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Replik: Warum die Kosten der Energiewende so hoch sind

Die Energiewende kostet 520 Milliarden Euro bis 2025. Das ist das Ergebnis der Studie "Kosten der Energiewende" des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomik (DICE) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ergeben. Die Kostenschätzung falle zu hoch aus, sagen Kritiker und monieren Annahmen der Studie. Eine Replik von Studienleiter Prof. Dr. Justus Haucap.

  1. Kritikpunkt: In den zugrundeliegenden Strompreisen wären die Brennstoffkosten, die Preise für CO2-Zertifikate, die Kosten der Kohleverstromung und ähnliches nicht enthalten.

In den Börsen-Strompreisen sind die Kosten der konventionellen Stromerzeugung enthalten, denn konventionelle Erzeuger bieten Strom nur dann am Markt an, wenn der erzielbare Preis ihre Kosten deckt. In den Strompreisen sind auch alle Brennstoffkosten, Preise für CO2-Zertifikate etc. enthalten, denn die konventionellen Anbieter werden ihren Strom gar nicht anbieten, wenn sie diese Kosten nicht decken können. Führt die EEG-Förderung nun aber dazu, dass die bereits bestehenden Kraftwerke unrentabel werden und abgeschrieben werden müssen oder durch weitere Subventionen, zum Beispiel sogenannte Kapazitätsmechanismen, gefördert werden, erhöht dies die Kosten der Energiewende sogar.

Ob die Preise für fossile Brennstoffe bis 2025 wirklich steigen, ist nur schwer abschätzbar. Ähnliche Prognosen haben sich zumindest in der jüngsten Vergangenheit stets als falsch erwiesen. Angesichts des hohen Potenzials für Gas-Fracking, auch außerhalb der USA, ist eher vom Gegenteil auszugehen, insbesondere weil die Kosten für Fracking-Technologien drastisch gesunken sind.

  1. Kritikpunkt des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE): Der zugrunde gelegte Strompreis von 2,5 Cent pro Kilowattstunde ist zu niedrig.

In unsere Studie gehen wir in der Tat von einem niedrigen Strompreis aus, die aktuellen Future-Preise sind jedoch nicht weit davon entfernt.

An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass selbst bei einem recht hohen Strompreis von 4,5 Cent pro Kilowattstunde die Belastung durch das EEG nur um 35 Milliarden Euro sinken würde. Das heißt Ende 2025 würden sich die Kosten der Energiewende auf insgesamt 485  statt 520 Milliarden Euro belaufen. Und selbst bei einem Preis von 6 Cent pro Kilowattstunde wären es insgesamt nur rund 60 Milliarden Euro weniger. Im letzten Fall wären es dann in den nächsten zehn Jahren rund 6 Euro weniger pro Einwohner und Monat, aber immer noch mehr als 31 Euro pro Monat und Einwohner und rund 125 Euro für eine vierköpfige Familie im Monat.

Ein Strompreis von durchschnittlich 60 Euro war allerdings auch vor der Energiewende für die Energieversorgungsunternehmen kaum zu realisieren, sieht man einmal von den Hoch-Zeiten des Oligopols ab, als Bundeskartellamt und EU-Kommission auch gleich ermittelt haben. Werden 4,5 Cent pro Kilowattstunde unterstellt, so belaufen sich die Kosten der Energiewende weiterhin auf fast 500 Milliarden Euro bis Ende 2025.

  1. Kritikpunkt: Die Zusammenstellung verzichtet auf ein Referenzszenario, das die Kosten der fossilen Energieerzeugung in Relation setzen würde

Richtig ist, dass im Rahmen der Studie die absoluten Kosten der Energiewende, insbesondere jedoch die des in Deutschland implementierten Fördermechanismus, im Fokus stehen. Ein Referenzszenario, das die Kosten der fossilen Energieerzeugung in Relation zu den Kosten der Energiewende beziehungsweise des EEG stellt, ist nicht zielführend, da die Energiewende politischer Konsens ist, eine energiepolitische Kehrtwende ist daher eher unwahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund sollte die Frage daher eher lauten: Gibt es kostengünstigere Fördermechanismen als das EEG? Die Frage ist mit „ja“ zu beantworten. Laut einer Studie des Rheinisch-Westfälisches Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) aus dem Jahr 2012 wäre der Ausbau Erneuerbarer Energien bis 2020 mit Hilfe eines nationalen Quoten- beziehungsweise Zertifikatemodells deutlich kostengünstiger als mittels des EEG.

  1. Kritikpunkt: Der Emissionshandel würde keine Wirkung entfalten

Die Behauptung der Kritiker, dass der Emissionshandel keine Wirkung entfalte, ist falsch. Das ausgegebene Ziel, die CO2-Menge EU-weit um jährlich 1,74 Prozent abzusenken, wird voll erreicht, nur viel billiger als erwartet. Im Gegensatz dazu sind die CO2-Emissionen in Deutschland, trotz Solarboom etc., heute – auch im Energiebereich – noch immer auf dem Stand von 2009. Das ist angesichts der Kosten der Energiewende äußerst problematisch. Jährlich werden viele Milliarden für die Erreichung der Klimaziele ausgegeben, aber der CO2-Ausstoß stagniert aufgrund der fehlenden Rückkopplung des deutschen Alleingangs mit dem europäischen Emissionshandelssystems EU-ETS.

