Ordnungspolitik

Besser ohne moralische Überzuckerung: Weshalb der Facebook-Gründer weniger reden und mehr handeln sollte

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat angekündigt, fast sein gesamtes Vermögen in eine (seine) gemeinnützige Organisation zu überführen. Hinter der Gemeinnützigkeit vermuten viele eigennützige Motive. Doch die Kritik läuft ins Leere, weil Eigennutz legitim ist, auch im Stiftungswesen.

Das philanthropische Engagement von Superreichen kommt nie wirklich gut an. Immer gibt es Nörgler. Sei es Bill Gates, Warren Buffet oder jüngst der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der 99 Prozent seiner Firmenanteile einem „guten Zweck“ zuführt – die Kommentare aus Politik und Gesellschaft fallen regelmäßig säuerlich aus. Die Stifter und Spender könnten sich den öffentlichen Undank ersparen, wenn sie sich die moralischen Überzuckerungen und Begründungsversuche verkniffen. Im Rahmen der geltenden Gesetze sind sie frei, mit ihrem Vermögen zu tun, was sie wünschen. Das muss genügen.

Erstens glaubt den Zuckerbergs dieser Welt ohnehin kaum jemand, dass es ihnen tatsächlich um den „guten Zweck“ geht. Die Philanthropie gilt als besonders raffiniertes, nachgerade heimtückisches Marketing und nicht etwa als Zeichen persönlicher Moralität oder der unternehmerischen Wahrnehmung einer „ordnungsethischen Verantwortung“. Nie ist das „Opfer“ groß genug, um die Lauterkeit der Motive zu beweisen – als ob gutes Handeln erst dann das Ehrensiegel der Moralität erringen könnte, wenn der Stifter in Sack und Asche geht. Das miesepetrige Misstrauen, dass Geschäftsinteresse und Gemeinwohl – was auch immer das genau ist – zwangsläufig miteinander kollidieren, sitzt tief. Auch wenn es in der Summe unbegründet ist, wie die großartige wirtschaftliche Fortschrittsgeschichte der Menschheit zeigt, ist es seit Jahrtausenden in den Köpfen fest verankert. Daran haben auch die Aufklärung und insbesondere die Einsichten des schottischen Moralphilosophen Adam Smith über das Wirken der „unsichtbaren Hand“ vor knapp 250 Jahren wenig geändert. Dieser Affekt wird sich nicht so schnell beseitigen lassen; womöglich gar nicht.

Zweitens profitieren alle Philanthropen von einer für sie günstigen steuerlichen Behandlung. Wenn jeder Cent, den Superreiche spenden oder stiften, ihre Steuerlast reduziert, ist ihre Spendierlaune nicht nur kein Wunder – womit die edle Tat rasch schon wieder ganz profan und egoistisch aussieht. Sie bedingt darüber hinaus auf dem Gebiet der jeweils relevanten Gebietskörperschaft auch noch eine interpersonelle Umverteilung. Statt in die im politischen Prozess beschlossenen Staatsausgaben einzugehen, fließen die entsprechenden Beträge nun in die vom Philanthropen persönlich ausgesuchten Zwecke. Damit gibt es zwangsläufig Menschen, die sich betrogen fühlen. Wer ihnen zu Recht verständlich machen will, dass der Gesetzgeber diese Umverteilung offenbar gewollt hat und dass sie ohnehin keinen legitimen Anspruch auf die Mittel anderer Mitbürger haben, wird ordentlich Mühe haben.

Drittens ist die Formel, man wolle „der Gesellschaft endlich etwas zurückgeben“, schon aus ökonomischer Sicht blanker Unsinn. „Die Gesellschaft“ ist nur ein abstraktes Kollektiv, und sie hat Bill Gates, Warren Buffett und Mark Zuckerberg nichts gegeben, was nun mit einem Vielfachen zu vergelten wäre. Diese Geschäftsleute haben allenfalls vom steuerfinanzierten Gemeingut der günstigen Institutionen der Vereinigten Staaten profitiert wie viele andere Menschen auch. Sie haben etwas aus sich gemacht, besonders geschickt investiert oder ein rund um den Globus gefragtes Produkt erdacht. Da ist keine Rechnung offen.

Viertens kommt jeder Philanthrop mit der Auswahl dessen, was er fördert, in die Küche des Teufels „öffentliche Meinung“. Ist ein Internetanschluss wirklich das, was die Menschheit dringend braucht? Woher meint Zuckerberg zu wissen, wie eine bessere Bildung aussieht? Ist es tatsächlich moralisch vertretbar, Frauen in Entwicklungsländern dahingehend zu „erziehen“, dass sie entgegen dem ausdrücklichen Wunsch ihrer Männer verhüten? All diese Diskussionen über heikle ethische Fragen gibt es zwar auch schon über die Inhalte staatlicher Politik; das Missbehagen ist gegenüber privaten Wohltätern aber deshalb so besonders groß, weil keinerlei demokratische Mitbestimmung vorgesehen ist. Dass eine solche alle moralisch falsche oder schädliche Politik verhindern könnte, ist freilich nur ein Gerücht.

Fünftens ist das Argument, das philanthropische Engagement der Superreichen stelle ein notwendiges Gegengewicht zum notorisch dysfunktionalen demokratischen Prozess dar, nichts als fahrlässige intellektuelle Spielerei. Sicher leiden alle demokratisch legitimierten Regierungen unter den systemischen Schwächen, die aus der ökonomischen Public-Choice-Theorie bekannt sind, und in der Demokratie tendiert der Staat zur Selbstaufblähung. Doch daraus lässt sich noch lange nicht der korrosive Schluss ziehen, dass eine Machtverlagerung hin zu den Reichen per se eine gute Idee ist und diese für das Gemeinwesen in der Summe die bessere Arbeit leisten. Das kann im Einzelfall so sein, muss es aber ganz und gar nicht.

Statt sich in moralischer Selbststilisierung und in fadenscheinigen Nützlichkeitsdiskursen zu verheddern, sollten jene Superreichen, die in die Gesellschaft hineinwirken können und wollen, unbeirrt einfach tun, wie und was ihnen beliebt und wovon sie überzeugt sind. Es ist ihr Eigentum, nicht das Geld der Steuerzahler, das sie verausgaben; sie brauchen nichts zu begründen oder zu rechtfertigen. Es ist unerheblich, ob dieses Tun ihrem Geschäftsinteresse im engeren Sinne entspringt oder zweifelsfrei davon abgekoppelt ist. Natürlich muss es im Rahmen der Gesetze bleiben – so viel Primat der Politik muss dann doch sein. Aber darüber hinaus kann man es ihnen und ihrer erprobten unternehmerischen Spürnase getrost überlassen herauszufinden, was funktioniert, was daneben geht und was auf Gegenwehr stößt. Wie auf dem Markt auch. In einer freien Gesellschaft müssen sie das nicht begründen.

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