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Gutachten: Das kosten Heils Rentenpläne

Hubertus Heil will mit seinen Plänen die Rente stabilisieren. Gelingt ihm das? Prof. Dr. Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle hat die Pläne für die INSM durchgerechnet und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.

Das komplette Gutachten können Sie hier herunterladen.

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag weitreichende Änderungen bei der Rentenversicherung angekündigt. Nun liegt der Referentenentwurf für das Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung („RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“) vor. Als Ziel wird darin formuliert: „Ein angemessenes und stabiles Sicherungsniveau ist wichtig für die Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung. Es muss generationenübergreifende vertrauensbildende Zusagen geben. Ebenso muss die Belastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler angemessen bleiben.“

Das hört sich zunächst gut an, aber schon diese Formulierung macht deutlich, wessen Interessen das höhere Gewicht haben: Während das Sicherungsniveau „stabil“ bleiben soll, ist die Formulierung bei der Belastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler schwächer: Sie soll „angemessen“ sein. Angemessen bedeutet aufgrund der massiven Leistungsausweitungen gegenüber dem Status quo „stetig und deutlich steigend“.

Dies wird im Abschnitt „F. Weitere Kosten“ des Referentenentwurfs auch klar benannt: „Durch die Leistungsverbesserungen und die Absicherung des Sicherungsniveaus in Folge dieses Gesetzes wird das verfügbare Einkommen der Rentnerhaushalte erhöht. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass durch die Beitragssatzerhöhungen im Zeitverlauf das verfügbare Einkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sinkt und die Beitragslast der Arbeitgeber steigt.“ Hinzu kommt, dass auch der zu erwartende höhere Bundeszuschuss zur Rentenversicherung zu steigenden Steuern führen wird, was wiederum die verfügbaren Einkommen sowohl der Rentnerinnen und Rentner als auch der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler reduzieren wird.

Die Maßnahmen werden insgesamt erhebliche zusätzliche Lasten für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler mit sich bringen, vor allem in der Zeit nach 2025, wenn das sogenannte demografische Zwischenhoch ausgelaufen sein wird. Da in Deutschland im Durchschnitt nur etwa 1,4 Kinder je Frau geboren werden, wird die Erwerbsbevölkerung langfristig zurückgehen. Dieser Effekt ist so groß, dass er unter realistischen Annahmen auch nicht durch mehr Zuwanderung oder andere Maßnahmen zur Steigerung der Erwerbstätigkeit vollkommen kompensiert werden könnte.

Das IWH hat im Auftrag der INSM berechnet, was die Maßnahmen aus dem Gesetzesentwurf für die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung bedeuten. Die Mehrkosten aller Maßnahmen gegenüber dem Status quo (doppelte Haltelinie bei Sicherungsniveau und Beitragssatz, Aufstockung der Mütterrente, Verbesserungen für Erwerbsgeminderte sowie eine Ausweitung der Gleitzone bei sogenannten Midi-Jobs) schlagen sich bis zum Jahr 2025 zwar kaum nieder, belaufen sich langfristig aber auf etwa drei Prozent in Relation zum Durchschnittslohn. Dieser Lastenanstieg kommt zu dem ohnehin aufgrund der Alterung zu erwartenden Anstieg der Abgaben hinzu. Ohne Leistungsausweitungen steigt die effektive Abgabenlast (Rentenversicherungsbeitrag plus Steuern zur Finanzierung des Bundeszuschusses aus Steuermitteln) bereits um etwa acht Prozent in Relation zum Durchschnittslohn. Insgesamt ist also langfristig ein Anstieg der Belastung des Faktors Arbeit mit Steuern und Beiträgen um über zehn Prozentpunkte zu erwarten. Allenfalls durch eine deutliche Erhöhung der Umsatzsteuer könnte dieser Anstieg etwas abgemildert werden.

Obwohl die zusätzlichen Maßnahmen also vor allem langfristig die Abgabenlast erhöhen werden, wird in dem Gesetzesentwurf nur bis zum Jahr 2025 über die Finanzierung nachgedacht. So heißt es in der Gesetzesbegründung: „Für die Einhaltung der Haltelinien bis zum Jahr 2025 werden die erforderlichen gesetzlichen Regelungen geschaffen und geeignete finanzielle Vorsorge getroffen. Für die Zeit nach dem Jahr 2025 erfolgt noch keine Festlegung.“

Es ist sicher richtig, dass es im Zusammenhang mit der Rentenversicherung ungelöste Verteilungsprobleme gibt. Altersarmut gibt es und sollte durch geeignete Maßnahmen gelindert werden. Die vorgesehenen Anpassungen bei der Behandlung der Einkommen zwischen 450 und 1300 Euro sind grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung. Von den Leistungsausweitungen profitieren aber auch gut situierte Rentnerinnen und Rentner, und zwar auf Kosten ihrer Kinder und Enkel. Viele Rentnerinnen und Rentner haben neben den gesetzlichen Renten auch noch andere Einkommensquellen oder haben nur für eine gewisse Zeit, zum Beispiel als Studierende, Arbeitseinkommen in der Spanne von 450 bis 1300 Euro bezogen, ohne im Alter bedürftig zu sein.

Es wäre viel gewonnen, wenn die Diskussion um Altersarmut und die allgemeine Rentenpolitik voneinander getrennt würden. Mit zunehmender Alterung wird sich die deutsche Gesellschaft in Zukunft nicht mehr leisten können, Umverteilung mit der Gießkanne zu betreiben. Ohnehin liegt der Schlüssel für auskömmliche Renten in der Erwerbsphase. Qualifikation und Gesundheit der Beschäftigten sowie Kinderbetreuungsmöglichkeiten stärker zu fördern wäre ein viel sinnvollerer Beitrag zur Vermeidung von Altersarmut, als die Leistungen für alle Rentnerinnen und Rentnern unabhängig von ihrer Bedürftigkeit auszuweiten.

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