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Rentenniveau: Warum es so bleiben sollte, wie es ist

Wenn das Rentenniveau eingefroren oder sogar erhöht wird, bürdet dies den finanziell ohnehin schon stark belasteten jüngeren Generationen weitere Zahlungspflichten auf. Profitieren würden die Älteren – die es eigentlich gar nicht nötig haben. // In einer vierteiligen Serie beleuchten wir, wie Politik auf Kosten der jüngeren Generation gemacht wird. Im vierten Teil geht es um die Anhebung des Rentenniveaus.

Mit dem Rentenniveau ist gut Politik machen: Dass es bis 2030 nach aktuellen Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums von heute gut 48 auf 44,5 Prozent sinken dürfte, klingt für sich genommen besorgniserregend. Deswegen mangelt es nicht an Forderungen und Vorschlägen, diesen vermeintlich programmierten Weg in die Altersarmut zu stoppen:

  • Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat in ihrem Ende November 2016 präsentierten Rentenkonzept vorgesehen, das Rentenniveau bis zum Jahr 2045 bei 46 Prozent zu halten. Allein um dies finanzieren zu können, müsste der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung laut Arbeitsministerium von heute 18,7 Prozent auf bis zu 25 Prozent steigen.
  • Kürzlich hat dieselbe Arbeitsministerin zusammen mit ihrem Parteivorsitzenden Martin Schulz jenes Rentenkonzept vorgestellt, mit dem die SPD in die Bundestagswahl ziehen will. Demnach soll das Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten werden und der Beitragssatz bei 22 Prozent. Die Rechnung reicht diesmal zwar nur bis 2030, aber schon in den letzten drei Jahren dieses Szenarios wäre ein jährlicher Rentenzuschuss aus Steuermitteln von rund 15 Milliarden Euro nötig.
  • Noch weiter gehen der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Sozialverband VdK: Sie fordern, das Rentenniveau sogar auf 50 Prozent heraufzusetzen.

Dass es beim Herumdoktern am Rentenniveau um wenig anderes geht, als Wahlgeschenke an die stark besetzten älteren Generationen zu verteilen, wird offensichtlich, wenn man sich vor Augen hält, was das sogenannte Sicherungsniveau vor Steuern aussagt: Es gibt nämlich an, wie hoch die sogenannte Standardrente nach 45 Beitragsjahren mit stets durchschnittlichem Verdienst ausfällt, und zwar – das ist der entscheidende Punkt – im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen aller Arbeitnehmer. „Sinkendes Rentenniveau“ ist also keineswegs ein Synonym für „steigende Altersarmut“, sondern bedeutet schlicht und einfach, dass die Renten künftig weniger stark steigen werden als die Bruttolöhne.

Eins aber ist sicher: Gekürzt werden die Renten nach derzeitiger Gesetzeslage nie – nicht einmal dann, wenn die Löhne sinken oder es durch ein extrem verschlechtertes zahlenmäßiges Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern laut Rentenanpassungsformel erforderlich wäre. Dies verhindert eine Schutzklausel in Sozialgesetzbuch VI.

Laut der Prognose im Rentenversicherungsbericht 2016 steigt die Bruttostandardrente von heute 1.395 Euro bis 2030 auf 1.844 Euro. Das entspricht einer Rentenerhöhung von im Schnitt 2,1 Prozent im Jahr – und aller Voraussicht nach reicht das, um die Kaufkraft der Renten mindestens auf ihrem heutigen Niveau zu halten.

Im Hinterkopf haben sollte man zudem, wie sehr sich die Lebensverhältnisse älterer Menschen in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren verbessert haben: Noch 1984 gehörte knapp jeder dritte über 65-Jährige zum untersten Einkommensfünftel, heute trifft dies nicht einmal mehr auf jeden fünften zu.

Soweit die eher undramatische Perspektive der Rentner. Doch wer über das Rentenniveau spricht, darf die andere Seite der Medaille – die Beitragssätze – nicht vergessen. Schon heute ist klar, dass der Rentenbeitragssatz bis 2030 auf 21,8 Prozent steigen muss, weil immer weniger Beitragszahler immer mehr Renten finanzieren müssen. Damit würde die gesetzliche Obergrenze für den Beitragssatz von 22 Prozent bis 2030 gerade noch eingehalten.

[renten-kampagne]

Den Beitragszahlern drohen daher in der Tat dramatische finanzielle Einbußen, wenn das Rentenniveau eingefroren oder sogar angehoben wird. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) würde schon ein bei 47,5 Prozent fixiertes Rentenniveau bis 2030 zu einem Beitragssatz von 23,5 Prozent führen. Ein Rentenniveau von 50 Prozent hätte sogar einen Beitragssatzanstieg auf 25 Prozent zur Folge. Was das in Euro und Cent bedeutet, hat das IW Köln für unterschiedliche Haushaltskonstellationen ausgerechnet:

Eine vierköpfige Familie mit sozialversicherungspflichtig beschäftigten Eltern muss – umgerechnet auf das heutige Durchschnittseinkommen – 2030 ohnehin schon 783 Euro mehr an die Rentenkasse zahlen als heute. Bei einem Rentenniveau von 47,5 Prozent stiege die jährliche Belastung dieser Familie um weitere 560 Euro, bei einem Rentenniveau von 50 Prozent um satte 980 Euro. Auf Basis dieses Zahlenbeispiels kann sich jeder Verfechter eines höheren Rentenniveaus überlegen, wie gerecht er es fände, wenn durchschnittliche Doppelverdiener-Familien von heute auf morgen jeden Monat fast 150 Euro mehr an die gesetzliche Rentenversicherung abführen müssten.

Zwei weitere Beispiele: Den Durchschnitts-Single würde die Anhebung des Rentenniveaus auf 50 Prozent nach heutigen Maßstäben 484 Euro im Jahr kosten, eine durchschnittliche Alleinerziehende mit einem Kind müsste mit 415 Euro weniger im Jahr auskommen – jeweils zusätzlich zu den Mehrkosten, die allein durch den absehbaren Beitragssatzanstieg für ein Rentenniveau von 44,5 Prozent anfallen. Dass höhere Sozialabgaben die Einkommenssteuerlast reduzieren, weil das zu versteuernde Einkommen niedriger ausfällt, ist schon gegengerechnet.

Zu bedenken ist zudem, welche unerwünschten Folgen höhere Beitragssätze für die Unternehmen haben können. Aufgrund der paritätischen Finanzierung der Rentenbeiträge würden ihre Arbeitskosten steigen – und wenn die nicht auf die Preise überwälzt werden können, drohen Umsatzeinbußen und der Abbau von Arbeitsplätzen. Das wiederum würde die Einnahmeseite der gesetzlichen Rentenversicherung – und damit die Beitragssätze – weiter unter Druck setzen.

Experimente mit dem Rentenniveau wären somit nur für jene Wähler ein Geschenk, die entweder schon in Rente sind oder kurz davor stehen. Zugleich kämen aber auf den arbeitenden Teil der Bevölkerung massive Mehrbelastungen zu. Generationengerecht geht anders.

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