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Die besten Jahre kommen noch

Amerikaner und Chinesen laufen uns technologisch davon. Deutschland braucht neue Impulse ⎼ aber nicht von Crash-Propheten, die alles niederreden, sondern von Optimisten. Straubhaar gehört zu ihnen und empfiehlt der Wirtschaft: Bleibt innovativ, bleibt mutig, seid resilient!

Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist, meinte einst Theodor Heuss. Freilich ein nettes Wortspiel, was allerdings mit dem Begriff „Optimist“ genauso gut funktioniert. Tatsächlich hat der Optimist oft nicht weniger unrecht als der Pessimist. Aber zweifelsohne lebt er fröhlicher. Thomas Straubhaars Buch „Die Stunde der Optimisten ⎼ so funktioniert die Stunde der Zukunft“ gehört in diesem Jahr mit Sicherheit zu den Wirtschaftsbüchern, die einen nicht verzweifeln lassen, sondern zuversichtlich machen. Das ist schon mal der erste gute Effekt. Sein Buch setzt auf die Kraft der Vernunft und Pragmatik. Seine These: Die aktuellen Crash-Propheten liegen falsch, die Wirtschaft wird rosige Zeiten vor sich haben ⎼ und zwar, wenn wir in Deutschland endlich aufhören, Risiken über- und Chancen unterzubewerten.

Straubhaar, Professor für Volkswirtschaftslehre der Universität Hamburg und ehemaliger Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), ist sich sicher, dass die besten Jahre sogar noch vor uns liegen. Zwei Gründe, erstens: Die Geschichte der Menschheit ist über Jahrhunderte gesehen die des Fortschritts. Zweitens: Digitalisierung und Datenökonomie bieten so viele Chancen, dass es geradezu dumm und kleingeistig wäre zu glauben, unsere Enkelkinder und Co. wären nicht in der Lage, damit etwas anzufangen. Seine Forderung: Mehr jungen Menschen Verantwortung geben und sie in Verantwortung nehmen!

„Die digitale Kompetenz ist in Deutschland auf dem Schulhof und im Klassenzimmer größer als im Lehrerzimmer und auf den Vorstandsetagen der Firmen“, bemängelt Straubhaar. Künstliche Intelligenz und kluge Algorithmen würden neue Perspektiven jenseits menschlicher Vorstellungskraft eröffnen und bisher lange gültige Weisheiten und alte Glaubenssätze infrage stellen. Eine Art „Stunde Null“ sei angebrochen, die wir nutzen sollten, und zwar als die Stunde der Optimisten.

Was wie eine Aufforderung zur Einnahme einer Dosis Glückshormone klingt, ist ernst gemeint. „Dass die besten Jahre nicht vorbei sind, sondern erst noch kommen werden, soll die zentrale Botschaft dieses Buches sein“, meint der Autor. Er will eine optimistische Alternative zu pessimistischen Untergangsszenarien anbieten. Sein Buch möchte für Deutschlands Politik, Gesellschaft und Wirtschaft eine „angemessene Reaktion“ auf die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein.

Kulturelle Revolution

Zu diesen zählen für Straubhaar zuallererst die Digitalisierung „als Game  Changer“, die stärker noch als eine technologische eine kulturelle Revolution auslösen wird. Das Smartphone als zentrale Instanz dieser Revolution sei das Mittel für Teilhabe und Veränderung. Die Produktion mit 3D, der neue Reichtum durch Datenrohstoffe und die Chancen von Datentransparenz verlangten nach einer neuen Ökonomik, in der Qualität und nicht Quantität zähle. Und: „Digitalisierung und Daten werden eine längst verloren geglaubte Dezentralität wieder ermöglichen.“ Die Industrialisierung sei bisher in weiten Teilen mit der Zentralisierung einhergegangen. Die Fixkosten der Güterproduktion, also zum Beispiel die hohen Kosten der Produktionsanlagen, Fertigungsstraßen und Maschinen, erforderten bisher Fabriken, in denen Tausende von Beschäftigten arbeiteten. Heute erlaube jedoch die Digitalisierung eine Produktion losgelöst von fixen Standorten und Fabrikgeländen. Straubhaar: „Daten machen die Welt zum Dorf und Fabriken zu hybriden Gebilden.“

