UmweltTagged , , , ,

Klimaschutz mit Marktwirtschaft: Wie die Politik den Kohleausstieg günstiger und klimafreundlicher gestalten kann

Der Kohleausstieg könnte die deutschen Steuerzahler weit mehr als 100 Milliarden Euro kosten. Eine marktwirtschaftliche Lösung über den europäischen Emissionshandel bietet dagegen nicht nur einen bezahlbaren Klimaschutz, es könnte sogar noch das nationale Klimaschutzziel für 2020 erreicht werden.

Ginge es nach dem in der „Kohlekommission“ erarbeiteten Kompromiss, würde das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland spätestens im Jahr 2038 vom Netz gehen. Damit die davon betroffenen Bundesländer diesem Kompromiss zustimmen, sind in den 20 Jahren bis 2038 Bundeshilfen für diese Länder in Höhe von 2 Milliarden Euro pro Jahr vorgesehen, insgesamt also 40 Milliarden Euro. Mit weiteren 2 Milliarden Euro an Steuermitteln pro Jahr sollen die Stromverbraucher entlastet werden, über 20 Jahre hinweg insgesamt ebenfalls 40 Milliarden Euro; insbesondere die energieintensiven Unternehmen sollen vor einem starken Anstieg ihrer Stromkostenbelastung bewahrt werden.

Unklar bleibt, ob diese Beihilfe von der Europäischen Kommission genehmigt würde, schließlich gibt es für die energieintensive Industrie bereits Ausnahmeregelungen bei der Stromsteuer und der Umlage für Erneuerbare. Diese Ausnahmen wurden in der Vergangenheit allerdings immer wieder von der Kommission infrage gestellt.

Zu den versprochenen 80 Milliarden Euro kommen weitere 5 Milliarden Euro für das sozial verträgliche Gleiten der Beschäftigten in den Ruhestand hinzu, von den 1,5 Milliarden Euro für das Sofortprogramm “Verkehr” ganz zu schweigen.

Wenngleich schwer kalkulierbar, werden zudem Entschädigungszahlungen für Kraftwerksbetreiber in Milliardenhöhe anfallen. In der Kostenkalkulation müssen nicht zuletzt auch die Opportunitätskosten in Form der durch den Kohleausstieg verloren gehenden Wertschöpfung berücksichtigt werden. Diese beläuft sich aktuell noch auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr.

Schließlich muss auch noch damit gerechnet werden, dass die Strompreise infolge des Kohleausstiegs deutlich stärker steigen könnten, als es durch die versprochene Entlastung der Stromverbraucher suggeriert wird. Nach Studien, die den Strompreisanstieg infolge des Kohleausstiegs auf rund 1 Cent je Kilowattstunde beziffern, wird die in Aussicht gestellte Strompreisentlastung von 2 Milliarden Euro pro Jahr bei Weitem nicht ausreichen, wenn man grob vereinfachend von einem jährlichen Stromverbrauch in Deutschland von 500 Milliarden kWh ausgeht. Tatsächlich dürfte die Differenz zwischen der versprochenen Entlastung von 2 Milliarden Euro und höheren Stromkosten von 5 Milliarden Euro eher die Untergrenze des jährlichen Beitrags der Stromverbraucher zum Kohleausstieg sein.

Alles in allem könnte der planwirtschaftlich organisierte Ausstieg aus der Kohleverstromung den deutschen Steuerzahler somit weit über 100 Milliarden Euro kosten.

Zum Vergleich: Für mehr als ein halbes Jahrhundert der Steinkohleförderung, die im vergangenen Jahr endete, wurden insgesamt rund 130 Milliarden Euro ausgegeben. Es stellt sich die Frage, was Steuerzahler und Stromverbraucher für diese enorme finanzielle Belastung als Gegenleistung erhalten, vor allem im Hinblick auf Treibhausgaseinsparungen. Leider lautet die Antwort: nach derzeitigem Stand wenig.

