Buchkritik, Steuern und FinanzenTagged

Das Märchen vom faulen Erben

Wer erbt, hat es nicht verdient; oder er hat Schwein gehabt; oder wird bald zu einem Schwein, denn Geld versaut – solche und ähnliche Anfeindungen gegen Erben gehen Gerd Maas gehörig auf die Nerven. In seinem neuen Buch beschäftigt er sich ausführlich mit Fragen, warum Erben gerade nicht ungerecht ist. Sein Werk ist ein kräftiger Schuss gegen alle, die auf Teufel komm raus staatliche Umverteilung wollen. Gerd Maas: Warum Erben gerecht ist – Schluss mit der Neiddebatte, Finanzbuchverlag, München 2015

Manche Fragen gehen Gerd Maas auf die Nerven. Zum Beispiel die: „Ist es gerecht, dass manche, ohne zu arbeiten, viel Geld kriegen und dafür kaum Steuern zahlen?“ Solche Fragen stellt die Journalistin Julia Friedrichs, Autorin des Buches „Wir Erben. Was Geld mit Menschen macht“. Die Behauptung, dass geerbtes Geld etwas mit Menschen mache, sei absurd, meint Maas. „Menschliche Charaktere sind komplexer, als das sie allein durch Erbschaften und Schenkungen verändert werden könnten“, ist er sich sicher.

Wer nun glaubt, Maas sei selbst Sohn eines reichen Konzernmoguls und argumentiere allein aus einer feudalen Haltung heraus, irrt. Dem Familienvater, Publizisten und selbstständigen Unternehmer aus dem Mittelstand geht es zunächst einmal darum, die ständigen Anfeindungen, die aufkommen, wenn es um das Thema Erben geht, mit ebenso nüchternen wie treffsicheren Argumenten zu entkräften – und damit die ansonsten meist durch Missgunst und Neid beeinflusste Debatte um Gerechtigkeit des Erbens zu versachlichen. Sein nun erschienenes Buch „Warum Erben gerecht ist – Schluss mit der Neiddebatte“ ist dazu ein wertvoller und unterhaltsamer Beitrag.

Leistung und Verzicht als Grundlage des Familienvermögens
Tatsächlich sind für viele Deutsche ständige Anfeindungen gegen das Erben genauso gesellschaftsfähig wie in Indien lautes Rülpsen nach dem Essen. Letztlich macht aber genau diese Haltung heute jede ernsthafte Diskussion um die Gerechtigkeit des Erbens unmöglich. Schon die Behauptung „des leistungslosen Erwerbs beim Erben“ ist für Maas unbegründet und reine Unterstellung. „Erben haben in sehr vielen Fällen mit konkreten Leistungen und Verzichten zur familiären Vermögensbildung beigetragen“, sagt er. Viele Unternehmensgeschichten seien ohne eine breite, unentgeltliche familiäre Unterstützung undenkbar und damit unrealisierbar gewesen. Vor allem pauschal von „Leistungslosem Vermögen“ zu sprechen, hält er für reine Stimmungsmache. Bei Erben von Familienunternehmen gebe es eine Verantwortungsübertragung mit entsprechenden Erwartungen und Vorarbeit in der Familie. „Leistungslosigkeit steckt da sicherlich nicht dahinter“, sagt Maas.

Die Kritik vieler Erbschaftssteuerjäger richte sich zudem viel zu stark auf Firmenerben von besonders großem Vermögen. Das sei nicht nachzuvollziehen. Denn diese Perspektive werde in keiner Weise der Wirklichkeit der deutschen Wirtschaft gerecht. Im Gegenteil. Die Firmenlandschaft in der Bundesrepublik sei eher kleinstrukturiert. Die steuerpflichtigen Fälle aus dem Jahr 2013 zeigten, dass über 50 Prozent ausschließlich Zahlungen bis 51.000 Euro ausmachten. Die Summe zwischen 500.000 Euro bis fünf Millionen Euro mache 6,6 Prozent der steuerpflichtigen Fälle aus. Von den Beträgen, die über fünf Millionen Euro hinausgingen, seien nur 0,5 Prozent der Fälle betroffen.

