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Wettbewerb muss man lernen

150303_Lütge_Ethik desWettbewerbsChristoph Lütge: Ethik des Wettbewerbs – über Konkurrenz und Moral, C.H. Beck, München 2014 Für viele bedeutet Wettbewerb Aggression, Kampf, Verdrängung. Doch solche Wettbewerbsvorbehalte sind von vorgestern, meint Christoph Lügte. In seinem neuen Buch beschreibt der Wirtschaftsethiker, warum Wettbewerb ein notwendiges, fruchtbares und aus ethischer Sicht sogar willkommenes Konzept darstellt. Seine wichtigste Botschaft: Der Wettbewerb ist ein Verbündeter der Bürger, wenn er fair geführt wird.

Wer über die Schärfe des Wettbewerbs klagt, dem mangelt es schlichtweg an genügend Einfällen, um ihm zu begegnen – so äußerte sich einst Walther Rathenau über die Herausforderung, sich dem ökonomischen Wettbewerb zu stellen. Christoph Lügte, Wirtschaftsethiker an der Technischen Universität München, hat viele Wettbewerbs-Ideen: In seinem neuen und eher politisch als wissenschaftlichen Buch „Ethik des Wettbewerbs – über Konkurrenz und Moral“ arbeitet er die Vorteile des Wettbewerb heraus und beschreibt, wie er ethischen Zwecken dienen kann.

Dass Kritiker das Wettbewerbsprinzip aus moralischen Gründen ablehnen, führt der Autor auf falsche Vorstellungen zurück, die sich viele über die Funktionsweise des Wettbewerbs in Ökonomie und Gesellschaft in den vergangenen Jahren gemacht haben. Das Null-Summen-Denken, also die Annahme, dass der Gewinn der einen Partei automatisch den Verlust der anderen bedeutet, sei in der heutigen Zeit überholt. Dies zeigt er in seinem Buch an Beispielen aus der Ökologie, der Bildung und des Gesundheitswesens.

Schwerer Spagat zwischen Freiheit und Gewissen

Schon in den 70er Jahren hieß es, Marktwirtschaft und Wirtschaftswachstum würden kollabieren, wenn es die Chinesen den Industrieländern nach machten und im Konsum nachziehen wollten. Der Vorwurf gilt noch heute. „Daraus ergibt sich die ethische Falle, dass man einerseits aus moralischen Gründen Wachstum verhindern will, andererseits, ebenfalls aus moralischen Gründen, China und anderen nicht vorschreiben kann, was sie zu tun hätten“, schreibt Lütge. Diese Falle jedoch löse sich auf, indem China nun erkannt habe, seine CO2-Emissionen massiv verringern zu müssen. Nicht Anti-Wachstums-Ideologie habe das Land zu dieser Einsicht gebracht, sondern ökonomische Logik.

Dass die Regeln im Wettbewerb nicht immer klar sind und auch nicht deutlich genug wird, zwischen wem und was Wettbewerb herrscht, zeigt der Autor am Beispiel des aktuellen schulischen Bildungssystems. Dass die Schüler mit der im Ergebnis zweifellhaften Einführung des achtjährigen Gymnasiums (G8) sehr stark in einen Wettbewerb um gute Noten ausgesetzt werden, ist für Lügte ziemlich erstaunlich: Wettbewerb fände normalerweise in erster Linie zwischen den Anbietern statt und nicht in erster Linie zwischen den Nachfragern. Der Wettbewerbsdruck läge also zunächst auf den Schülern (und ihren Eltern). Das widerspreche der Logik des Wettbewerbs. „Sollte es nicht so sein, dass die Anbieter von Bildungsleistungen – und das sind nun einmal die Schulen – um gute Schüler und gute Leistungen wetteifern? Wir verlangen doch auch von potenziellen Autokäufern nicht, dass sie darum kämpfen, ein gutes Auto zu bekommen.“

Fairer Wettbewerb erhöht die Lebensqualität

Auch tritt Lütge entschieden der Ansicht entgegen, dass man sich dem Thema Gesundheit nicht mit ökonomischen Argumenten nähern dürfte. Es gebe zwar in der Gesundheitsindustrie Grenzen des Wettbewerbs: „Für die Menschen, die in keiner Weise am Wettbewerb teilhaben können, muss es andere, nicht- oder weniger wettbewerbliche Lösungen geben“. Aber: Eine Intensivierung des Gesundheitssektors mit beispielsweise echtem Wettbewerb zwischen privaten und gesetzlichen Krankenkassen würde vor allem dem Patienten deutlich mehr nützen als schaden.

Nicht alle werden sich für die sehr wirtschaftsliberale Haltung des Autors begeistern: Es geht Lütge aber auch nicht darum, den Wettbewerb in jeder Hinsicht für zielführend und ethisch wertvoll zu erklären. Vielmehr möchte er das Wettbewerbsprinzip aus der marktkritischen Klamottenkiste befreien und es als Instrument würdigen, das sehr wohl in der Lage ist, Leistungen und Lebensqualität zu erhöhen. Wettbewerb bedeutet nicht bloße Konkurrenz und Niedermetzeln der Mitspieler. Damit er gelingt, ist die Fähigkeit zum gemeinsamen Wettbewerb entscheidend – also die Kooperation mit allen Beteiligten und damit auch Fragen, welches Ziel der Wettbewerb haben und zwischen welchen Akteuren er stattfinden soll. Lütge: „Wettbewerb ist nicht einfach da, wir müssen ihn gestalten.“