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Mit Geld vom Staat gegen den Freihandel

NGO-Netzwerke bestimmen die öffentliche Debatte über TTIP und Ceta. Finanziert wird dies auch mit Steuermitteln. Eine Kritik.

Impulsiver und kompromissloser als je zuvor versucht eine kleine Anzahl von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die öffentliche Meinung zu Fragen der Globalisierung zu steuern. Vor allem in Deutschland und Österreich haben globalisierungskritische NGOs und ihnen nahestehende Umweltschutzorganisationen seit 2013 den Kampf gegen den Freihandel ausgerufen. Auf Kosten der geplanten Handels- und Investitionsabkommen der EU mit den USA und Kanada (TTIP und CETA) führen supervernetzte Aktivisten einen ideologischen Stellvertreterkrieg gegen multinationale Konzerne, nationale Regierungen und die Europäische Union.

Weniger bekannt ist, dass der federführende Kern der Anti-TTIP- und Anti-CETA-NGOs von staatlichen Institutionen seit 2013 mit mehreren Millionen Euro aus Steuermitteln finanziert wurde, etwa vom Bundesumweltministerium und der Entwicklungshilfe-Abteilung der Europäischen Kommission. Auffallend ist auch, wie ein Blick in ihre Vitae zeigt, dass die Wortführer der Kampagnenorganisationen beruflich fast ausnahmslos in politischen Parteien, staatlichen Institutionen, kirchlichen Organisationen, Gewerkschaften oder NGOs sozialisiert wurden. Allein dieser Fakt bedürfte einer eingehenderen kritischen Analyse, die in diesem Artikel nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geleistet werden kann. Bei den Institutionen handelt es sich fast ausschließlich um Institutionen, die nur von oder mit staatlicher Intervention „gut leben“ können.

Umfragen zeigen, dass die Zustimmung zu TTIP und CETA mit dem Aufkommen der Anti-TTIP-Bewegung in einigen Ländern Europas, insbesondere aber in Deutschland und Österreich im Zuge der vor allem im Internet geführten Kampagnen deutlich gekippt ist. Mit der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Donald Trump hat man TTIP nun zunächst ganz offiziell auf Eis gelegt. Das Handelsabkommen CETA wurde letztlich noch vom Europäischen Rat und auch vom Europäischen Parlament ratifiziert, muss aber noch viele nationale Hürden nehmen, auf die sich viele NGOs gegenwärtig einschießen.

Die Deutungshoheit über TTIP und später CETA in Politik und Medien war seit 2013 vor allem in Deutschland und Österreich extrem einseitig auf Seiten der Gegner. Zu diesem Ergebnis kommt eine von mir verantwortete Studie des Think-Tanks „European Centre for International Political Economy“ (ECIPE) unter dem Titel „Manufacturing Discontent: The Rise to Power of Anti-TTIP Groups“. Die Studie fußt auf einem bisher einzigartigen, umfassenden Datensatz, der mehr als 1500 TTIP-Veranstaltungen in Deutschland und zahlreiche Auswertungen verschiedener Online-Medien umfasst.

Die Rolle von Grünen und Linken

Einige Parteien der politischen Opposition in Deutschland haben die Diskussion über offene Märkte zur rigorosen politischen Profilbildung erschlossen – andere hingegen nicht. Die Wahlstände und Schaufenster von Grünen und Linken schmücken sich dieser Tage mit unübersehbaren „Stopp-CETA“- und „Stopp-TTIP“-Slogans. Wurde in den vergangenen drei Jahren in Deutschland nach „TTIP“ gegoogelt, landeten interessierte Schüler und verunsicherte Bürger automatisch auf einem von den Grünen bezahlten Link zum TTIP-Informationsportal „Die Grüne Position zu TTIP, CETA“ – platziert an oberster Stelle in den Suchergebnissen, gefolgt von kommerzieller TTIP-Werbung des Umweltinstituts München und den Kampagnen-NGOs Foodwatch und Greenpeace.

Es deutet sich bereits an, dass der anstehende Bundestagwahlkampf von Grünen und Linken auch auf deutliche Positionen gegen Freihandelsabkommen ausgerichtet sein wird.

