Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und Finanzen, WachstumTagged

“Wird’s besser? Wird’s schlechter? Fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich.”

Die Welt scheint in kolossaler Unordnung. Fast überall drohen Terror und Gewalt, nicht selten im Namen der Religion. In Europa leben Konfliktrituale wieder auf, die man nur noch aus der Erinnerung an den Kalten Krieg kennt. In den USA wird im Namen der Freiheit staatlich gefoltert und ausgehorcht, als ob es nie eine Unabhängigkeitserklärung mit ihrer urliberalen Präambel gegeben hätte. Offener Rassismus herrscht im amerikanischen Alltag, auch wenn der amtierende Präsident schwarz ist. In Japan mit seiner astronomischen Verschuldung erleben wir das kapitale Versagen jeglicher politischen Verantwortung. Trotzdem wählte das Volk die „Abenomics“ erneut mit Erdrutsch-Mehrheit.  Im saturierten Deutschland gehen Zehntausende auf die Straße, um ihre diffusen Ängste vor (islamischer) Überfremdung und ihre Verachtung für das politische Establishment zu bekunden. Wenn Flüchtlingsdomizile in Bayern angezündet und Hakenkreuze gesprüht werden, dann lassen einen die Erinnerungen an geschürte Pogromstimmungen in früheren deutschen Landen unwillkürlich schaudern. 

Die Irrationalität in vermeintlich kultivierten Gesellschaften und der fanatische Hass auf Minderheiten, seien sie nun schwul, andersgläubig oder andersfarbig, machen sprachlos. Was rollt da erst auf uns zu, wenn sich der soziale Absturz der Massen manifestiert, weil kein Staat dieser Welt sich auf Dauer schuldenfinanzierte Wohlfahrt leisten kann? Doch genau diese fatale Schuldenillusion nähren in unruhigen Zeiten selbst renommierte Ökonomen. Nicht nur Paul Krugmann, der vor Jahren mit dem Wirtschaftsnobelpreis geadelt wurde, predigt diese Voodoo-Ökonomie. In internationalen Institutionen wie dem IWF oder der OECD wird inzwischen expansiver Fiskalpolitik das Wort geredet. Konsolidierung oder gar das altdeutsche Sparen sind passé. Von notwendigen Strukturreformen wird immer seltener gesprochen. Geld muss in den Wirtschaftskreislauf gepumpt werden – durch die Notenbanken und kreditfinanzierte Investitionsprogramme der Staaten. Wie das Modell, dem der „Starökonom“ Krugmann huldigt, in der japanischen Praxis seit bald 25 Jahren scheitert, wird geleugnet oder verdrängt.

Heute hängen die Finanzmärkte wie Fixer an den Liquiditätsinjektionen der Zentralbanken. Die Fieberkurven der Kurse korrespondieren mit erfüllten oder enttäuschten Erwartungen in die Geldpolitik. Eine Aktienhausse bildet immer seltener realwirtschaftliche Fundamentaldaten oder konkrete Geschäftserwartungen ab. Viel wichtiger für steigende Kurse an den Börsen sind Notenbankbeschlüsse. Im Januar wird die Europäische Zentralbank (EZB) voraussichtlich ihr Staatsanleihen-Kaufprogramm starten. Damit wird sie endgültig ihr geldpolitisches Mandat brechen und direkt Staatsschulden monetarisieren. Frankreich und Italien werden jubeln, wenn die Mehrheit für Mario Draghis Kurs im EZB-Rat steht – gegen das Votum von Jens Weidmann von der Deutschen Bundesbank.

Gespannt sein darf man auf den Verfassungsgerichtskonflikt zwischen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Bundesverfassungsgericht, falls der EuGH die EZB-Anleihenkäufe als zulässig erachtet, die deutschen Verfassungsrichter aber nicht. Ob Karlsruhe wohl willens und in der Lage wäre, der EZB-Mehrheit die rote Karte zu zeigen, einen kapitalen Verfassungskonflikt mit den europäischen Institutionen zu riskieren und die Finanzmarkterwartungen zu sabotieren?

Bei aller Unübersichtlichkeit angesichts der Fragilität unserer Welt: Einer Herkulesaufgabe werden sich die Politiker auf diesem Globus nicht entziehen können, auch wenn sie sich noch so sehr aus der Verantwortung herauswinden wollen. Sie müssen Arbeitnehmern wie Unternehmern, Rentnern wie Schülern, Fremden wie Einheimischen überall erklären, dass realer Wohlstand nicht aus permanenter Schuldenpolitik entsteht. Dass dauerhafter Wohlstand für alle auf Anstrengung und Leistung beruht – des Einzelnen wie gesamter Volkswirtschaften. Und dass kein Staat auf Dauer mehr ausgeben kann, als er aufgrund der wirtschaftlichen Leistungskraft seiner Bürger an Einnahmen erzielen kann.

Wenn die Politik diesen Mut nicht aufbringt, dann schlagen Intoleranz und Vorurteile nicht mehr nur vereinzelt, sondern wie ein Flächenbrand in blanken Hass um. Dann sucht sich das Volk (und bestimmte Politiker) die Sündenböcke, die man für den sozialen Abstieg verantwortlich machen kann. Dann wird das Volk zum Mob und die Demokratie zur Diktatur.