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Wohin mit dem Ersparten?

Von Prof. Dr. Andreas Freytag und Gernot Pehnelt Hohe Auslandsschulden stellen immer dann ein gewisses Risiko dar, wenn es nicht gelingt, die Kapitalzuflüsse in produktivitätssteigernde Maßnahmen zu lenken.Angesichts der weltweiten Finanzmarktkrise fragen sich viele Anleger, wo sie ihr Kapital noch gewinnbringend und möglichst sicher investieren sollen, wenn selbst große Investmentbanken und staatliche Kreditanstalten ins Schlingern geraten. Der sich abzeichnende konjunkturelle Abschwung, sinkende Gewinnerwartungen und die damit verbundenen Risiken haben längst dazu geführt, dass Anleger in Ihren Investitionsentscheidungen äußerst zurückhaltend geworden sind. Diese verständliche Vorsicht tangiert auch Unternehmen und letztlich ganze Volkswirtschaften, die auf Kredite angewiesen sind, um Investitionen, Wachstum, Expansion, Schuldendienste und konsumtive Ausgaben zu finanzieren. Frisches Kapital ist – mehr als je zuvor – zu einer knappen Ressource geworden.

Insbesondere Unternehmen und Regierungen in Ländern, die bisher einen hohen Kapitalimport verzeichnet haben, werden sich in den kommenden Monaten mit dem Problem sinkender Kapitalzuflüsse konfrontiert sehen, da die bisherigen Geldgeber und potenzielle Investoren mittlerweile äußerst zurückhaltend in der Vergabe neuer Kredite und bei Direkt- und Portfolio-Investitionen geworden sind. Für einige osteuropäische Staaten, die in den vergangenen Jahren durch hohe Wachstumsraten beeindruckten (Tschechische Republik > 6%; Polen > 6%; Rumänien > 6%; Bulgarien > 6%; Litauen > 8%), könnten die aktuellen Entwicklungen kurzfristig zu einem Problem werden, da das Wachstum nicht zuletzt durch massive Kapitalimporte finanziert wurde. Dieser Kapitalimport ging konsequenterweise mit Leistungsbilanzdefiziten einher, d.h. die betreffenden Länder importierten wesentlich mehr Waren und Dienstleistungen als sie exportierten.

Eine solche Entwicklung ist per se keinesfalls negativ, da Leistungsbilanzdefizite und korrespondierende Kapitalbilanzüberschüsse letztlich durchaus als Ausdruck für die Attraktivität dieser Länder als Investitionsstandort für ausländische Unternehmen und Investoren interpretiert werden kann. Wenn es sich bei dem Kapitalimport primär um Investitionen handelt, die zu Produktivitätssteigerungen und mittelfristig zu mehr Wachstum und einer leistungsfähigen, hinreichend diversifizierten und international wettbewerbsfähigen Wirtschaft führen, sind Leistungsbilanzdefizite i.V.m. positiven Kapitalbilanzen sogar ausgesprochen positiv zu beurteilen. Polen, die Tschechische Republik und die Slowakei sind gute Beispiele dafür.

Andererseits stellen hohe Auslandsschulden immer dann ein gewisses Risiko dar, wenn es nicht gelingt, die Kapitalzuflüsse in produktivitätssteigernde Maßnahmen zu lenken. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich Regierungen bei ausländischen Kreditinstituten verschulden, um konsumtive Ausgaben bzw. wenig produktive Prestigeobjekte zu finanzieren oder der Kapitalimport nicht zu Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und somit zu einer Steigerung der Exportkapazität heimischer Unternehmen führt. Eine solche Situation birgt vor allem in solch unsicheren und turbulenten Zeiten das Risiko, dass verschuldete Unternehmen und Regierungen die fälligen Zinsen und Tilgungen nicht mehr voll bedienen können, wenn die Gewinne, das Wachstum und die Steuereinnahmen stagnieren und neue Kreditlinien nur zu verschlechterten Konditionen, d.h. höheren Zinsen gewährt werden. Antizipieren die Marktteilnehmer eine solche Entwicklung, gerät üblicherweise auch die Währung des betreffenden Landes unter Druck. Dies erhöht das Risiko einer Krise zusätzlich bzw. löst die Krise tatsächlich aus. Für einige mittel- und osteuropäische Staaten, wie beispielsweise Estland, die über ein currency board mit dem EURO-Raum verfügen, ist das letztgenannte Risiko freilich als vergleichsweise gering einzuschätzen.

Inwieweit die mittel- und osteuropäischen Staaten von den aktuellen Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten betroffen sein werden hängt zum einen von der realwirtschaftlichen Entwicklung sprich den Wachstumsaussichten für die kommenden Quartale und zum anderen von der Situation auf den weltweiten Finanzmärkten ab. Die groß angelegten Rettungspakete vieler Regierungen weltweit werden sicherlich zu einer Stabilisierung der Märkte beitragen und geben Sparern und Investoren eine gewisse Sicherheit zurück. Dennoch wird ein Rückgang privater Investitionen unausweichlich sein. Anleger und Investoren werden in Zukunft Ihre Entscheidungen mit größerer Sorgfalt treffen als in den vergangenen Jahren, und auf bestehende Risiken wesentlich sensibler reagieren, indem sie Abstand von besonders riskanten Investitionsprojekten nehmen oder die Risiken in den Zinsforderungen entsprechend „einpreisen“.

Vor allem für Staaten mit weniger diversifizierten Volkswirtschaften oder anderweitigen strukturellen und politischen Problemen erhöht dies das Risiko eines drastischen Rückgangs der ausländischen Investitionsaktivität. Das hat zur Konsequenz, dass die Wirtschaftspolitik noch mehr Anstrengungen unternehmen muss, gute Rahmenbedingungen für Investoren aus dem In- und Ausland zu schaffen. Der Standortwettbewerb wird härter, weil die Investoren noch kritischer sind. Es ist davon auszugehen, dass die mittel- und osteuropäischen Staaten diese Herausforderung offensiv annehmen werden. Trotz des erhöhten Risikos in Folge der aktuellen Finanzmarktkrise könnten sich deshalb einige dieser Länder auch in Zukunft als attraktive Investitionsstandorte erweisen.