Gemeinsam haben beide Parteien, deren politische Stiftungen (Heinrich-Böll-Stiftung und Rosa-Luxemburg-Stiftung), Gewerkschaften und befreundete Kampagnen-NGOs in den vergangenen drei Jahren bereits mehrere Millionen Euro in offensiv geführte Kampagnen gegen TTIP und CETA investiert. Deren Slogans und Positionen richteten sich im Kern gegen zeitgemäße Regeln für grenzüberschreitendes wirtschaftliches und staatliches Handeln – denn darum geht es bei CETA und TTIP, gerade auch vor dem Hintergrund drängender internationaler Herausforderungen.

NGO-Netzwerk gegen Freihandel

„TTIP tötet!“ „Stopp(t) TTIP!“ „TTIP ist eine Attacke auf unsere Demokratie!“ und „Tango gegen TTIP!“ – Die Slogans der Kampagnenmacher sind nicht nur kreativ. Sie sind vor allem manipulativ. Sie aktivieren bei Hörern und Lesern beständig moralisch negativ besetzte Denkmuster. Die für die Kampagnen entwickelten Banner und Positionspapiere zielten entsprechend nicht darauf ab, Menschen ausgewogen und faktenorientiert zu informieren. Sie sollten vor allem wenig informierten Bürgern ein negatives Verständnis von TTIP vermitteln. Dafür belegten die Kampagnenmanager selektiv ausgewählte Fakten mit Werten und Moralvorstellungen, die über verschiedene politische Lager hinweg gemeinhin als anstößig und ablehnenswert gelten.

Dabei profitieren die Kampagneninitiatoren von lange etablierten Netzwerken, zu denen verschiedene umweltpolitische Organisationen, Gewerkschaften und kirchliche Organisationen zählen. Diese wiederum, um politische Profilbildung, Spenden und Mitgliedsbeiträge bemüht, beteiligen sich an den Protestaktionen, indem sie beispielsweise die eigenen Mitglieder über E-Mail-Newsletter auffordern, Online-Petitionen leichtgläubig zu „unterzeichnen“. Sie suggerieren dabei nach außen häufig ein „Wir“ und damit bewusst die Botschaft, die Meinungsführerschaft zu haben.

Die deutschen Kampagnenorganisationen besetzten im Kampf gegen TTIP vor allem die Kommunikationskanäle des Internets. Das Online-Suchinteresse zu „TTIP“ war zwischen Januar 2013 und Juni 2016 in Deutschland 40 Mal höher als in den USA und 15 Mal höher als in Frankreich. Warum? Nicht etwa weil die Deutschen sachkundiger oder gemeinhin klüger sind als ihre europäischen Nachbarn. Tatsächlich wurden die deutschen Bürger – vermutlich vor allem die an Wirtschaftspolitik wenig interessierten, wenig informierten – seit Beginn der TTIP-Verhandlungen im Jahr 2013 unbewusst Opfer einer professionell orchestrierten Desinformationskampagne gegen TTIP, ursprünglich initiiert von einem schon länger bestehenden Netzwerk aus Attac Deutschland, dem Forum Umwelt und Entwicklung, der Kampagnenorganisation Campact und verschiedenen christlichen und umweltpolitisch motivierten Organisationen.

Öffentliche Dominanz der Anti-Freihandelskampagne

Die Protestaktionen gegen TTIP und später CETA wurden von Anfang an auch von den politischen Parteien Die Linke und – nach der für sie enttäuschenden Bundestagswahl im Jahr 2013 – Die Grünen aktiv unterstützt. Die Anti-TTIP- und Anti-CETA-Kampagnen fanden darüber hinaus einflussreiche Wortführer innerhalb der Parlamentarischen Linken und selbst innerhalb der Parteispitze der SPD.

Die Positionen der organisierten TTIP-Gegner dominierten nicht zuletzt aufgrund ihrer „geschlossenen Reihen“ über lange Zeit über 90 Prozent der Online-Medienberichterstattung über TTIP.

