründung zum zehnten Mal pleite.Wer ist schuld an der Argentinien-Pleite? Für viele tragen die Hedgefonds die Verantwortung. Doch es gibt auch andere Sichtweisen. Denn Staatspleiten sind dem Land nicht fremd.

Argentinien ist pleite. Die Börsen erlebten in dieser Woche einen Rückschlag, aber keinen Tiefschlag. Erst im Mai 2014 einigten sich die staatlichen Gläubiger im sogenannten Pariser Club nach mehreren Anläufen auf einen Verzicht von 70 Prozent ihrer Forderungen. Jetzt haben Hedgefonds vor einem amerikanischen Gericht gegen diese Einigung und für eine volle Rückzahlung ihrer Forderungen geklagt und Recht bekommen. Ich weiß nicht, wie dieser Streit am Ende ausgehen wird. Aber die Entwicklung Argentiniens ist in vieler Hinsicht bemerkenswert. Argentinien war bereits 2001 bankrott. Seit seiner Gründung ist Argentinien nunmehr zum zehnten Mal zahlungsunfähig geworden, allein seit dem Zweiten Weltkrieg fünf Mal.

Die Berichterstattung lässt derzeit nur einen Schluss zu, wer die Verantwortung für den erneuten Bankrott hat. Es sind die sogenannten Geierfonds, die Hedgefonds, die die Anleihen zu niedrigsten Kursen kauften und jetzt auf die Erfüllung des Zahlungsversprechens wetten. Das wird als unsolidarisch gegenüber der argentinischen Bevölkerung angesehen. Eines ist sicherlich an dem Vorwurf richtig. Die seit Jahrzehnten bewährte internationale Insolvenzordnung, die in Verhandlungen im „Pariser Club“ mit den staatlichen Gläubigern und im „Londoner Club“ mit den privaten Gläubigern stattfindet, stößt an ihre Grenzen. Wenn die Anleihenbedingungen einer Altanleihe keine Mehrheitsbeschlüsse zum Teilverzicht der Gläubiger zulassen, kann jeder Gläubiger auf die Erfüllung seiner Forderung klagen. Diese harten Anleihenbedingungen für Anleihen, die Argentinien in den 1990er Jahren begeben hat, spiegelten das Misstrauen des Marktes aus den zurückliegenden Staatspleiten des südamerikanischen Staates. Wer damals in argentinische Staatsanleihen investierte, wollte sicher gehen, dass ihm nicht dasselbe passiert, wie vielen Anlegern die Jahre davor.

Die Krise Argentiniens ist selbst verschuldet. Noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts gehörte das Land zu den reichsten Ländern der Welt und war ein beliebtes Auswanderungsziel vieler Europäer, insbesondere aus Italien und Spanien. Argentinien ist reich an Rohstoffen, erst vor wenigen Jahren wurde in der Region Patagonien ein riesiges Ölfeld entdeckt, das Argentinien zum Ölexporteur machen soll. Nach einer Studie des US-Energieministeriums hat Argentinien zusammen mit China und den USA die größten wahrscheinlichen Vorkommen an Erdöl und Ergas. Der starke Agrarsektor beruht ebenfalls auf den günstigen topografischen Voraussetzungen.

Gleichzeitig gehört Argentinien aber zu den korruptesten Staaten in Südamerika. Im weltweiten Korruptionswahrnehmungsindex landet es auf Rang 106 von 177 Ländern. Die Inflationsrate ist offiziell bei rund 10 Prozent, tatsächlich jedoch erheblich höher. Der Anteil der Staatsausgaben an der Wirtschaftsleistung ist innerhalb von 10 Jahren von 28 Prozent auf über 45 Prozent gestiegen. Über Jahre hat Argentinien mit Devisen- und Importkontrollen versucht, die Kräfte des Marktes zu zähmen. Doch die Wirtschaft und damit menschliches Verhalten und Entscheidungen von Seiten des Staates zu planen, ist unmöglich. Das zeigt das Beispiel Argentinien wieder einmal.

Doch vielleicht sind es gerade die positiven natürlichen Voraussetzungen, die ein Land und seine Bevölkerung nachlässig machen. Für den Wohlstand eines Landes sind große Rohstoffvorkommen gar nicht so entscheidend. Viel wichtiger ist eine funktionierende Rechtsordnung, in der man rechtssicher Eigentum erwerben und veräußern kann, in der Verträge rechtssicher geschlossen werden können und in der der Staat nicht in die individuelle Gestaltung eingreift. Und es ist gutes Geld, das verlässliche Investitionen zulässt. Investitionen, die nicht befürchten lassen, dass der Rückfluss durch eine unkalkulierbare Inflation aufgefressen wird. Gerade das billige Geld, das Argentinien in besonderer Weise in die Schieflage gebracht hat, funktioniert eben nicht auf Dauer, sondern wirkt wie süßes Gift. Es schmeckt gut, zerstört aber Geist und Seele. Diesen Prozess erleben wir ebenso in Südeuropa. Die Schuldenstände in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal steigen rasant an. Alle verlassen sich auf die Kreativität der EZB und hoffen, dass ihre Schulden durch immer niedriger manipulierte Zinssätze der EZB auf Dauer finanziert werden können. Die notwendigen Reformen schlafen ein. Aber irgendwann, so lehrt das Beispiel Argentinien, wird die Rechnung präsentiert.


Dieser Beitrag ist zuerst in der Fuldaer Zeitung erschienen.