OrdnungspolitikTagged , , , , , ,

Ein bisschen Wachstum wird nicht reichen – Was jetzt zu tun ist

Ohne grundlegende Veränderungen bei Investitionen, der Zuwanderung, der Reform der sozialen Sicherungssysteme und der Bildungs- und Steuerpolitik wird es keine Kehrtwende beim Trendwachstum und der Produktivität geben. - Ein Katalog notwendiger Reformmaßnahmen.

Deutschland setzt seinen Wohlstand der Zukunft aufs Spiel. Die Wachstumsraten sinken und nähern sich einer roten Null gefährlich an. Doch ohne Wachstum fallen wir zurück. Wir können neue innovative Produkte, neue Technik und neue Verfahren auf Dauer nicht mehr herstellen und nicht mehr konsumieren – jemand anderes wird immer schneller gewesen sein. Wir gelangen in eine Abwärtsspirale. Das bedeutet weniger Lebenschancen für eine ganze Generation und eine Abkehr vom Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft, dass es unsere Kinder einmal besser haben werden. Die wirtschaftliche Lage wird so zum gesellschaftlichen Pulverfass.

Automatisch werden wir zu höherem Wachstum und steigender Produktivität nicht zurückkehren, vor allem vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der sich abschwächenden Innovationsfähigkeit in Deutschland. Es stellt sich die Frage, ob das deutsche Wirtschaftsmodell in einem global stark gewandelten Umfeld wettbewerbsfähig ist und sich behaupten kann. Wenn nicht, braucht es dringend ein Update. Ohne grundlegende Veränderungen bei Investitionen, der Zuwanderung, der Reform der sozialen Sicherungssysteme und der Bildungs- und Steuerpolitik wird es keine Kehrtwende beim Trendwachstum und der Produktivität geben. Die Bundesregierung müsste darüber hinaus endlich aufwachen und den internationalen Freihandel verteidigen.

Können wir politisch noch die richtigen Entscheidungen treffen?

Sind wir gesellschaftlich für eine Neuaufstellung des Wirtschaftsstandorts Deutschland überhaupt bereit? Die Eckpositionen in der öffentlichen Debatte sind überwiegend angstgetrieben – Migration, Eurokrise, sozialer Abstieg, Klimaapokalypse, Anti-Globalisierung. Zudem wurde der politische Spielraum zur Ausweitung der Fachkräftezuwanderung durch die Flüchtlingskrise stark eingeschränkt. Und das, obwohl Deutschland mehr denn je auf ausländische Fachkräfte angewiesen ist. Um den Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft zu decken, benötigt Deutschland nach Studien der Bertelsmann-Stiftung in den kommenden Jahren mindestens eine Nettoeinwanderung von 260.000 Einwanderern pro Jahr – davon alleine 150.000 aus Nicht-EU-Staaten. Selbst bei großzügiger Schätzung werden von der Bundesregierung maximal 22.000 Fachkräfte erwartet, was nicht einmal 15 Prozent der Lücke decken würde. Ein modernes Zwei-Säulen-Einwanderungssystem mit Punktesystem nach dem Vorbild erfolgreicher Einwanderungsländer wie etwa Kanada würde die Akzeptanz von Einwanderung in der Gesellschaft mittelfristig verbessern. Uns allen sollte schon allein aus Eigeninteresse daran gelegen sein, dass leistungsbereite Menschen aus anderen Ländern gerne zu uns kommen, um den Standort Deutschland und damit den Wohlstand unseres Landes für die Zukunft zu sichern.

Die Schritte auf dem Weg zu einer höheren Produktivität

Auf dem Weg zu wirtschaftspolitischen Reformen gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wir kommen in eine lang anhaltende Stagnation oder gar Rezession, die dann harte Reformen unvermeidbar macht oder wir entwerfen endlich ein positives Selbstbild von wirtschaftlichem Wachstum und Wohlstand und dessen Voraussetzungen. Denn erst durch Spielräume für private Investitionen in Kombination mit klugen Köpfen, werden autonom fahrende Autos, klimafreundliche Flugzeuge oder Flugtaxis, die digitale Gesundheitsversorgung und vieles mehr möglich. Den Spielraum schaffen wir, indem wir den Solidaritätszuschlag für alle vollständig abschaffen und die Körperschaftssteuer von derzeit 15 Prozent auf höchstens 12,5 Prozent absenken, um international wieder wettbewerbsfähig zu werden.

Um eine höhere Produktivität und Innovation zu erreichen, müssen der Kapitalstock der Unternehmen modernisiert und ausgeweitet sowie mehr Investitionen in Wissen, Forschung und Entwicklung getätigt werden. Erst durch den Dreiklang Wissen, Kapitalstock und Zuwanderung können wir den demografischen Rückgang des Arbeitskräftepotenzials kompensieren und nachhaltig reales Wirtschaftswachstum erzielen.

Ist Wirtschaftswachstum etwas Positives?

Wirtschaftliches Wachstum ist dabei kein Selbstzweck, sondern bringt Neues und Besseres hervor: Aus der Schreibmaschine haben sich der Computer und das Mobiltelefon entwickelt, beim Auto bringen der Airbag oder autonomes Fahren mehr Sicherheit, als dies in der Vergangenheit möglich war.