In der Folge ist die Aversion der Bürger gegenüber TTIP in den (besonders exportstarken) Ländern Deutschland und Österreich deutlich angestiegen, während die Menschen in den meisten anderen (exportschwächeren) Ländern Europas CETA und TTIP weiterhin begrüßen und für sich eher neue wirtschaftliche Chancen darin erkennen.

Damit nicht genug. Grüne, Linke und erklärte Anti-TTIP-Bündnisorganisationen bestimmten die Themen und Positionen in 60 Prozent aller TTIP-Informationsveranstaltungen, die zwischen Februar 2015 und Februar 2016 „offline“ in deutschen Vereinssälen, Gemeinderäumen und Volkshochschulen abgehalten wurden. Diese Zahl steigt gar auf über 75 Prozent unter Einbeziehung von Politikern der SPD. Die deutschen Sozialdemokraten unterstützten die Protest-Bündnisse zwar nicht offiziell. Prominente „TTIP-Experten“ der SPD zeigten allerdings eine unverkennbar ablehnende Haltung gegenüber den geplanten Freihandelsabkommen der EU sowohl mit Kanada als auch den USA.

Die Daten der ECIPE-Studie zeigen zudem: 46 Prozent aller auf den TTIP-Veranstaltungen aufgetretenen (selbsternannten) TTIP-Experten sind Vertreter erklärter Anti-TTIP-Bündnisorganisationen, die in den beiden Netzwerken „TTIPunfairhandelbar“ und „Stopp TTIP“ organisiert sind. Zum Vergleich: Vertreter aus Unternehmen und Unternehmensverbänden kommen auf 22 Prozent, Vertreter von politischen Parteien, die den Bündnisorganisationen nicht offiziell angehören, auf 23 Prozent.

Ein Blick auf die Top-50-Meinungsmacher suggeriert zudem ein extremes Ungleichgewicht zwischen den politischen Parteien einerseits und den diesen Parteien nahestehenden Organisationen andererseits: Unter den Top-50-Meinungsmachern in Deutschland finden sich elf Politiker der Grünen, zehn Vertreter von den Grünen nahestehenden NGOs, acht Politiker der SPD, sechs Politiker der Linken, sieben Vertreter von Gewerkschaften, sechs Vertreter von kirchlichen Organisationen, zwei Politiker der CDU und ein Politiker der FDP. 37 der Top-50-Redner sind erklärte TTIP-Gegner.

Ökonomische Interessen hinter der Kampagne

Viele Mitgliedsorganisationen der Anti-TTIP-Bündnisse „TTIPunfairhandelbar“ und „Stop TTIP“ teilen verschiedene ideologische Standpunkte. Einige agieren lediglich als Trittbrettfahrer. Letzteren ist gemein, dass sie von spezifischen – in der Regel wirtschaftlichen – Interessen geleitet sind und entgegen vieler offizieller Verlautbarungen gerade nicht im Gemeinwohlinteresse handeln. Bei vielen Protestorganisationen geht es im Kern um Macht – wirtschaftliche Macht, die sie durch bessere Anbieter sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland in Gefahr sehen. Gerade bei einigen augenfällig protektionistisch auftretenden Wirtschaftsinteressenverbänden, die sich dem Anti-TTIP-Bündnis angeschlossen haben, wird dies deutlich.

Der Deutsche Kulturrat etwa, der die Interessen der deutschen Kulturwirtschaft vertritt, spricht sich implizit gegen einen Wettbewerb der kulturellen Vielfalt und gegen innovative Kulturangebote ausländischer Kulturschaffender aus. Unter dem Deckmantel von Demokratie und öffentlicher Daseinsfürsorge verteidigt er enorme Subventionsprivilegien, die es so wie in Deutschland in anderen Ländern nicht gibt. Politisch bestens vernetzte landwirtschaftliche Interessenverbände kämpfen entgegen der Interessen der Verbraucher gegen die Öffnung einer von der EU und von den Mitgliedstaaten geschützten, hoch subventionierten Landwirtschaft für Landwirte aus dem Ausland.

