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Über den richtigen Umgang der Wirtschaft mit Menschen

Vielen Menschen ist die Ökonomisierung unseres Alltags zuwider. Alles, was mit Wirtschaft oder wirtschaftlichen Interessen zu tun hat, steht bei ihnen deswegen schnell unter Generalverdacht. Ein Buch, das eine erstaunlich offene Sicht auf die Mängel mancher Protagonisten der Wirtschaft, nämlich der CEOs, ermöglicht, kommt da gerade recht. Vor allem eins beherrschen die Top-Manager nur schwer: den Dialog mit Bürgerbewegungen, NGOs, Kirchen und Politik.

Ursula Weidenfeld, Jan Hiesserich: Der CEO im Fokus – Lernen von den Besten für den richtigen Umgang mit der Öffentlichkeit, Campus-Verlag,  Frankfurt Main 2015Kommunikation ist alles. Das wussten vor den alten Römern schon die Menschen der archaischen Zeit, in der nicht nur der Handel blühte, sondern auch das Alphabet eingeführt wurde. Die Autoren Ursula Weidenfeld und Jan Hiesserich wollten nun wissen, wie es um das Kommunikationstalent der heutigen Chief Executive Officer (CEO) großer deutscher Unternehmen steht. Herausgekommen ist ein Werk, das mit seinen mehr als Dutzend CEO-Interviews einen erhellenden Blick auf vieles wirft, was Vorstände falsch machen oder dringend noch lernen müssen. Charmanter Nebeneffekt: Das Buch zeigt vor allem die Menschen hinter der oft kühlen Fassade eines Top-Managers und macht Wirtschaft für alle, die keine Lust mehr auf Wirtschaft haben, wieder etwas zugänglicher.

Während der Strategieexperte Hiesserich den Essay-Part übernimmt, deckt die Journalistin Weidenfeld in ihren Interviews mit Gesprächspartnern wie Tom Enders (Airbus), Jürgen Fitschen (Deutsche Bank) oder Heinrich Hiesinger (Thyssen-Krupp) das kleine Who-is-Who der deutschen Vorstandsetagen ab. Die Botschaft: Die Welt ist komplex, die Weltwirtschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel, die CEOs müssen mehr als je zuvor allen Anspruchsgruppen – darunter Aktionäre, Konsumenten, NGOs, Bürgerbewegungen, Kirche und Politik – Orientierung geben. Gefragt ist ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit.

Keine Frage: Globalisierung, Digitalisierung, Vernetzung, die enorme Geschwindigkeit der Berichterstattung durch die Neuen Medien und die zunehmende politische Regulation revolutionieren alle Abläufe und Bereiche der Wirtschaft. Für die Führungsmannschaft der Unternehmen bedeutet das eine hohe Herausforderung. Oft sind die heutigen CEOs überrascht, wie stark sie von der Öffentlichkeit in der neuen Position wahrgenommen werden. Sich dieser Rolle zu entziehen ist kaum möglich. Für die Autoren folgt daraus: Die Rolle der Unternehmensvorstände wandelt sich von einem operativen Manager, dem alle zuspielen, zu einem Großkommunikator für alle: Dialog, Reflexion, aber auch Empathie und Kompetenz im Umgang mit den so genannten Stakeholdern werden für ihn immer wichtiger.

Wirtschaftliche Entscheidungen müssen besser erklärt werden

Das Problem: Viele Vorstände haben die politische Dimension ihrer Kommunikation noch nicht erkannt. Josef Ackermann beispielsweise beherrschte den Umgang mit der Öffentlichkeit zu Anfang seiner Deutsche-Bank-Karriere als Vorstandsvorsitzender zunächst spärlich (es sei an seine provokante Geste im Mannesmann-Prozess erinnert), wuchs dann aber in seine Rolle. Einer seiner Nachfolger, Jürgen Fitschen, will die Fehler der Vergangenheit von Anfang an vermeiden: „Wir müssen erklären, warum wir Dinge tun, wie wir sie tun. Wir müssen die Sinnhaftigkeit für die Kunden und die Gesellschaft erläutern“, sagt er in einem der Interviews des Buches. Zweifellos eine Aussage, die aufgeklärt klingt, sich in der Praxis aber noch beweisen muss. Tom Enders, CEO der Airbus Gruppe, geht noch einen Schritt weiter und sieht nicht nur kommunikativen und themenspezifischen Nachholbedarf bei den Vorständen, sondern auch bei seinen Gesprächspartnern: Manche CEOs vermissen in der Politik einfach die richtigen Ansprechpartner, die kompetent über branchenrelevante Entscheidungen diskutieren könnten, meint er.

Entscheidungsträgern fehlt oft gesellschaftliche Wahrnehmung

Vielen CEOs fehlt allerdings das für gesellschaftspolitische Diskussionen Allerwichtigste: die politische Botschaft. Die Gründe: Manche nehmen die gesellschaftlichen Debatten um sich herum kaum wahr. Andere haben nichts zu sagen, weil sie die politische und gesellschaftliche Bedeutung ihres Unternehmens falsch einschätzen oder erst gar nicht verstehen – ein fataler Mangel, der sich spätestens dann niederschlägt, wenn es zu großen Entscheidungen kommt, die auch die Bürger bewegen – siehe „Stuttgart 21“. Die Autoren fordern: Wer heute als führender Manager und Unternehmer wahrgenommen werden will, muss eine klare Meinung haben, sollte regelmäßig seine Meinung äußern und darf sich dem Dialog mit Politik und Gesellschaft nicht verschließen.

Fazit

Ein unterhaltsames Buch, in denen Top-Manager erstaunlich offen über Strategie-Fehler berichten. Es empfiehlt sich also nicht nur für Manager, sondern auch für alle diejenigen, die sich mit ihnen unterhalten wollen und müssen.

Ursula Weidenfeld, Jan Hiesserich: Der CEO im Fokus – Lernen von den Besten für den richtigen Umgang mit der Öffentlichkeit, Campus-Verlag, Frankfurt Main 2015

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