— Mario Draghi, 18. Januar 2017
Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat am vergangenen Mittwoch in einem Brief Neues zum Ausdruck gebracht: Im Falle eines Austritts eines Landes aus der Eurozone seien die Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber der EZB vollständig zu begleichen. Grund für diese Feststellung Draghis war eine Anfrage zweier italienischer EU-Parlamentarier, die der europakritischen Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo angehören. Draghis Worte können als Warnung verstanden werden, dass ein Austritt für den italienischen Steuerzahler teuer würde. Das Defizit der Banca di Italia im intra-europäischen Zahlungssystem Target-2 beläuft sich auf immerhin 363 Milliarden Euro (Stand November 2016). Das entspricht knapp 50 Prozent der Staatsausgaben im einem Jahr.
Was noch mehr überrascht: Mario Draghi bezieht sich nicht nur auf die Verbindlichkeiten, sondern auch auf die Forderungen im Target-System. Deshalb können seine Ausführungen als Anreiz für Überschussländer gesehen werden, aus der Eurozone auszutreten. Die Deutsche Bundesbank hält derzeit circa 720 Milliarden Euro an Target-Forderungen gegenüber der EZB, die sie so fällig stellen könnte. Das sind immerhin 8.750 Euro für jeden deutschen Bürger. Diese Einmalzahlung würde den Austritt aus der Währungsunion quasi versüßen. Ein weiteres Überschussland sind die Niederlande, wo am 15. März 2017 ein neues Parlament gewählt wird. Dort könnte die von Geert Wilders geführte Partei für die Freiheit im Wahlkampf mit einer Austrittsprämie von 27.300 Euro für eine vierköpfige Familie werben.
In Deutschland war es bisher hinter vorgehaltener Hand ein starkes Argument für den Euro-Verbleib, dass die Deutsche Bundesbank aufgrund der Ungleichgewichte im europäischen Zahlungssystem hohe Verluste realisieren müsste. Die Aussagen Draghis deuten darauf hin, dass dies nicht zwingend der Fall sein muss. Ob der Präsident der Europäischen Zentralbank allerdings auch die immensen Target-Forderungen Deutschlands als rückzahlgesichert sieht, ist nicht bekannt.
Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter, abonnieren Sie unseren RSS-Feed oder unseren Newsletter.