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Die Europäische Zentralbank sät Zwietracht in Europa

Die jüngste Senkung der Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank erntet vor allem in Deutschland viel Kritik. Andere Länder freuen sich hingegen über die niedrigen Zinsen. So spaltet der geldpolitische Kurs der EZB Europa.

Die jüngste geldpolitische Entscheidung der Europäischen Zentralbank trifft in Deutschland auf Unverständnis. Dort hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass die ultra-lockere Geldpolitik die schwelende Krise nicht lösen kann, sondern längst anderen Zielen folgt. Die Europäische Zentralbank betreibe eine gigantische Umverteilungspolitik zugunsten der Euro-Krisenländer, kommentiert die FAZ.

Der Mechanismus ist einfach: Da sich Zinssenkungen und Wertpapierkäufe der Zentralbankbilanz nicht mehr wie früher in den Konsumentenpreisen, sondern in den Vermögenspreisen niederschlagen, kann Zentralbankpräsident Mario Draghi so viel Staatsanleihen kaufen, wie er will. Die Inflation steigt trotz der immensen Ausweitung der Zentralbankbilanz nicht. Klamme Regierungen und marode Banken können notwendige Reformen auf die lange Bank schieben.

In vielen südlichen Ländern des Euroraums, die sich viele Jahrzehnte von der Inflationsangst der Deutschen gegängelt sahen, dürften deshalb letzten Donnerstag die Korken geknallt haben. In den Maastricht-Verträgen war die Europäische Zentralbank noch nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank gestrickt worden. Jetzt nähert sie sich hinter dem Feigenblatt der zu geringen Inflation dem Zentralbankmodell an, das in vielen Ländern vor Maastricht der Finanzierung von Staatsausgaben diente.

Außerhalb Deutschlands ist man weniger besorgt. Zwar stiegen in Frankreich oder Italien vor Maastricht die Preise schneller als in Deutschland, doch sorgten starke Gewerkschaften für Lohnerhöhungen. Durch die Abwertung der Währungen gegenüber der Deutschen Mark holte man sich ein Stück der Wohlstandsgewinne aus dem wachstumsstarken Norden ab. Ihre Ersparnisse sicherten die Bürger der Hochinflationsländer durch Immobilienbesitz. Der Wohlstand wuchs in Frankreich und Italien ähnlich schnell wie in Deutschland. Warum sollte man also über Draghis Geldpolitik besorgt sein?

Doch die Inflationsoptimisten irren, weil es kein Wachstum mehr gibt, das zu verteilen ist. Mit den Leitzinsen bei oder unter Null hat die Geldpolitik die Allokationsfunktion des Zinses zerstört, die renditeträchtige Investitionen und schlechten trennt. Dies verleitet Anleger und Unternehmer zu Spekulation, statt nach Innovation und Effizienz zu streben. Die Folge: Die Produktivitätsgewinne tendieren gegen Null. Da Produktivitätsgewinne aber die Grundlage für reale Lohnerhöhungen sind, können die Löhne im Durchschnitt kaum mehr steigen.

Zu allem Überfluss macht die sehr expansive Geldpolitik noch die Reichen reicher, weil sie Aktien- und Immobilienpreise nach oben treibt. Hingegen drückt die schwelende Krise die Lohn- und Zinseinkommen der mittleren und unteren Einkommensschichten. Hinzu kommt, dass innerhalb des Eurogebietes keine Abwertungen mehr möglich sind und auch andere Länder wie Japan und China eine Abwertungsstrategie betreiben. Wohlstandsgewinne durch Abwertungen sind damit ausgeschlossen.

Es bleiben nur die hohen deutschen Ersparnisse als Manövriermasse. Sowohl die Europäisierung der Einlagenversicherung als auch negative Zinsen auf Staatsanleihen und Spareinlagen zielen darauf ab mit dieser Reserve Zombiebanken, Zombieunternehmen und Zombiestaaten eine Weile am Leben zu erhalten. Doch das Abschmelzen der Ersparnisse wird von den Bürgern bewusster wahrgenommen als die früheren Abwertungen und die Einkommen steigen für viele nicht mehr wie früher.

Das alles trübt die Stimmung in der Europäischen Union. Einerseits wird die immer aggressiver vorangetriebene Staatsfinanzierung durch die EZB das Wachstum weiter lähmen. Dies wird auch für Deutschland gelten, sobald die Immobilienblase platzt, die derzeit noch die ultra-lockere Geldpolitik ebenso wie Lohnerhöhungen nährt. Andererseits erzeugt die Geldpolitik in allen Ländern wachsende Ungleichheit, die immer deutlicher eine politische Polarisierung nach sich zieht.

Auf diesen konfliktträchtigen Boden sät Draghi weitere Zwietracht, indem er sinnlos von den Sparern des Nordens zu den maroden Banken und Staaten des Südens umverteilt. Es würde dem Frieden in der Europäischen Union dienen, wenn er diesen Plan besser heute als morgen fallen ließe.

Literatur:

Schnabl, Gunther: Wege zu einer stabilitäts- und wachstumsorientierten Geldpolitik aus österreichischer Perspektive. Listforum für Wirtschafts- und Finanzpolitik 41 (2016), 2, 263-289

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