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Für mehr Wettbewerb: Die Ministererlaubnis gehört abgeschafft

Die Aufregung und öffentliche Diskussion zum Übernahmeversuch von Kaiser's Tengelmann durch Edeka zeigt: Die Ministererlaubnis als Instrument der Wirtschaftspolitik ist nicht mehr zeitgemäß. Sie gehört abgeschafft.

Die Unabhängigkeit der Kartellbehörden ist eine wettbewerbspolitische Errungenschaft, die durch die Ministererlaubnis eingeschränkt wird. Eigentlich müsste das Instrument noch um eine unabhängige Kommission ergänzt werden, die alle Gesetze, die im Deutschen Bundestag verabschiedet werden, vorab auf ihre wettbewerbspolitischen Wirkungen untersucht und dann eine Empfehlung dazu abgibt. Denn gerade in der globalisierten Wirtschaft können Entscheidungen nicht mehr isoliert betrachtet werden. Dafür bedarf es einer fundierten wissenschaftlichen Analyse. Die Geschichte der Ministererlaubnis zeigt, dass es nur sehr wenige Entscheidungen gab, die am Ende auch juristisch Bestand hatten.

Noch dramatischer fällt die ökonomische Evaluation der Ministererlaubnis aus. Nicht nur verstößt sie gegen jeden wettbewerbspolitischen Grundsatz, weil damit in jedem Fall die Marktmacht der Antragsteller gestärkt und die Wettbewerbsfähigkeit kleinerer Unternehmen geschwächt wird. Sie befördert geradezu ein ähnliches Versagen der Wirtschaftspolitik wie in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Die Lehren aus dem Fehlen einer wirtschaftspolitischen Ordnung, respektive einer Wettbewerbsordnung, schienen in der jungen Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg gezogen. Die Grundordnung der sozialen Marktwirtschaft sah und sieht die Sicherung des Wettbewerbs als vorrangig und unabhängig von politischen Entscheidungsträgern vor. Dies wird u.a. deswegen als notwendig erachtet, weil die Problematik ausufernder Wirtschaftsmacht, der zunehmende Einfluss von Interessengruppen und die fehlende „neutrale“ Überwachung der Wirtschaftsordnung den ökonomischen Niedergang der Weimarer Republik mindestens begünstigt haben. Die Sichtweise und die Interessen der von einer Ministererlaubnis mittelbar betroffenen Wirtschaftsteilnehmer finden weder in der Antragstellung, noch in einer Genehmigungsbegründung angemessene Berücksichtigung. Wenn also, wie im aktuellen Beispiel der Fall, ein wesentliches Argument der Genehmigung der vermeintliche Erhalt von Arbeitsplätzen bei mindestens einem Antragsteller ist, dann fehlt die Erwähnung der Tatsache, dass dies in einem Verdrängungswettbewerb zwangsläufig zu Arbeitsplatzverlusten bei anderen, ökonomisch eigentlich gesünderen Wettbewerbern führen wird. Wenn zeitgleich die deutsche Landwirtschaft den Verfall der Agrarpreise, insbesondere der Milchpreise beklagt, dann ist ein wesentlicher Treiber dieses Preisverfalls die Marktmacht der großen Handelsketten. Diese Tatsache findet auch keine Erwähnung bei der Ministererlaubnis. Darüber hinaus haben auch die Konsumenten den Preis der Marktmacht zu bezahlen. Der genehmigende Minister ist zu der Zeit aber schon nicht mehr im Amt. Eine unabhängige Wettbewerbsbehörde als einzige Entscheidungsinstanz ist notwendig, um diesen in der öffentlichen Diskussion ungehörten Betroffenen und damit dem Gesamtinteresse ein angemessenes Gehör zu verschaffen.

Seit dem Jahr 1974 gab es insgesamt 22 Anträge auf Ministererlaubnis nach § 24 Abs. 3 / § 42 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Weniger als die Hälfte der Anträge wurde positiv beschieden. Zahlreiche Anträge wurden durch den öffentlichen Druck zurückgenommen. Einige Anträge wurden nur mit Auflagen und / oder Nebenstimmungen bewilligt. Die letzte Erteilung ohne Auflagen erfolgte bei dem Uniklinikum Greifswald und dem Kreiskrankenhaus Wolgast im Jahr 2008. Das Universitätsklinikum Greifswald hatte damals die Anteilsmehrheit an dem Kreiskrankenhaus Wolgast übernommen. Begründet wurde die Entscheidung mit dem langfristigen Erhalt und der nachhaltigen Profilierung von medizinischer Fakultät und angegliedertem Universitätsklinikum der Universität Greifswald sowie dem Ausbau des Forschungsschwerpunktes der Community Medicine der medizinischen Fakultät. In der Schlussbegründung des Wirtschaftsministerium hieß es: „Zwar sind die Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkung für den räumlich relevanten Markt unmittelbar und gravierend. Dafür wiegt die vom Wissenschaftsrat festgestellte Gefährdung von medizinischer Fakultät und Universitätsklinikum besonders schwer. Mit einem (faktischen) längerfristigen Niedergang der medizinischen Fakultät und ihres Uniklinikums wären viele konkrete und derzeit noch nicht absehbare negative Folgen für die gesamte strukturschwache Region Vorpommern und bundesweit verbunden.“

Hingegen wurde die Übernahme von Ruhrgas durch E.ON im Jahr 2002 nur unter strengen Auflagen genehmigt. So musste sich der fusionierte Konzern von einigen Beteiligungen trennen sowie im Auktionsverfahren mehrere Milliarden Kilowattstunden Erdgas an Wettbewerber abgeben, um so die negativen Wettbewerbswirkungen zu verringern. Begründet wurde die Erteilung der Ministererlaubnis damit, „dass der Zusammenschluss der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen auf den internationalen Energiemärkten und der langfristigen Sicherung unserer Energieversorgung dient. Mit Hilfe der verschärften Auflagen wird sich auch der Wettbewerb in der deutschen Gaswirtschaft zum Wohle der Gasverbraucher weiter entwickeln.“

Sich über die Empfehlung der Kartellbehörden hinweg zu setzen, muss gut begründet sein. Und für einen Minister gibt es hierbei keine einfache Antwort: Sich für die Ministererlaubnis zu entscheiden führt immer dazu, dass sich Mitbewerber auf dem Markt öffentlich äußern, den amtierenden Bundeswirtschaftsminister für seine Entscheidungen kritisieren und eine negative Medienbetrachtung herstellen. Wiederum führt eine einfache Zustimmung zu der Empfehlung der Kartellbehörden immer dazu, dass Kritik von den Unternehmen artikuliert wird, die sich zusammentun wollen. Auch dies führt zu negativer öffentlicher Wahrnehmung. Daher sollte der Wirtschaftsminister von der Last befreit werden. Die Ministererlaubnis gehört abgeschafft.

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