Die für den Betrieb der Kohlekraftwerke benötigten CO2-Zertifikate wären bei einem deutschen Kohleausstieg für andere Industrie- und Stromerzeugungsunternehmen in Europa verfügbar. Die in Deutschland aktuell durch die vorgezogene Stilllegung von Braunkohlekraftwerken („Stille Reserve“) vermeintlich eingesparten CO2-Emissionen werden lediglich andernorts ausgestoßen. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission im Jahr 2018 den Emissionshandel so reformiert, dass ab 2021 die durch Schließung von Kohlekraftwerken eingesparten Emissionen bei der ausgegebenen Menge an Zertifikaten berücksichtigt werden. Auch die Kohlekommission empfiehlt der Bundesregierung, im Zuge des Kohleausstiegs eine entsprechende Menge an Zertifikaten aus dem Markt zu nehmen, um dadurch die Emissionen in Europa tatsächlich reduzieren zu können.

Ist man sich über diese Zusammenhänge im Klaren, insbesondere die entscheidende Rolle der Kürzung der Zertifikatmenge, drängt sich eine naheliegende Alternative auf: Statt mithilfe eines teuren Ausstiegs aus der Kohleverstromung, könnte die Bundesregierung ihre Klimaziele punktgenau und deutlich günstiger erreichen, wenn sie direkt eine entsprechende Menge an Zertifikaten am Markt kaufen und anschließend vernichten würde.

Dieser marktwirtschaftliche Weg über den europäischen Emissionshandel hätte neben der Tatsache, dass er die effizientesten Klimaschutzmaßnahmen begünstigt, weitere Vorteile: Erstens gäbe es keine negativen Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit mit Strom, wie es bei einem Kohleausstieg befürchtet werden muss, und auch die Strompreise würden sich nicht entsprechend erhöhen. Zweitens blieben die Wertschöpfungseffekte durch die Gewinnung von Kohle und die Kohleverstromung erhalten und würden erst nach und nach mit der Stilllegung der Kraftwerke aus betriebswirtschaftlichen Gründen infolge steigender Zertifikatpreise zurückgehen. Drittens müssten den Kraftwerksbetreibern keine Entschädigungen gezahlt werden und Strukturhilfen für die Kohlebundesländer wären ebenfalls in deutlich geringerem Maße nötig.

Viertens ließe sich durch den Kauf einer entsprechenden Menge an Zertifikaten sogar das nationale Klimaschutzziel für das Jahr 2020, von dem sich die Bundesregierung bereits verabschiedet hat, noch erreichen. Die Lücke zum Ziel für 2020 beträgt derzeit rund 150 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Bei den aktuellen Preisen würde der Kauf der entsprechenden Menge an CO2-Zertifikaten rund 3 Milliarden Euro kosten. Das wäre deutlich billiger als der gefeierte Kohlekompromiss – durch den sich im Übrigen nichts an der Verfehlung des Klimaziels für 2020 ändern würde.

Fünftens erhielte die Bundesregierung auf diesem Weg Erlöse aus der Versteigerung der Emissionszertifikate, die die Betreiber der Kohlekraftwerke bei deren Weiterbetrieb kaufen müssen. Diese Erlöse könnten zur Gegenfinanzierung der Zertifikatkäufe zur Einhaltung der Klimaschutzziele verwendet werden.

Tatsächlich ist Deutschland durch die EU-Gesetzgebung ohnehin verpflichtet, ab dem Jahr 2020 eine große Zahl an CO2-Zertifikaten aufzukaufen, weil schon jetzt feststeht, dass die nationalen Klimaziele in den Sektoren Verkehr und Wärme deutlich verfehlt werden. Die Lücken muss Deutschland durch den Kauf von Zertifikaten schließen.

Noch ist es nicht zu spät für bessere Lösungen: Die Bundesregierung könnte im nun folgenden Gesetzgebungsverfahren den Kohlekompromiss noch abändern und auf den beschriebenen marktwirtschaftlichen Weg führen. So ließe sich die Einhaltung der nationalen Klimaschutzversprechen punktgenau und vergleichsweise günstig erreichen.

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram und Twitter, und bleiben Sie auf dem Laufenden über WhatsApp und Facebook-Messenger, RSS-Feed oder einen unserer Newsletter.