Kirchliche Institutionen heben den moralischen Zeigefinger und verteidigen ihre Pfründe im Geschäft um die „regionale Daseinsfürsorge“, sprich: Krankenhäuser, Pflegedienste etc. Hier sind kirchliche Organisationen nicht selten marktdominierende Akteure und in vielen Regionen tonangebend gegenüber der Politik. Hinzu kommen Gewerkschaften, die auf der Suche nach neuen Themen sind, etwa der DGB und einige machtbewusste Spartengewerkschaften, allen voran die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Finanzstarke Netzwerke bis in die EU-Politik

Langjährige persönliche Kontakte und etablierte NGO-Netzwerke entfalteten eine enorme gesellschaftspolitische Schlagkraft. Das in Berlin ansässige, politisch den Grünen nahestehende Forum Umwelt und Entwicklung (FuE) rief mit der Kampagne „TTIPunfairhandelbar“ pauschal zum Stopp der TTIP-Verhandlungen und zu damit verbundenen Massenprotesten auf. Die Mitgliedsorganisationen des FuE, z. B. der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), der Deutsche Naturschutzring, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und das Hilfswerk der evangelischen Kirchen, Brot für die Welt, entfalteten die notwendige Multiplikator-Wirkung, indem sie eigene Mitglieder und Mitgliedsorganisationen explizit zur Pauschalverurteilung der TTIP-Verhandlungen anleiteten. Darüber hinaus wurde der Protest über verschiedene europäische Partnerorganisationen wie die EU-Ländersektionen von Attac und Friends of the Earth Europe (BUND) in andere europäische Länder getragen.

Das Forum Umwelt und Entwicklung möchte die Deutungshoheit darüber, was Deutsche und Europäer über TTIP zu denken haben. Es ist Träger der offiziellen Koordinierungsstelle des größten deutschen Anti-TTIP-Kampagnennetzwerks „TTIPunfairhandelbar“ und die zentrale Koordinierungsstelle der „selbst-organisierten“ Europäischen Bürgerinitiative „Stop TTIP“. Die Koordinierungsstelle „TTIPunfairhandelbar“ wurde gemäß dem Leistungsbericht des Deutschen Naturschutzrings von 2013 direkt durch das Bundesumweltministerium finanziert, was unmittelbar Fragen nach wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeitsverhältnissen aufwirft, zumal auch Mitgliedsorganisationen des Forums Umwelt und Entwicklung insgesamt jährlich Millionen Euro an Steuergeldern vereinnahmen.

Bei der Kampagnen-Organisation Campact, die 2004 von Attac-Mitgliedern gegründet wurde, entwickelte sich das Thema TTIP zur Millionen-Spendenmaschine.

Vereinnahmte finanzielle Mittel wurden großzügig auch an befreundete Organisationen weitergereicht. Campact überwies nicht nur mehr als 250.000 Euro an den Verein Naturfreunde e.V. zur Finanzierung von medienwirksamen Anti-TTIP-Demonstrationen in Berlin. Die deutsche Organisation Campact finanzierte 2015 mit Kalkül auch „Infrastruktur für politische Bildung“ bei Protestkampagnen-Organisationen in anderen europäischen Ländern:

  • Schweden (Stiftet, 70.000 EUR, Kampagne TTIP/CETA),
  • Polen (Fundacja Akcja Demokracja: 25.000 EUR, Organisationsaufbau),
  • Italien (Progressi: 50.000 EUR, Organisationsaufbau),
  • Irland (Uplift: 50.000 EUR, Kampagne TTIP/CETA)
  • Österreich (Aufstehn: 25.000 EUR).

Darüber hinaus wurde ActionStation in Neuseeland für den Aufbau einer Kampagne gegen TPP, das Transpazifische Handelsabkommen, mit 50.000 EUR unterstützt. Ein Beitrag in Höhe von 41.069 EUR wurde an die Organisation GetUp Ltd. in Australien geleistet. Das von den deutschen Wortführern oft vorgetragene Sprichwort „Dem Geld gehorcht alles“ bekommt vor diesem Hintergrund einen ganz anderen Geschmack. Und mit Blick auf die Aufrechterhaltung von Spendenzuflüssen gilt gleichwohl der Unternehmerspruch: Man muss Geld ausgeben, um Geld zu verdienen.

