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Grundeinkommen: Warum die Idee so charmant wie ein Erfolg aussichtslos ist

Das Grundeinkommen ist viel diskutiert und findet in alle politischen Lagern Anklang. Der Finanzierungsbedarf jedoch wäre enorm, und die aus einem Grundeinkommen entstehenden gesellschaftlichen Probleme wären unkalkulierbar.

Gesellschaftliche Heilsversprechen gibt es viele. Doch bei keinem geht der Riss derart quer durch die ideologischen Lager wie beim Thema Grundeinkommen. Ob „links“ oder „rechts“ – überall finden sich glühende Anhänger und vehemente Kritiker. Der Jamaika-Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein sieht Modellprojekte vor – die Kanzlerin hält Grundeinkommen für „keine gute Idee“. Der Regierende Bürgermeister von Berlin plädiert für ein „solidarisches Grundeinkommen“ – seine SPD-Parteispitze ist skeptisch. Der überaus erfolgreiche Unternehmer und Gründer der DM-Kette, Götz Werner, wirbt seit Jahren massiv für ein Grundeinkommen – BDA und BDI sehen darin eine „Kapitulation vor der Arbeitswelt“. Gleichzeitig hat das Sujet Grundeinkommen auch den Kulturbereich längst erreicht. Die Erfolgsautorin Julie Zeh thematisierte es in ihrem jüngsten Roman „Unterleuten“ ebenso wie beispielsweise der ARD-Tatort vom 17. September 2018.

Kosten von bis zu 200 Milliarden Euro jährlich

Aber es ist nicht nur ein deutsches Thema. Die neue italienische Regierung plant derzeit mit aller Macht ein Grundeinkommen. In Finnland und Kanada werden bereits laufende Modellprojekte gerade eingestellt. Zweifellos hat das Konzept eines Grundeinkommens Charme – und zwar für alle politischen Lager. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ohne Bedürftigkeitsprüfung würde Sozialbürokratie entbehrlich machen. Und wenn zur Finanzierung nur noch die Mehrwertsteuer erhoben wird, wie Götz Werner es vorschlägt, verschlankt das auch noch den Steuerstaat massiv. Beides dürfte dem liberal-konservativen Lager gefallen. Die Linke könnte sich im Gegenzug daran wärmen, dass die Bürger fortan nicht mehr um Sozialleistungen „betteln“ müssen und mit dem Grundeinkommen im Rücken ihre Lohnverhandlungen gestärkt führen können.

Doch solche Wunschträume entpuppen sich bei näherer Betrachtung als gesellschaftliche Albträume. Der Finanzierungsbedarf für ein wie auch immer ausgestaltetes Grundeinkommen sprengt schlicht jede Vorstellungskraft. Als vor Jahren der Bürgergeld-Vorschlag des damaligen Thüringer Ministerpräsidenten Althaus (CDU) aufkam, bezifferte das ifo-Institut die Kosten auf jährlich bis zu 200 Milliarden Euro. Und dabei handelte es sich um ein Grundeinkommen von lediglich 800 Euro pro Monat.

Das Modell von Götz Werner sieht monatliche Zahlungen in ganz anderer Größenordnung vor. Von 1500 Euro für jeden Erwachsenen ist die Rede. Den zur Finanzierung nötigen Mehrwertsteuersatz nennt Götz Werner mit Verweis auf die Langfristigkeit seines Vorschlags leider nicht.

Radikalreform des Sozialstaates ist eine Illusion

Nach Berechnungen des Deutschen Steuerzahlerinstituts müsste der Mehrwertsteuersatz auf rund 130 Prozent steigen, um monatlich 1.500 Euro für jeden Erwachsenen und 500 Euro für jedes Kind zu finanzieren. Und das ist die rein statische Betrachtung, also ohne die Berücksichtigung von Verhaltensänderungen von Bürgern und Betrieben.

Unter dieser theoretischen, aber letztlich unrealistischen Annahme würde die Volkswirtschaft nach Einführung des Grundeinkommens genauso viele Güter produzieren wie davor. Die Nettoproduktionskosten würden durch den Wegfall der Sozialbeiträge und der bisherigen Steuern massiv sinken können. Im Gegenzug würde der Staat im Werner-Modell zur Finanzierung des Grundeinkommens und der sonstigen Ausgaben den Mehrwertsteuersatz drastisch anheben.

Solch eine Umfinanzierung des Steuer- und Sozialstaates ist theoretisch denkbar, aber praktisch eine Illusion. Denn bei einer derartigen Radikalreform sind selbstverständlich Verhaltensänderungen von Bürgern und Betrieben zu erwarten. Ein massiver Anstieg der Schattenwirtschaft (spart 130 Prozent Preisaufschlag), sinkende Arbeitsanreize in Teilen der Bevölkerung (4.000 Euro Grundeinkommen für eine vierköpfige Familie, Verdoppelung der ALG-II-Leistungen etc.) und unabsehbare Verwerfungen im Außenhandel (sinkende Nettoproduktionskosten beflügeln des Export – konstante Nettoproduktionskosten des Auslands, aber drastische Mehrwertsteuererhöhungen im Inland erschweren den Import) wären die Folgen. Die Besteuerungsbasis würde folglich erodieren.

Gleichzeitig müssten erworbene Sozialleistungsansprüche (zum Beispiel von Millionen von gesetzlichen Altersrentnern, die durch ein stellvertretendes Grundeinkommen schlechter gestellt würden) jahrzehntelang anteilig gewahrt werden, was die Finanzierung noch weiter erschweren würde. Somit wird schnell klar: Das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens muss als unfinanzierbar dem Reich der politischen Utopien zugeordnet werden.

Doch in der öffentlichen Diskussion lassen sich Anhänger des Grundeinkommens von derartigen Finanzierungsproblemen nicht abschrecken. Ihnen schwebt oftmals Höheres als schnöde Finanzierungstechnik vor. Es geht ihnen um nichts Geringeres, als die Menschen vom Erwerbszwang zu befreien. Es geht um ein neues Menschenrecht. Es geht darum, dass die Gesellschaft mit einem Grundeinkommen nicht nur das Existenzminimum erwerbsunfähiger Bürger, sondern aller Bürger absichert.

Nun mag solch eine Unterstützung ohne Gegenleistung in Familien und Kleingruppen zeitweise gelingen. In gesellschaftlichen Großgruppen ist das jedoch undenkbar. Bürger werden mehrheitlich und verständlicherweise nicht dazu bereit sein, für den Lebensunterhalt erwerbsfähiger Erwachsenen dauerhaft verantwortlich gemacht zu werden.

Und selbst wenn es gelänge, ein Grundeinkommen einzuführen, läge darin noch lange kein Gewinn an individueller Freiheit, wie das von den Anhängern des Grundeinkommens propagiert wird. Keine neuen Freiheiten, sondern neue Abhängigkeiten wären die Folge. „Befreit“ vom Erwerbszwang würden sich die Betroffenen in die ultimative Abhängigkeit von einem staatlichen Grundeinkommen begeben.

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