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Bundesratsinitiative zur Grundsteuerreform: Ein Weg aus der Sackgasse

Der Bundesfinanzhof hat geurteilt: die gegenwärtige Form der Grundsteuer ist verfassungswidrig. Mit einer Bundesratsinitiative der Bundesländer Hessen und Niedersachsen kommt nun neuer Schwung in den Reformprozess. Die Lösung könnte indes einfach sein.

Am 23. September haben die Länder Hessen und Niedersachsen eine Bundesratsinitiative eingebracht. Mit dieser Initiative soll ein erster Schritt hin zu einer überfälligen Reform der Grundsteuer vollzogen werden. Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die gegenwärtige Grundsteuer, die auf Einheitswerten von 1964 (West) bzw. 1935 (Ost) basiert, für verfassungswidrig. Die Entscheidung über entsprechende Vorlagebeschlüsse (1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14 sowie 1 BvL 1/15) durch das Bundesverfassungsgericht wird in Kürze erwartet. Möglicherweise lässt sich das Bundesverfassungsgericht ein wenig Zeit, um dem Gesetzgeber vorweg die Möglichkeit einer Korrektur zu geben.

Das Gesetzesvorhaben der Länderfinanzminister beschränkt sich einstweilen auf die Reform des Bewertungsgesetzes; die eigentliche Reform – nämlich die des Grundsteuergesetzes – wurde einstweilen verschoben. Dennoch ist schon die Novellierung des Bewertungsgesetzes umstritten. Die Kritiker, die sich v.a. in der Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“organisiert haben, monieren die Einbeziehung des Gebäudes in die Bemessungsgrundlage. In einer vom Verfasser durchgeführten exemplarischen Fallanalyse für eine südwestdeutsche Kleinstadt (veröffentlicht im Betriebsberater 35/2016) bewegten sich die für Wohngrundstücke so ermittelten steuerlichen „Kostenwerte“ (so die Bezeichnung für die neue Bemessungsgrundlage) für Wohngebäude zwischen 55 und 181 Prozent der Verkehrswerte. Nach den Maßgaben des BFH sollte die grundsteuerliche Bemessungsgrundlage jedoch die Relation der Verkehrswerte widerspiegeln. Somit besteht der Verdacht, dass die neuen „Kostenwerte“ (für Grundvermögen) ähnlich gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstoßen wie die alten Einheitswerte.

Ein weiteres Problem ist die Zeitschiene: Hält das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz für verfassungswidrig, räumt es normalerweise dem Gesetzgeber eine Frist von drei Jahren zur Nachbesserung oder Neufassung ein. Damit wäre auch diesmal zu rechnen. Allerdings würde die Neubewertung auf Grundlage des aktuellen Gesetzesantrages mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen; während dieser Zeit müsste auf die vermutlich verfassungswidrigen Einheitswerte weiterhin zurückgegriffen werden. Es wäre schon sehr einzigartig, wenn das Bundesverfassungsgericht eine derart lange Aufrechterhaltung eines verfassungswidrigen Zustandes dulden würde (nur, damit dieser dann von einer anderen vermutlich verfassungswidrigen Regelung abgelöst wird!). Würde das Bundesverfassungsgericht aber die Grundsteuer aussetzen, droht die drittwichtigste Einnahmenquelle der Kommunen zu versiegen.

Eine einfache und gleichzeitig elegante Lösung könnte in einer rasch einzuleitenden Reform des Grundsteuergesetzes bestehen. Hierin könnte bestimmt werden, dass separate Steuermesszahlen einerseits auf die Grundstücks- und andererseits auf die Gebäudekomponente bei gleichzeitiger „Regionalisierung“ (also einer autonomen Festsetzung durch die Bundesländer) angelegt werden können. Bis die Bewertungsarbeiten – frühestens in 2027 – vollendet sind, könnten auf dieser Basis die Steuermesszahlen für die Gebäude vorläufig auf Null gesetzt werden. Die bodenbezogene Bemessungsgrundlage ist mit dem Bodenrichtwert hingegen unproblematisch; sie liegt flächendeckend über das Gutachterausschusswesen vor und ist übrigens grundsätzlich für jedermann in den BORIS-Systemen abrufbar. Nach vorläufiger Vollendung der Bewertungsarbeiten in 2027 stünde den Ländern dann die Modifikation ihrer (gebäudebezogenen) Steuermesszahl offen: Beispielsweise könnte das Saarland seine Gebäudemesszahl auf Null belassen, während NRW eine positive Messzahl für das Gebäude einführt. Beide Länder könnten auf dieser Basis in Wettbewerb zu einander treten – die Grundsteuer ist ohnehin das finanzpolitische Vehikel des Wettbewerbsföderalismus schlichthin.

Auf diesem Wege ließe sich wahrscheinlich auch ein Teil der Kritiker des gegenwärtigen Vorschlages zumindest besänftigen. So fordert die Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ als Gegenmodell zum „Kostenwert“ eine rein boden(wert-)bezogene Steuer. Erstaunlicherweise wurden diese Vorschläge bei den Verhandlungen der Finanzminister übergangen, obwohl von Adam Smith über Milton Friedman bis hin zu Joseph E. Stiglitz eine Bodenwertsteuer positiv beurteilt wurde. Ein Grund dafür bestand darin, dass die Diskussion von sachfremden Erwägungen geprägt wurde – so v.a. die Position der Bundesländer im Finanzausgleich. Dementsprechend sinnvoll wäre es, die Grundsteuer bei der Bestimmung der Finanzkraft im Rahmen der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs herauszunehmen. Ansonsten würden eine Regionalisierung der Steuermesszahlen und ein damit verbundener Wettbewerbsföderalismus sicher stark erschwert. Sowohl die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs wie auch die Novellierung des Grundsteuergesetzes geschehen am besten zeitlich parallel.

Ein ursprüngliches, vom 6.4. datierendes internes Papier der Länderfinanzminister deutete tatsächlich den aufgezeigten Weg an. Hiervon blieb allerdings im aktuellen Gesetzesantrag (Begründung zu § 231 BewG-E) nicht mehr als ein gleichermaßen verschwurbelter wie kryptischer Satz übrig: „Verfahrensrechtlich kann die Differenzierung in Grundstücksgruppen dazu beitragen, eine länderspezifische Messzahlendifferenzierung für die Wertkomponenten des Grund und Bodens sowie die Nutzungsart zu ermöglichen.“ An dieser Stelle wäre im nunmehr laufenden Verfahren zur Novellierung des Bewertungsgesetzes nachzuarbeiten und ausdrücklich im Gesetzesantrag auf die hier dargestellten Möglichkeiten hinzuweisen.

Der hier aufgezeigte Weg ist ein Gebot der ökonomischen Vernunft – ob diese Berlin tatsächlich erreicht, ist jedoch zweifelhaft.

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