EU-Kommission finanziert NGOs

Die Rolle der Europäischen Kommission ist besonders undurchsichtig. Die EU-Kommission dürfte den meisten Beobachtern der TTIP-Verhandlungen lediglich als Verhandlungsführer bei den EU-Freihandelsabkommen und in gewisser Hinsicht auch als Opfer der Anti-TTIP-Kampagnen bekannt sein. Weniger bekannt ist, dass Teile der Europäischen Kommission die TTIP-Verhandlungen offensichtlich mit Kalkül bereits seit 2013 durch den Aufbau einer breit angelegten, steuergeldfinanzierten NGO-Gegenbewegung unterminierten.

Allen voran die Generaldirektion Entwicklungspolitik der EU-Kommission finanzierte über das niederländische Transnational Institute (TNI) bereits im Jahr 2013 das europäische Kernbündnis erklärter Anti-TTIP-NGOs, das maßgeblich von deutschen Organisationen gesteuert wurde. TNI-Vorstand Susan George, ehemalige Greenpeace-Funktionärin und Ehrenpräsidentin von Attac Frankreich (und Autorin des Buches „How to Win a Class War“), hat auf einer Anti-TTIP-Stakeholder-Konferenz im Europäischen Parlament im Dezember 2014 über das Abkommen gesagt: „TTIP ist ein sehr gefährliches Tier, ein Tier, dass es nicht verdient, in die Liste der bedrohten Tierarten aufgenommen zu werden. Es muss gestoppt werden. Absolut und vollständig.“ Insgesamt sind über verschiedene Kanäle seit 2013 etwa drei Millionen Euro europäischen Steuergeldes von der Europäischen Kommission an das TNI geflossen, wovon Mittel an verschiedene
Sub-NGOs fließen. Im Transparenzregister der EU-Kommission findet man dazu keine Details.

Besonders brisant ist zudem: Bereits im Jahr 2013 wurde zwischen der Europäischen Kommission und dem TNI explizit vereinbart, dass drei Millionen europäische Bürger, 100 EU-Parlamentarier, 200 Kandidaten für das Europäische Parlament, 600 NGOs und 2.000 Studenten formell für das Thema europäische Investitionspolitik sensibilisiert und für Internetkampagnen gewonnen werden sollten. Die vom TNI finanzierten Partner-NGOs bilden heute den harten Kern des europäischen Anti-TTIP-Bündnisses, das in Fundamentalopposition zu den TTIP-Verhandlungen steht. Nach Angaben der Europäischen Kommission ist eine Evaluierung des Projektes nicht vorgesehen.

Europaweiter Einfluss deutscher NGOs

Entgegen der in den Medien oft zitierten Behauptungen, die „selbst-organisierte europäische Bürgerinitiative gegen TTIP“ sei basisdemokratisch legitimiert, wurde die Initiative maßgeblich von deutschen Anti-TTIP-Gruppen gesteuert und kontrolliert. Mehr als ein Viertel der Unterstützerorganisationen der europäischen Initiative gegen TTIP haben ihren Sitz in Deutschland. 48 Prozent derjenigen, die mit ihrer Unterschrift die Initiative (online) offiziell unterstützen, sind Deutsche. Anders ausgedrückt: Von den 3,3 Millionen Unterschriften für die Initiative kamen 1,57 Millionen Unterschriften ausschließlich aus Deutschland. Zum Vergleich: Deutsche haben etwa einen Anteil von 15 Prozent an der Gesamtbevölkerung der EU. Die politische Stiftung der Linken, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, organisierte in vielen europäischen Ländern mit deutschem Steuerzahlergeld Schulungsworkshops für Anti-TTIP- und Anti-CETA-Aktivisten. Das ist den wenigsten bekannt. Die von den deutschen Kampagnen-Gruppen „selbst-organisierte“ europäische Bürgerinitiative gegen TTIP wird von diesen hingegen immer wieder als „objektiver Beweis“ für einen breiten europäischen Protest politisch instrumentalisiert.

