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Zwischenruf aus der Praxis: Regulierung in der Autobranche oft realitätsfern

Während Autozulieferer ihre Prozesse immer weiter optimieren müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, stoßen sie bei bürokratischen Regelungen oft an ihre Grenzen. Das schadet nicht nur den Unternehmen, sondern auch den Arbeitnehmern. Ein Bericht aus der Praxis.

Viele Branchen haben in unserer Marktwirtschaft einen scharfen Wettbewerb. Die Auto­­­branche gehört zweifellos dazu. Im Geschäft mit den Erstausrüstern (also den Autoherstel­lern) müssen die Zulieferer große Stückzahlen zu einwandfreier Qualität liefern – und dann müssen sie mit den Marktpreisen klar­kommen, was eine besondere Herausfor­de­rung ist. Wenn ein Zulieferer mit einem Erstausrüster einen Vertrag über die Lieferung einer Kompo­nente schließt, so läuft dies anders ab, als ein Außenstehender meinen könnte. Denn zum einen vergehen zwischen Vertragsabschluss und Lieferstart gut drei Jahre. In dieser Zeit wird das Produkt bis ins Detail spezifiziert und entwickelt, es werden Muster gebaut, Tests auf Prüfständen und im Fahr­zeug durchgeführt etc. Zum anderen weist die vereinbarte Preis­kurve regelmäßig nach unten. Das heißt zum Beispiel, dass im Jahr nach dem Produktions­beginn ein Preis bei 100 liegt, dann aber Jahr für Jahr fällt, auf 98 und 95 und 93 oder so ähnlich.

Klar, dass die Zulieferer diese Preiskurve bei ihren Kosten nachfahren müssen, sonst würde der Ertrag sinken. Die Zulieferer versuchen natürlich, diese Preissenkungen an ihre Lieferan­ten weiterzugeben, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Und sie müssen die Kosten ihrer eigenen Wertschöpfung senken. Da gibt es Effekte, die zusätzlich belasten, so die Lohn­steige­rungen, steigende Energiepreise und anderes mehr. Und da gibt es Effekte, die helfen: Der Stückzahl-Hochlauf führt über die Fixkosten-Allokation zu geringeren Stück­kosten. Inno­va­tionen hel­fen, die Produkte einfacher zu gestalten, sie günstiger zu produzie­ren oder Pro­zesse zu ver­bessern, zum Beispiel neue IT-technische Lösungen in der Logistik.

Den Rest der Kostensenkung müssen die Zulieferer durch ständige Verbesserungen bei allen Kostenfaktoren erreichen. Betrachten wir die Personalkosten. Am Anfang prüfen die Firmen, ob es Aufgaben gibt, auf die man verzichten kann. Solche Potenziale zu finden ist ebenso attraktiv wie selten. Denn die Zulieferer haben solche Kostensenkungsprozesse mehrfach durch­laufen, die einfachen Lösungen wurden bereits gefunden. Man muss also immer stär­ker nach nicht naheliegenden Ansätzen suchen. Ein Beispiel ist die Flexibilität im Personal­ein­­satz. Oftmals gelten Regelungen, ob gesetzlich, tariflich oder betrieblich, die bei den Ar­beitgebern Kosten verursachen, ohne dass das Geld in den Taschen der Mitar­beiter landet.

Ein Beispiel ist die Frist, in der Produktionsschichten angesetzt oder abgesagt werden kön­nen. Dies ist betrieblich geregelt. Erfährt ein Unternehmen von einem Minderbedarf eines Kunden erst zwei Tage vor dem betreffenden Produktionstermin, muss es die Schichten aber eine Woche vorher gegenüber den Mitarbeitern absagen, so bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Produkte auf Halde zu produzieren. Dies führt zu höheren Lagerkosten oder auch zu Zusatzkosten für Ersatzverpackung u. a. m. Im Einzelfall sind die Zusatzkosten vielleicht nicht allzu hoch, geschieht dies häufiger, so summieren sich die Zusatzkosten doch zu erheblichen Beträgen.

Ein anderes Beispiel ist das Arbeitszeitgesetz. Es soll die Sicherheit und Gesundheit der Ar­beitnehmer gewährleisten, gilt im Übrigen – überraschend für ein Schutzgesetz – nicht für leitende Angestellte. Eine Regelung ist die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf zehn Stun­den unter der Prämisse, dass über einen längeren Zeitraum ein Durchschnitt von acht Stunden nicht überschritten wird. Auch für diese Regelung gibt es Ausnahmen. Sie sind aber nicht eindeutig geregelt und schaffen Unsicherheit in den Betrieben. Hinzu kommt, dass ein Verstoß gegen das Gesetz sogar als Straftat bewertet werden kann. In solchen Fällen kommen häufig erhebliche Mehrkosten zustande.

Ruhezeiten sind ein anderes Problem. Vorgeschrieben ist, dass nach der täglichen Arbeitszeit eine Ruhezeit von elf Stunden einzuhalten ist. Wird beispielsweise ein Mitarbeiter des Facili­ty-Managements nachts um 4:00 Uhr in die Firma gerufen, um eine Störung an einer Anlage zu beseitigen, und ist gegen 4:30 Uhr wieder daheim, so darf er erst elf Stunden später, also um 15:30 Uhr seine normale Arbeit antreten. Er fällt also fast den ganzen Arbeitstag aus, fehlt etwa bei ver­­einbarten Terminen und stört dadurch die betrieblichen Abläufe. Auch den Mitarbeitern passt diese Regel häufig nicht, denn sie müssen die Fehlstunden zu ungüns­tigen Zeiten am Abend oder gar am Wochenende nachholen. Verwiesen sei auch auf das immer häufiger praktizierte Home-Office, bei dem es ohnehin sehr schwierig ist, die Arbeits­zeiten in das enge Raster des Arbeitszeitgesetzes zu bringen.

Hier muss der Gesetzgeber praxisnah handeln und die Regeln an die sich ändernde Arbeits­welt und die Erfordernisse der Unternehmen anpassen. Er hat genug Spielraum dafür, ohne die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu beeinträchtigen.

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