Erfolgsgeschichten wie diese müssen wir uns als Gesellschaft zum Vorbild nehmen. Deswegen sind wir der Meinung, dass es nicht eine Agenda des Verzichts und der Verbote braucht, sondern eine Agenda der Innovation, des Muts und des Wachstums. Deshalb ist eine Frontstellung gegen die Industrie in der Klimapolitik kontraproduktiv, weil nur eine marktwirtschaftliche Innovationsoffensive die Lösung für den Klimawandel schafft. Wirtschaftswachstum und Wohlstand für alle können durch Innovation und Fortschritt von Umweltverschmutzung, Gefährdung der Biodiversität und CO2-Emissionen entkoppelt werden. Die Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung ist aber kleinteilig, national und ineffizient. Sie verhindert durch starre Vorgaben und eine Vielzahl nicht abgestimmter Instrumente Innovationen und langfristige Planungssicherheit. Wir fordern grundsätzliche Technologieoffenheit in der Klimapolitik. Die Diskriminierung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen gegenüber batterieelektrischen Antrieben muss beendet werden. Erst aus einer positiven Agenda können wir politische Entscheidungen treffen, die uns zu einem Wachstumspfad zurückführen. Ich bin davon überzeugt, dass wir den Trend stoppen können, damit Deutschland wieder zu einer höheren Arbeitsproduktivität kommen kann.

Digitalisierung

Die OECD hat berechnet, dass ein zusätzlicher Ausbau des Breitband-Internets um 10 Prozentpunkte die volkswirtschaftliche Produktivität um mehr als 1,5 Prozent beschleunigen würde. Neben dem Ausbau der Internetinfrastruktur müssen aber gerade kleine und mittlere Unternehmen mehr Investitionen in die Digitalisierung vornehmen, weil es bereits heute eine digitale Spaltung zwischen Innovatoren und abgehängten Unternehmen in Deutschland gibt. Ein Eigenkapitalturbo kann hier Anreize schaffen, damit Start-ups und Wachstumsunternehmen langfristig und nachhaltig ihr Eigenkapital investieren, zum Beispiel durch die Verbesserung der Thesaurierungsbegünstigung (§34a EStG) und eine Sonderabschreibung für Wirtschaftsgüter, die der digitalen Transformationen dienen soll.

Übrigens liegt hier auch die größte Möglichkeit für öffentliche Investitionen. Denn sosehr man in den Bau von Straßen, Schienen, Brücken investieren will, hätte dies in wirtschaftlich schwächeren Phasen stattfinden müssen. Momentan würde das in einer Bauwirtschaft an der Kapazitätsgrenze lediglich zu höheren Preisen und einem Crowding-out privater Investitionen führen. Stattdessen sollte die öffentliche Hand in Prozessinnovationen der öffentlichen Verwaltung und insbesondere ihre Digitalisierung investieren. Hier schlummert ein weitestgehend ungehobener Schatz.

Wettbewerb

Um mehr Produktivität zu erreichen, brauchen wir auch eine neue Wettbewerbsoffensive. Die Monopolkommission stellt für Deutschland und andere Industrieländer eine verstärkte Marktkonzentration fest. Das hat zum einen mit der Marktmacht der großen Internetgiganten zu tun. Zum anderen brauchen wir aber nicht nur hier, sondern auch in den traditionellen Branchen mehr Wettbewerb statt steuernder und wettbewerbsreduzierender Industriepolitik, wie sie die Bundesregierung in Deutschland und Europa plant. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht, wie man an der Industriestrategie des Wirtschaftsministers erkennen kann. Es ist daher besser, das Wettbewerbsrecht an den digitalen Wandel und die Globalisierung anzupassen, insbesondere bei der Fusionskontrolle und der Missbrauchsaufsicht.

Wenn schon Industriepolitik, so müsste diese groß gedacht sein. Statt mit einer Milliarde für die Batterieforschung einen Tropfen auf den heißen Stein zu liefern, der aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu einer dauerhaften Wettbewerbsfähigkeit führen wird, sollten lieber europäische Projekte zu Energiegewinnung und -transport angestoßen werden. Vorstellbar wären etwa große Solarparks in Südeuropa, mit denen in großem Stil Wasserstoff produziert wird, welcher wiederum beispielsweise zur Herstellung von E-Fuels verwendet werden kann.

Soziale Sicherungssystem

Mit aktuell 39,65 Prozent liegen die Lohnnebenkosten bereits heute auf hohem Niveau. Um Arbeit nicht noch stärker zu verteuern, dürfen wir uns langfristig nicht einfach mit immer höheren Beitragssätzen abfinden. Wir sollten Sozialversicherungsbeiträge schneller und entschiedener da senken, wo bereits ausreichend hohe Rücklagen in den Sozialkassen vorhanden sind. Ein solches Kapitalpolster von rund 25 Milliarden Euro existiert derzeit etwa im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Deshalb muss der Arbeitslosenversicherungsbeitrag zum 1. Januar 2020 um 0,3 Prozentpunkte auf 2,2 Prozent abgesenkt werden. Das entlastet Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf einen Schlag um rund 4 Milliarden Euro. In der Rentenversicherung werden wir hingegen – maßgeblich verschärft durch zahlreiche Wahlgeschenke der GroKo – mit ansteigenden Beitragssätzen konfrontiert sein. Noch keine Generation zuvor hat für die Rente mehr als ein Fünftel des Brutto-Lohns abführen müssen. Deshalb sollte der Beitragssatz zur Rentenversicherung auf maximal 20 Prozent begrenzt werden. So sichern wir langfristig die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und erhalten Arbeitsplätze in Deutschland.

Was wir brauchen, ist mehr Tempo für Experimente und Entdeckungen. Nur dadurch machen wir Deutschland zum Wirtschafts- und Industriestandort Nummer eins. Deshalb vertrauen wir den Menschen und Unternehmen in unserem Land, die endlich bessere Rahmenbedingungen und ein Entlastungsprogramm verdient haben. Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem gehandelt werden muss.

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram und Twitter, und abonnieren Sie unseren WhatsApp-Nachrichtenkanal, RSS-Feed oder einen unserer Newsletter.