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Dagmar Schipanski: Europäischen Ordnungsrahmen neu justieren

Die Botschafter der INSM verbreiten mit ihrem ehrenamtlichen Engagement die Botschaft der Sozialen Marktwirtschaft. In der Serie "Vier Fragen an..." beantworten die Botschafter Fragen rund um die Marktwirtschaft. In diesem Post: Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Dagmar Schipanski.

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1) Frau Schipanski, warum setzen Sie sich für die Soziale Marktwirtschaft ein?

Ich habe 40 Jahre unter den Bedingungen der Sozialistischen Planwirtschaft gelebt und verspürt, was Volkseigentum, Ausschalten des Marktes und der ideologisch motivierte Irrglaube, alles und jedes in einer Gesellschaft könne geplant und organisiert werden, bewirken kann: Zusammenbruch des DDR-Regimes!

Das Volk setzte Mangelwirtschaft, Versorgungslücken, Umweltverschmutzung und Misswirtschaft durch die friedliche Revolution von 1989 ein Ende.

Die Soziale Marktwirtschaft hat in den letzten 25 Jahren ermöglicht, dass wir in den neuen Ländern heute blühende Landschaften haben mit neu gebauten Autobahnen, Schienenwegen, einer modernen Infrastruktur, Gewerbegebieten, restaurierten Städten und Dörfern, neu erbauten Krankenhäusern, Schulen, Forschungseinrichtungen. Als wesentlich ist hierbei für mich, dass Soziales gleichberechtigt neben der Marktwirtschaft steht, was sich bei uns insbesondere durch die Bindung der vielen neu entstandenen KMU’s an die Region ausdrückt. Denn Soziale Marktwirtschaft bedeutet Rückbindung von Wirtschaftskraft an soziale Leistung bei voller Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen, des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers. Freude an der Innovation, Nutzung von Forscherkraft, höchste Arbeitsqualität bei gesicherten sozialen Standards, das ist für mich Soziale Marktwirtschaft und ich erachte sie als Ordnungsmodell für das Vereinte Europa als verbindliche Voraussetzung und setze mich dafür ein.

2) In welcher Verfassung befindet sich aktuell die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland?

Die Soziale Marktwirtschaft als Ordnungsrahmen ist nach wie vor die entscheidende Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands als Exportweltmeister und für unsere gesellschaftliche Stabilität und unseren Wohlstand, die derzeit Millionen von Flüchtlingen aus der ganzen Welt anziehen.

Die Entwicklung der letzten Jahre, insbesondere die Auswirkungen der Globalisierung, die zu einem immer engeren Zusammenrücken der Regionen in der Welt geführt hat und damit auch eine stärkere gegenseitige Abhängigkeit bewirkt, erfordert komplexere Regelsysteme und hat damit Auswirkungen auf die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland. Ebenso ist das Zusammenwirken in Europa neu zu durchdenken und effektiver zu regeln.

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Die Finanzkrise verbunden mit einem aggressiveren Gebaren von Finanzhaien, Skandale im Spitzenmanagement deutscher Großunternehmen, haben in den letzten Jahren viel Vertrauen zerstört. Gerade letztere haben in der Bevölkerung den Eindruck erweckt, hoch bezahlte Manager arbeiteten weniger für das Wohl ihrer Firma, sondern mehr für ihr Eigenes. Unter dem Stichwort „Turbokapitalismus“ werden die negativen Auswüchse dieses Systems zusammengefasst, der Abgasskandal bei VW ist ein aktuelles Beispiel. Aber wir haben in Deutschland eine Vielzahl von Familienunternehmen und KMU’s, die sich den Werten der sozialen Verantwortung verpflichtet fühlen und deren Ziele sich gerade nicht in ökonomischer Effizienz erschöpfen. Sie stellen 80 Prozent aller Arbeits- und Ausbildungsplätze in Deutschland uns stehen für 60 Prozent aller hierzulande getätigten Investitionen. Hinzu kommen in einzelnen Regionen junge Start-ups, die in großer Zahl aus Forschungseinrichtungen hervorgegangen sind. Auch bei Jungunternehmern ist der Gedanke des Gemeinwohls verankert. Dennoch beunruhigt mich, dass viele Arbeitnehmer nur befristete Arbeitsverträge erhalten, sodass ihre langfristige soziale Absicherung nicht gewährleistet ist. Das wird zu sozialen Spannungen führen.

3) Wenn Sie den Ordnungsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft ändern könnten: Was würden Sie konkret tun?

  1. Der europäische Ordnungsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft muss neu justiert werden. Er darf sich nicht auf Verordnungen und Vorschriften für einzelne Produkte beschränken, sondern der Zusammenhang von Markt, wirtschaftlicher Effizienz und Sozialleistungen muss im europäischen Maßstab neu definiert werden.
  2. Fördermaßnahmen für die Wirtschaft sollen im Gesamtzusammenhang gesehen werden, damit nicht einseitige Bevorzugung zu Schieflagen führen (Beispiel erneuerbare Energien um jeden Preis).
  3. Es gilt nach wie vor: „Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft.“ Deshalb würde ich Start-ups, die auf neuen Technologien aufbauen, stärker fördern. Damit wird der Übergang unserer gesamten Wirtschaft in die digitale Welt stark unterstützt, denn diese Start-ups bieten sehr häufig moderne digitale Dienstleistungen an.
  4. Der Ordnungsrahmen für moderne Arbeitsplätze muss neu definiert werden (Time-Sharing, 24 Stunden Verfügbarkeit durch elektronische Verknüpfung, Heimarbeitsplätze, Kommunikation zwischen Mitarbeitern auf verschiedenen Kontinenten), damit das „Ausbrennen“ einer ganzen Generation gestoppt wird.

4) Welche drei Bücher über die Soziale Marktwirtschaft empfehlen Sie?

 

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