Die gebetsmühlenartig wiedergekäute Behauptung der Kampagnenführer, die Initiative gegen TTIP sei basisdemokratisch legitimiert, erscheint vor dem Hintergrund der Dominanz der de facto federführenden deutschen Interessengruppen befremdlich. Die Hälfte der Unterzeichner waren Deutsche. Die Strippenzieher sitzen in Berlin. Sie möchten auch den europäischen Nachbarn deutsche Worte in den Mund legen. Und sie verkaufen der Öffentlichkeit die von ihnen gesteuerte europäische Bewegung als basisdemokratisches Paradebeispiel. Eine Ohrfeige für die Demokratie(n) in Europa?

Freihandelsbefürworter müssen aktiv werden!

Deutschland braucht eine verstärkte Debatte über Freihandelsabkommen. Schließlich handelt es sich dabei um Verträge über eine Ordnung von Wirtschaft und Wettbewerb – eine Ordnung, die neben Ideen und unternehmerischem Denken den Wohlstand und Frieden in Deutschland und anderen Ländern begründet, Steuereinnahmen sichert, die Durchführung öffentlicher Aufgaben ermöglicht und das Fundament für offene und pluralistische Gesellschaften bildet. Entgegen der oft aggressiv vorgetragenen Behauptungen der Gegner von CETA und TTIP gibt es in Deutschland bislang keine breite und ausgewogene gesellschaftliche Debatte über die Rechte und Pflichten, die aus Freihandelsabkommen erwachsen. Darüber hinaus wird von den Kampagnenmachern verschwiegen, dass wirtschaftliche Abschottung und Protektionismus mit schlechter Regierungsführung, Korruption, ethnischen Spannungen und wirtschaftlicher Unterentwicklung, nicht selten weit verbreiteter Armut, positiv korrelieren.

Durch die von vielen politischen Akteuren – aber auch Akteuren der Privatwirtschaft – so unbedarft hingenommene Deutungshoheit der Anti-Freihandelsnetzwerke entstand und verfestigte sich innerhalb der breiten deutschen Öffentlichkeit der Eindruck, CETA und TTIP würden vor allem Nachteile für Wirtschaft und Gesellschaft bringen. Vorgetragen, politisch unterstützt und (staatlich) finanziert wurden die damit verbundenen Kampagnen vor allem von politisch oder wirtschaftlich motivierten Organisationen, die von staatlicher Reglementierung abhängig sind oder von mehr staatlicher Intervention – vor allem auch in Form von finanzieller Alimentierung – profitieren würden. Dies betrifft vor allem diejenigen „Nicht“-Regierungsorganisationen, die faktisch als Sprachrohr eines politischen Establishments aus Regierungs- und Oppositionskreisen fungieren und davon gut leben können.

Viele Unternehmen und Wirtschaftsverbände scheuen sich heute vor allem aus Furcht vor Reputationsverlust vor einer deutlichen Positionierung für den Freihandel. Für diejenigen Unternehmen aus Handwerk und Mittelstand, die nicht direkt von Exporten abhängig sind, erscheint es aus Angst vor Reputationsverlust in einer vergifteten, emotional aufgeladenen Debatte sogar ökonomisch-rational, sich gegen – zumindest nicht für – die Handelsabkommen mit Kanada und den USA auszusprechen. Nicht zuletzt deshalb halten die Kampagnenführer der Anti-TTIP-Protestorganisationen die Debattenzügel nach wie vor fest in der Hand.

Wenn sich die hochgradige Asymmetrie innerhalb der Diskussionen um CETA und TTIP und die Wirkungsmacht der von den Kampagnenorganisationen vorgetragenen Metaphern in die Zukunft fortschreibt, verändert sich in der Bundesrepublik über kurz oder lang nicht nur die Einstellung zur Globalisierung. Auch das Modell der sozialen Marktwirtschaft, welches konstituierend auf einem funktionierenden Wettbewerb mit freier Preisbildung, offenen Märkten und einem schlanken, aber starken Staat basiert, würde schleichend an Akzeptanz verlieren. Deshalb müssen sich die Befürworter von Freihandel und pluralistischen Gesellschaften endlich offensiver zu Wort melden.

Dieser Text erschien zuerst im Magazin Novo Argumente.

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