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Der Preis der Geldflut

Geldpolitik von EZB und BOJ führt zu Reallohnrepression und sinkender statt steigender InflationVerkehrte Welt! Die Inflation im Euroraum tendiert gegen Null. Das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von unter, aber nahe 2% wird immer weiter unterschritten. Die Angst vor der Deflation wächst, so dass Zentralbankpräsident Draghi weitere 1000 Milliarden Euro Liquidität in die Märkte pumpen will, um das Euroland zurück auf den Wachstumspfad zu bringen.

Draghi folgt der geldpolitischen Strategie des japanischen Ministerpräsidenten Abe, unter dem seit 2013 die Bilanz der japanischen Zentralbank nochmals deutlich gewachsen ist (siehe Abbildung). Dennoch steigt die Inflation in beiden Ländern kaum, weil sich die Übertragung der Geldpolitik auf die Konsumentenpreisinflation verändert hat. Waren in den 1970er Jahren Zinssenkungen bzw. die Ausweitung der Geldbasis der Zentralbanken noch mit Inflation verbunden, ist dies heute nicht mehr der Fall.

Dies könnte daran liegen, dass die Geschäftsbanken die zusätzlich von den Zentralbanken bereitgestellte Liquidität nicht mehr an Unternehmen und Haushalte weitergeben. Dies wäre aus Sicht der Banken vielleicht auch nicht klug, da die Kredite für Konsum und Investitionen Löhne und Preise nach oben treiben würden. Schnell wäre das Inflationsziel von 2% erreicht und die Zentralbanken würden die zusätzliche Kreditvergabe drosseln, um ihre Inflationsziele einzuhalten. Vielmehr schleusen die Finanzinstitute die zusätzliche Zentralbankliquidität in die Finanzmärkte, wo die Preise von Vermögenswerten wie Aktien, Immobilien, Wertpapieren oder Rohstoffen nach oben schießen. Dies hat für die Finanzinstitute zwei Vorteile. Erstens steigen deren Gewinne in den Boomphasen steil an. Zweitens sind diesen Gewinnmöglichkeiten weniger Grenzen gesetzt, da die Vermögenspreise nicht in den Konsumentenpreisen enthalten sind und es damit nicht, oder sehr verzögert zu einer geldpolitischen Straffung kommt.

Platzen schließlich die Vermögenspreisblasen, droht zwar zunächst ein Absturz der Vermögenspreise. Doch die geldpolitischen Rettungsaktionen sorgen dafür, dass die Vermögenspreise auf hohem Niveau gehalten werden, oder neue spekulative Blasen auf den Vermögensmärkten entstehen. In der Praxis betreiben die Zentralbanken bei stabilen Konsumentenpreisen eine asymmetrische Vermögenspreisstabilisierung: Steigen die Vermögenspreise steil an, dann werden Blasen auf den Vermögensmärkten als außerhalb der geldpolitischen Verantwortlichkeit angesehen. Fallen hingegen die Vermögenspreise, werden die Finanzmärkte mit billiger Zentralbankliquidität geflutet.

Zwar stabilisieren die Zentralbanken damit in der Krise auch Konjunktur und Beschäftigung, doch kommt es auch zu Umverteilungseffekten, die langfristig die Konsumentenpreisinflation dämpfen. Denn Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien und Wertpapiere konzentrieren sich auf die wohlhabenden Bevölkerungsschichten, die von steilen Kursgewinnen überproportional profitieren. Die Kosten der Krisenmanagements werden hingegen über zwei Kanäle vor allem auf die mittleren und unteren Einkommensschichten überwälzt. Erstens drückt die Nullzinspolitik die Verzinsung der von diesen Schichten präferierten risikoarmen Anlageformen wie Spareinlagen (finanzielle Repression). Zweitens werden in den Krisen und darüber hinaus die realen Löhne gedrückt, weil die Staatsverschuldung (nicht zuletzt durch die Rettungsmaßnahmen für Banken) steigt und auf den Gütermärkten die Nachfrage stagniert (Lohnrepression).

Dieser Umverteilungskanal, der in sehr vielen Ländern mehr oder weniger stark zu beobachten ist, wirkt dämpfend auf die Inflation. Zwar wächst die Nachfrage der Reichen nach Yachten, Limousinen, Luxusimmobilien und Kunst, etc., sodass die Preise dieser Güter ansteigen. Doch sind diese Güter in den Konsumentenpreisindizes der Zentralbanken unterrepräsentiert. Hingegen stagniert die Nachfrage breiter Bevölkerungsschichten aufgrund der fortschreitenden Reallohnrepression. Aldi, Lidl, Kik und Co haben Hochkonjunktur, so dass die Konsumentenpreise nicht steigen. Von den Zentralbanken wird die weitgehende Konstanz bzw. das Abfallen der Konsumentenpreise als Signal für eine weitere Flutung der Finanzmärkte mit billigem Zentralbankgeld interpretiert. Sie schaffen damit aber nur den Nährboden für weitere spekulative Blasen sowie negative Umverteilungseffekte und noch mehr Reallohnrepression. Beides sollte ursprünglich einmal durch die Inflationsziele verhindert werden.


Lesen Sie mehr dazu im Policy Paper “Mit dem Kopf im Sand? Goodharts Gesetz und die Wirkungslosigkeit von Inflationszielen als geldpolitische Regelmechanismen”.