Masterpläne sind out

Das Problem für die langfristige Planung in der Arbeitswelt: Bisher galt, „nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“. Allerdings wird man „aus der Vergangenheit immer weniger verlässlich erkennen können, wie die Zukunft werden wird“, meint der Autor. Die Lösung, die Zukunft zu meistern, liegt für ihn in der Fähigkeit zur Resilienz, also in der Geschicklichkeit und Kraft eines Unternehmens, auf von außen wirkende Kräfte so zu reagieren, dass die Wettbewerbsfähigkeit gesichert bleibt. Es geht darum, sich rasch auf das Neue einzulassen. Resilienz ziele auf Adoption und Adaption, meint Straubhaar. „Resilienz beschreibt, wie ökologische und technologische Systeme weiter existieren können, wenn abrupt und unerwartet Ereignisse, wie eine Naturkatastrophe oder ein Erdbeben, eintreten und ein Fortbestehen gefährdet oder die Funktionstüchtigkeit infrage gestellt sind.“ Eine resiliente Wirtschaftspolitik sei offen für Veränderungen und lege nicht „die gesamte Reiseplanung bereits am Anfang fest“.

Resiliente Soziale Marktwirtschaft

Auch die Soziale Marktwirtschaft muss sich dieser Veränderung stellen. In einer resilienten Arbeitsmarktpolitik wird es nötig sein, über neue Arbeitszeitmodelle und (hybride) Beschäftigungsmodelle nachzudenken. In der Sozialpolitik steht nicht die Reparatur, sondern die Prävention im Fokus. „Weit weniger als in früheren Zeiten geht es künftig darum, Menschen im Laufe ihres Lebens vor Veränderungen zu schützen. Vielmehr steht von Kindesbeinen bis ins hohe Alter die stete Fähigkeit, sich an neue Situationen effektiv anpassen zu können“, schreibt Straubhaar. Die bisher eher reparierende Sozialpolitik, die Problemfällen helfen will, muss sich zu einer resilienten Wirtschaftspolitik weiterentwickeln, die Problemfälle erst gar nicht entstehen lässt.

Marktwirtschaftliche Effizienz und sozialer Ausgleich dürfen sich aber nach wie vor nicht ausschließen. „Das kann nur gelingen, wenn sich der Neoliberalismus als ideologischer Überbau der Sozialen Marktwirtschaft an seine Wurzeln erinnert und eben auch Verteilungsfragen offensiv und positiv anspricht.“ Regulierungen und Wettbewerbsgesetze sollen Eigeninteressen so zügeln, dass das Verhalten Einzelner auch dem Gemeinwohl zugutekommt. Während im Zeitalter der Globalisierung Effizienz und Wachstum die entscheidenden Begriffe waren, wird zukünftig das Gleichgewicht von Freiheit und Sicherheit unsere Wirtschaft bestimmen. Straubhaar ist sich sicher: „Es wird kein Mehr an Freiheit ohne ein Mehr an Sicherheit geben.“

Fazit

Der Begriff der Resilienz hat in den vergangenen Jahren in wirtschaftspolitischen Diskursen viel Popularität erlangt. Straubhaar führt diese Diskussionen mit seiner Forderung nach mehr unternehmerischer Resilienz weiter fort. Sein Tipp an die Wirtschaft lautet: Masterpläne sind out! Bewegt euch variabler! Angesichts chinesischer und amerikanischer Hightech-Entwicklung brauchen wir tatsächlich dringender denn je „Strategien des Aufholens“. Und so hat Straubhaar, auch wenn er ziemlich schulmeisterlich klingt, recht: „Wir müssen als Europäer besser werden!“

Thomas Straubhaar: Die Stunde der Optimisten – so funktioniert die Wirtschaft der Zukunft, Edition Körber, Hamburg 2019

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