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Zum Kapitalismus keine Alternative

Mit der Finanzkrise ist vor allem eines verloren gegangen: Vertrauen. Dabei ist für das Bankensystem gerade jenes Vertrauen die Grundvoraussetzung dafür, dass sich Banken untereinander Kredite vergeben bzw. Anleger Finanzmittel für Investitionen bereitstellen. Ohne gegenseitige Kenntnis voneinander kann Vertrauen aber nicht entstehen – das trifft vor allem Privatpersonen. Denn für die meisten privaten Sparer, Aktien- und Fondsanleger offenbart sich die aktuelle Finanzkrise als undurchsichtiges Buch mit sieben Siegeln. Um neues Vertrauen für den Finanzmarkt aufbauen zu können, brauchen wir deshalb vor allem mehr Transparenz und einen verständlichen Einblick in die schier unendlichen Weiten des globalisierten Finanzmarktes. Als gelungenen Beitrag hierzu geben wir einige Auszüge aus den Expertengesprächen des Handelsblattes vom 25. September 2008 wieder.

Ist das Schlimmste der Finanzkrise überstanden?

„Vorbei ist es noch lange nicht. Dafür wurde in den letzten Monaten einfach zu viel Vertrauen an den Märkten zerstört. Es wird sehr schwer werden, das zu reparieren. Außerdem ist nach wie vor nicht klar, welche Risiken noch in den Büchern der Geldhäuser versteckt sind. Einige Banken werden sicherlich noch Probleme bekommen“,

sagt Rolf Tilmes, Lehrstuhlinhaber für Finanzen und Vermögensmanagement an der European Business School.

Sollte der Staat notfalls für Fehler der Finanzbranche geradestehen?

„Wir sollten jetzt nicht puristisch sein. In der derzeitigen Situation ist es das kleinere Übel, wenn der Staat eingreift und das Finanzsystem stabilisiert. Sonst sind nicht nur die Banken, sondern auch die allgemeine Wohlfahrt in Gefahr. Im Anschluss muss man sich Gedanken über eine neue Regulierung der Finanzmärkte machen, ohne gleich Kritik am Kapitalismus anzustimmen. Es gibt dazu keine Alternative“,

sagt Udo Steffens, Vorstandsvorsitzender und Präsident der Frankfurt School of Finance & Management.

Welche Auswirkungen hat die dramatische Entwicklung für Deutschland?

„Deutschland kommt vergleichsweise gut weg. Das hängt damit zusammen, dass die deutschen Banken mit ihrem Geschäftsmodell viel breiter aufgestellt sind als die großen amerikanischen Investmentbanken. Banken mit einer relativ breiten Kundenbasis gehören zu den Gewinnern“,

sagt Richard Stehle, Professor der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Banken und Börse an der Humboldt-Universität Berlin.

Welche Lehren lassen sich aus der Krise ziehen?

„Das alte Wall-Street-Modell der Investmentbanken, immer mehr mit immer komplexeren Produkten zu verdienen, hat ausgedient. Die Branche wird sich an alte Stärken, etwa das klassische Einlagengeschäft, erinnern. Risikoaspekte werden künftig viel wichtiger genommen werden. Und man wird sich mehr Gedanken über seinen Handelspartner machen, ehe man Geschäfte mit ihm abschließt“,

sagt Rolf Tilmes.

Was ist das Besondere im Vergleich zu früheren Krisen?

„Wir erleben ein größeres Erdbeben als nach dem 11. September 2001. Damals erschütterte ein Terrorangriff die Märkte, heute liegt der Fehler im System. Deshalb geht die Krise tiefer. Das Fehlverhalten von hunderten Personen hat zu der Krise geführt. Banken und Versicherungen müssen jetzt einen „internen Reinigungsprozess“ durchlaufen. Sie sollten nicht die gleichen Leute weiterbeschäftigen“,

sagt Andreas Oehler, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Finanzwirtschaft an der Universität Bamberg.