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Organspende: Aktive Entscheidung statt Zwang

Wie kann die Quote der Organspender erhöht werden? Gesundheitsminister Jens Spahn schlägt eine doppelte Widerspruchslösung vor: Bürger müssten einer Organspende dann aktiv widersprechen, sonst würden sie automatisch zu Organspendern. Statt auf Zwang könnte der Staat aber auch auf eine andere Methode setzen: Maximilian Müller skizziert eine Lösung, bei der sich die Bürger "nur" entscheiden müssen.

Mehr als 10.000 Menschen in Deutschland warteten 2017 auf ein Spenderorgan. Lediglich 797 Organspenden wurden im gleichen Jahr durchgeführt. Gesundheitsminister Jens Spahn hat als einen Grund für diesen Missstand den mit 36 Prozent immer noch geringen Anteil an Bürgern mit Organspendeausweis ausgemacht und schlägt nun vor, anstatt der bisherigen aktiven Entscheidungslösung eine doppelte Widerspruchslösung einzuführen.

Während Bürger sich bisher aktiv für einen Organspendeausweis entscheiden und ihn selbst besorgen mussten, sähe Spahns Vorschlag das Gegenteil vor: Jeder Bürger käme bei Todesfall als Organspender in Frage, es sei denn er entscheidet sich zu Lebzeiten dagegen oder die Angehörigen widersprechen der Organspende im Todesfall. Ähnliche Regeln gelten bereits in zahlreichen Ländern wie etwa Spanien und Portugal, in denen deutlich mehr als 30 Spender auf jede Million Menschen kommen. Spahn erhofft sich von seinem Vorschlag ähnlich hohe Spenderzahlen in Deutschland, wo bisher lediglich etwas mehr als zehn Spender pro einer Million Einwohner gezählt werden.

Sein Vorschlag stößt allerdings nicht unbedingt überall auf Gegenliebe. Rainer Hank von der FAZ führt aus, diese Lösung liefe „auf eine erschlichene Lizenz zur Zwangsausschlachtung hinaus“. Auch bei einer Abstimmung der Süddeutschen sprachen sich 54 Prozent gegen den Vorschlag aus, da dieser das Recht auf Selbstbestimmung verletze. Und das, obwohl laut STATISTA 70 Prozent der Befragten grundsätzlich bereit wären, im Todesfall ein Organ zu spenden. Wie könnten wir von dieser generellen Spendenbereitschaft profitieren, ohne darauf zu vertrauen, dass diese 70 Prozent sich schon einen Ausweis besorgen werden, aber auch ohne irgendjemanden automatisch zum Organspender zu erklären?

Anstatt einer doppelten Widerspruchslösung könnten wir von jedem Bürger stattdessen eine aktive Entscheidung verlangen. Jedes Mal, wenn wir einen neuen Personalausweis oder Reisepass benötigen, müssten wir zwischen Beantragung und Abholung eine aktive Entscheidung treffen: Organspende im Todesfall – ja/nein? Falls ja, für welche Organe? Das Einzige, wozu wir hier gezwungen werden, ist eine Entscheidung. So wird niemand dazu gezwungen, Organspender/in zu werden. Dadurch sollte die Zahl an potenziellen Organspendern deutlich steigen, da Menschen, die grundsätzlich zur Organspende bereit sind, in diesem System der Organspende zustimmen würden.

Das Organspendesystem muss stetig Rechenschaft schuldig bleiben und seiner Verantwortung gerecht werden.

Zwar wird es rund zehn Jahre dauern, bis jeder mindestens einmal diese Entscheidung getroffen hat, dafür sollte dieses System jedoch nachhaltiger sein: Jedes Jahr beantragen Millionen Staatsbürger einen neuen Personalausweis oder Reisepass und könnten sich bei Missbrauch im Organspendesystem für ein Nein zur Organspende entscheiden. So muss das Organspendesystem stetig Rechenschaft schuldig bleiben und seiner Verantwortung gerecht werden.

Langfristig sollte dieses System daher zu mehr Akzeptanz und Bewusstsein in der Bevölkerung führen, ohne irgendjemanden bei fehlendem Widerspruch automatisch zum potenziellen Organspender zu erklären. Zwang zu einer Entscheidung, aber Freiheit in der Entscheidung – das wäre ein guter Kompromiss.

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