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Eamonn Butlers „Wie wir wurden, was wir sind″: Undogmatische Einführung in den Liberalismus

Philosophische und ideengeschichtliche Einführungswerke gibt es wie Sand am Meer. Es sind tatsächlich so viele, dass sogar der Bedarf an einführender Literatur in den Klassischen Liberalismus gedeckt schien. Bis Eamonn Butler „Classical Liberalism. A Primer“ schrieb.

Dieses Buch lohnt sich zu lesen, unabhängig davon, ob man bereits mit dem Klassischen Liberalismus vertraut ist oder nicht, philosophisch vorgebildet oder weniger interessiert, ob man alt oder jung ist. Auch die Sprache muss nicht länger ein Hindernis sein, denn vor wenigen Tagen ist im Finanzbuchverlag die deutsche Übersetzung unter dem Titel „Wie wir wurden, was wir sind. Einführung in den Klassischen Liberalismus“ erschienen.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich „Wie wir wurden, was wir sind“ nicht von anderen Einführungswerken. In Kapiteln über Freiheit, Moral, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft werden jeweils die grundlegenden Herausforderungen dieser Felder skizziert und liberale wie nicht liberale Antworten darauf diskutiert. Butlers Argumentation ist dabei angenehm undogmatisch, ohne es aber an Klarheit fehlen zu lassen. Das wird gerade bei der Darstellung zentraler Argumente und unterschiedlicher Positionen innerhalb des liberalen Spektrums deutlich, sodass das Buch seinem Anspruch, eine Einführung in den klassischen Liberalismus zu bieten, in ausgezeichneter Weise gerecht wird.

Ergänzt wird die Darstellung durch Literaturhinweise und kurze Steckbriefe wichtiger liberaler Denker und einer liberalen Denkerin – auch was das Geschlechterverhältnis der behandelten Personen betrifft, ist dieses Buch nicht ungewöhnlich. Doch sobald man anfängt zu lesen, muss man schnell feststellen, dass ansonsten wenig an ein philosophisches oder ideengeschichtliches Buch erinnert.

Eamonn Butler vermeidet alles, was Bücher dieses Typs oft unattraktiv macht. „Wie wir wurden, was wir sind“ ist weder trocken noch unverständlich, es ist weder detailverliebt, noch ist es so abstrakt geschrieben, dass es erst weiterer Bücher bedarf, um die Bedeutung des Geschriebenen verstehen zu können.

Stattdessen – und das ist das Besondere an dieser Einführung – gelingt Butler das Kunststück, uns den Klassischen Liberalismus wie eine Familiensaga näher zu bringen. In diesem Buch zu lesen ist so, als blätterte man in einem Familienalbum. Zugegeben, die Bilder fehlen, aber dafür ist der Text umso plastischer. Man fühlt sich ein bisschen, als säße man neben der Großmutter auf dem Sofa, während sie ihren Enkelkindern von Onkel Richards (Cobden) heldenhaften Kämpfen erzählt, komplizierte Verwandtschaftsverhältnisse erläutert (in den Kurzportraits am Ende des Buches) oder die Gründe für einen generationenalten Streit unter verschiedenen Familienzweigen erklärt (unter anderem vergleicht Butler leichter Hand die zentralen Motive von Friedman, Hayek und Nozick oder zeigt unterschiedliche Ansätze im Umgang mit illiberalen Gruppen auf).

Als altersweises Familienoberhaupt ist die Großmutter dabei viel zu klug, um zu urteilen und sich auf eine Seite zu schlagen. Vielmehr weiß sie genau, dass die Gemeinsamkeiten die Unterschiede unter den Mitgliedern der klassisch liberalen Familie überwiegen – auch dieses Wissen kann sie wunderbar leicht, erzählerisch und doch präzise vermitteln. Daher überlässt sie es den Zuhörerinnen und Zuhörern, sich selbst ein Bild zu machen und zu entscheiden, wem die eigenen Sympathien gelten.

Genügend Stoff für diese erste Orientierung liefert „Wie wir wurden, was wir sind“ allemal. Obendrein motiviert es, sich auch mit den etwas kauzigeren, umständlicheren oder weit entfernt lebenden Mitgliedern der liberalen Familie auseinanderzusetzen, sprich nicht nur zu weiteren Überblickswerken, sondern auch zu dem einen oder anderen Originaltext zu greifen. Was wollte man sich von einer Einführung mehr wünschen?

Dank des Prometheus Instituts liegt dieses hervorragende Buch nun auch auf Deutsch vor. Das ist aus zwei Gründen erfreulich. Erstens macht die schöne Übersetzung von Clemens Schneider den Text einem weiteren Kreis von Leserinnen und Lesern zugänglich. Zweitens wurde das Buch um ein sehr lesenswertes Nachwort ebenfalls von Clemens Schneider zum klassischen Liberalismus im deutschen Raum ergänzt, das der Qualität des Originaltextes in nichts nachsteht. Vervollständigt wird der Band durch ein motivierendes Vorwort von Frank Schäffler. Es bleibt zu hoffen, dass dessen dort geäußerter Wunsch in Erfüllung geht und „Wie wir wurden, was wir sind“ dazu beiträgt, Selbstverantwortung und die Herrschaft des Rechts zu verteidigen.

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