  1. Kritikpunkt: Nutzen der Energiewende wird verschwiegen

Die CO2-Emissionen sind heute auf demselben Stand wie 2009. Der Nutzen kann also nicht in einer Absenkung der Treibhausgasemissionen liegen, welche wegen der mangelnden Rückkopplung mit dem Emissionszertifikatehandels ohnehin nicht stattfindet. Andere gesamtwirtschaftliche Vorteile sind spekulativer Natur. Wie etwa die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) der Bundesregierung festgestellt hat, sind durch das EEG keine nennenswerten Innovationen angereizt worden, die nicht auch durch eine andere Förderung entstanden wären.

Anders ausgedrückt sind die Möglichkeiten des EEG, die CO2-Emissionen zu reduzieren, sehr beschränkt, da der CO2-Ausstoß primär über die EU-weite Obergrenze für Treibhausgasemissionen gesteuert wird. Vielmehr führt die Erhöhung des Stromanteils aus Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch zu sinkenden CO2-Zertifikatepreisen. Dadurch können Marktteilnehmer CO2-Zertifikate günstiger erwerben, anstatt in die Entwicklung von CO2-sparsameren Produktionsabläufen zu investieren oder bereits vorhandene CO2-Vermeidungsmaßnahmen zu implementieren (vgl. Wissenschaftlicher Beirat, 2004, S. 6ff.)

In Bezug auf die Versorgungssicherheit sei darauf hingewiesen, dass mit der Stilllegung zahlreicher konventioneller Kraftwerke aufgrund ihres Alters oder der sinkenden Wirtschaftlichkeit die gesicherten Erzeugungskapazitäten in Deutschland zurückgehen. Sie können nicht gänzlich durch die EE-Anlagen substituiert werden, da die Stromerzeugung aus EE-Anlagen witterungsabhängig und damit äußerst volatil ist. Um die Stromversorgung zu sichern, wird Deutschland immer häufiger auf Stromimporte aus dem Ausland angewiesen sein – mit möglichen Konsequenzen für die Versorgungssicherheit, insbesondere zu Spitzenlastzeiten. Mit einem stärkeren Zubau konventioneller Erzeugungskapazitäten ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen eher nicht zu rechnen (vgl. KIT, 2012, S. 146f).

Ferner sind die Übertragungsnetzbetreiber gezwungen im Zuge der Umsetzung der Energiewende immer öfter in die Fahrpläne der Kraftwerksbetreiber einzugreifen beziehungsweise Redispatch-Maßnahmen zu ergreifen, um die Systemstabilität zu gewährleisten beziehungsweise Black-Outs zu vermeiden. Abhilfe kann in diesem Zusammenhang nur der rasche Ausbau der Übertragungsnetze schaffen.

Sollte der BEE mit dem Nutzen der Energiewende beziehungsweise des EEG etwaige positive Beschäftigungseffekte der Förderung meinen, so ist darauf hinzuweisen, dass der Nettoeffekt der Förderung beziehungsweise des Ausbaus Erneuerbarer Energien laut der aktuellen Studienlage zumindest für Deutschland nicht eindeutig ist. Ferner sind die in Deutschland entstandenen Arbeitsplätze teuer erkauft. Dies gilt vor allem für die Solarbranche. Dort wird jeder Arbeitsplatz im Schnitt mit rund 290 000 Euro durch das EEG subventioniert (vgl. Frondel & Schmidt, 2010).

  1. Kritikpunkt: Ein Teil der Kosten für den Übertragungs- und Verteilungsnetzausbau wären auch ohne die Energiewende angefallen.

Die Kosten des Übertragungs- und Verteilungsnetzausbaus werden sich Ende 2025 voraussichtlich auf gut 55 Milliarden Euro belaufen. Ein sehr großer Teil dieser Kosten wird durch die Energiewende verursacht. Daran hegt auch die Bundesnetzagentur keine Zweifel. Die Höhe der Kosten, die Netzbetreiber für die turnusgemäße Erneuerung von Netzbetriebsmitteln aufgrund von zum Beispiel Verschließerscheinungen aufwenden müssen, ist bereits Teil der heutigen Netzentgelte, welche von der Bundesnetzagentur nachhaltig kalkuliert werden, also Abschreibungen und Instandhaltungsinvestitionen beinhalten.

  1. Kritikpunkt: Kosten einer fossilen Stromproduktion werden nicht gegenübergestellt

Das EEG hat aufgrund der fehlenden Kopplung mit der europäischen Obergrenze für Treibhausgasemissionen keine Reduktion des CO2-Ausstoßes bewirkt. Die Kosten der CO2-zertifikatepflichtigen Kohleverstromung sind im Börsenpreis für Strom enthalten und können daher nicht zweimal von den EEG-Auszahlungen abgezogen werden. Einmal werden sie bereits abgezogen, da nur die Differenz zwischen EEG-Vergütung und Strompreis als Kosten des EEG gezählt werden, das heißt mit dem Strompreis werden indirekt die Kosten der Kohleverstromung schon abgezogen und somit berücksichtigt.

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