Zweifellos existierten auch leistungslose Erbschaften, meint Maas. Es gebe aber eben auch viel mehr solche Erbschaften, „die mehr als verdient sind“. Eine Erbschaftssteuer, egal welcher Höhe, ist für den Autor deswegen „eine Buße aller für die angenommene Leistungslosigkeit“ einzelner Erben. „Sehenden Auges wird damit in Sippenhaft Leistung bestraft. Und genau das ist letztlich leistungsungerecht“, schreibt Maas.

Wachsende Umverteilung führt zum gesellschaftlichen Verfall
Der Autor schlägt in seinem Buch einen Bogen über die Vermögensfrage und die viel debattierte Ungleichheit in der Einkommensverteilung, über die „angeblich“ immer weiter aufgehende Schere zwischen Arm und Reich und über die Familie als subsidiäre Einheit, die Kultur und Kapitalbildung schafft, bis zum den feinen Unterschied zwischen Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit („Chancengleichheit ist ein totalitärer Albtraum mit gleichgehobelten Bürgern“) – und kommt in dieser Frage zu dem Schluss, dass Erben nur aus Populismus mit der Chancengleichheit in Verbindung gebracht wird. „Ein echter Zusammenhang besteht nicht.“ Seine Mahnung: Nicht das Erben führt zur Dekadenz, sondern die wachsende Umverteilung zu gesellschaftlichem Verfall. Mit zwei fatalen Folgen: Erstens, die Leistungsträger stehlen sich bei wachsender Belastung aus der Verantwortung. Zweitens, die Leistungsempfänger werden durch die Umverteilung von der Eigenverantwortung entwöhnt.

Es geht um das große Geld für den Staat. Maas rechnet vor: Zukünftig müssen sich die Unternehmer bei allen Erbschaften von Unternehmensvermögen über 26 Millionen Euro einer Prüfung unterziehen. Nur unter bestimmten Bedingungen wird das Vermögen noch steuerfrei bleiben. Für Maas ein untragbarer Zustand. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer sei eine doppelte Steuer auf gespartes Einkommen. Und das obwohl dieses ja bereits „mit den jeweils höchsten Grenzsteuersätzen der Einkommenssteuer belastet worden ist“. Aus vielen Gesprächen, die er mit Betroffenen geführt hat, lautet deswegen sein persönliches Fazit: „Das Geld ist ausreichend versteuert. Der Staat hat da nichts mehr zu suchen.“

Doch was wären die geeigneten Mittel, den Staat aus den Familienangelegenheiten raus zu halten? Maas wünscht sich eine viel stärkere öffentliche und aufgeklärte Diskussion und eine Bürgerbewegung, die auf Eigenverantwortung und -leistung setzt anstatt auf Neid und immer mehr Umverteilung.

Zwar fragt man sich als Leser, wie viele Bürgerbewegungen noch ins Leben gerufen werden müssen, um den immer wiederkehrenden Zumutungen der Politik entgegenzuwirken. Doch Maas ist sich sicher: „Die Bürgerbewegung ist eine vertrauensbildende Maßnahme der Eigenverantwortlichkeit. Ein Erfolgsmodell des Wohlstands für alle.“

Fazit
Ein gelungenes Buch, das mutig gegen den Strich bürstet und damit so manche Vorurteile als solche entlarvt – unaufgeregt und unterhaltsam in der Sprache, pointiert und sachlich in seiner Argumentation. Vor allem gelingt es dem Autor, den für die Debatte über die Gerechtigkeit des Erbens typischen Zynismus herauszunehmen – und das Thema auch für Außenstehende nahbar und griffig zu machen.

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter, abonnieren Sie unseren RSS-Feed oder unseren Newsletter.