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Über allen Gipfeln ist Ruß! Warte nur, bald ruhst du auch!

Mit dem Klimawandel ist es wie mit der Vormacht von Bayern München in der Fußball-Bundesliga: Denjenigen, die beides nicht wahrhaben wollen, gehen immer mehr die Argumente aus. Umso wichtiger sind die UN-Klimakonferenzen. Dass die dort teilnehmenden Klimadiplomaten allerdings ständig nur heiße Luft erzeugen, ist nicht richtig. Da ist sich Nick Reimer sicher. Allerdings bezweifelt er die Ernsthaftigkeit der Politik und fordert, dass Bürgerbewegungen weltweit den Klimawandel zu ihrem Thema machen. Nick Reimer: Schlusskonferenz –Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie, Oekom-Verlag, München 2015

Nick Reimer: Schlusskonferenz –Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie, Oekom-Verlag, München 2015„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“, formulierte einst treffend Karl Valentin, der Komiker. Der Autor und Journalist Nick Reimer ist im Fall der Klimaverhandlungen anderer Meinung. Was ihre Zukunft betrifft, gibt es für ihn nur zwei Optionen: „Scheitern oder nicht.“ Wenn sich also im November dieses Jahres die Klimadiplomaten, die Staats- und Regierungschefs in Paris zur Klimakonferenz der Vereinten Nationen treffen, und es ihnen nicht gelingt, ein Paris-Abkommen zu verabschieden, um das Problem der Erderwärmung zu lösen, dürfte sich – so Reimer – „die Klimadiplomatie in die Bedeutungslosigkeit manövriert“ haben. Zwar werde es dann weiterhin Klimagipfel geben – denn zur jährlichen Einberufung haben sich die Vertragsstaaten 1992 verpflichtet. Allerdings sei es nicht zu erwarten, dass diese Konferenzen jemals eine Lösung für das Klimaproblem liefern werden. Zudem wäre jede moralische Legitimität mit einem Scheitern in Paris verloren, ist sich Reimer sicher.

Zeitraubender und schwieriger Job für Klimadiplomaten

Seit 1995 haben 20 sogenannte Conferences of the Parties (COP) stattgefunden, und stets war Reimer dabei, um die UN-Klimakonferenzen zu beobachten – angefangen vom euphorischen Aufbruch der ersten COP 1995 in Berlin (mit Konferenzpräsidentin Angela Merkel, die damals Bundesumweltministerin war) und zwei Jahre später der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls über die Konferenzen in Buenos Aires, Den Haag, Bonn, Marrakesch, Johannesburg und Neu-Dehli bis zu den Meetings in Mailand, Montreal, Nairobi, Bali, Kopenhagen (aufgrund seines Scheiterns auch „Floppenhagen“ genannt), Rio, Doha („Sinnbild des Klimaproblems und der Kultur des menschlichen Wahnsinns“) oder auch Lima. In seinem Buch „Schlusskonferenz – Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie“ beschreibt Reimer nun ebenso kritisch wie fair die teils qualvollen, teils frustrierenden Erlebnisse und Ergebnisse der Treffen – ohne es je am Respekt für die Klimadiplomaten fehlen zu lassen. Denn für Reimer machen sie „einen zeitraubenden und schwierigen Job“ und werden „viel zu oft geschmäht und im Stich gelassen werden – von uns allen“.

Es geht in erster Linie nicht um CO2, sondern um Dollar

Die Verhandlungspartner stünden vor allem deswegen stets unter Druck, weil sie entscheiden müssten, welche Länder die Atmosphäre zukünftig wie stark belasten dürften. Oft scheitere eine faire Einigung am Veto der Politik. „Dass auf den Klimagipfeln die Reduktion der Treibhausgase verhandelt wird, ist ein weitverbreiteter Irrtum“, schreibt Reimer. In erster Linie ginge es um Wirtschaftskraft, aber auch um Wachstum, Geld und letztlich auch Schuld. „Es ist vor allem der Norden, der das Klima verändert“, zitiert Reimer den damaligen Chef des UN-Umweltprogramms, Klaus Töpfer. „Aber“, so meinte Töpfer 2001, „es sind die Länder des Südens, die die Folgekosten des Klimawandels zahlen. Das ist eine ökologische Aggression des Nordens gegen den Süden.“ Töpfers Forderung: Die Klimadiplomatie müsse Wege finden, die Länder finanzielle auszugleichen.

Auch Reimer ist sich sicher: Tatsächlich verhandeln die Konferenzteilnehmer seit Jahren nicht wirklich über die Reduktion des CO2-Ausstoßes, sondern eher über Zahlungsmodi, über Banken und Geld – „zum Beispiel über den Anpassungsfonds, der Entwicklungsländer dabei unterstützen soll, sich an die Folgen der Erderwärmung anzupassen.“

Die Geschichte der Klimakonferenzen kann noch lange dauern – ohne jede Aussicht auf Erfolg. Die Experten sind sich einig, dass die Klimadiplomaten in ihren Verhandlungen nur dann erfolgreich sein können, wenn die Öffentlichkeit von ihren Regierungen endlich sinnvolle Ergebnisse und Maßnahmen einfordert. Dieses Bürger-Engagement kann nur gelingen, meint Reimer, wenn weltweit Menschen von der Öffentlichkeit mobilisiert werden: „Wenn eine Bürgerbewegungen von unten Druck ausübt, dann greifen die Medien das auf, und dann wird auch die Politik folgen – das ist eine Schleife, die sich selbst verstärkt.“

Fazit

Ein notwendiges Buch zu einem Thema, dem immer mehr Menschen achselzuckend gegenüberstehen – eben weil die Bemühungen zur Lösung des weltweiten Klimaproblems so vergeblich zu sein scheinen. Lesen!