OrdnungspolitikTagged , , , , , ,

Wie geht digitale Soziale Marktwirtschaft?

Die Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie wir arbeiten, produzieren, verkaufen und kaufen extrem. Ob die Soziale Marktwirtschaft ihrem Anspruch, Leistungsstreben, Wohlstand und sozialen Ausgleich in Balance zu halten, dieser neuen Art des Arbeitens und Wirtschaftens standhält, ist die Frage. Die Autoren dieses Buches prüfen, inwieweit sich die Soziale Marktwirtschaft verändern muss.

Schon verschiedene Experten haben sich den Kopf darüber zerbrochen, ob angesichts der Digitalisierung all unserer Lebensbereiche, insbesondere der Wirtschaft, nicht längst ein Nachfolgerezept für die Soziale Marktwirtschaft notwendig wird. Aus dem einstigen „Wohlstand für alle“ möge doch bitte endlich „Digitaler Wohlstand für alle“ werden, fordern manche Kritiker.

Tatsächlich sind heute Daten das neue Gold. Nicht das Besitzen ist schön, sondern das Teilen. Und wer sich nicht längst als Clickworker etabliert hat, scheint den Anschluss an die neue Arbeitswelt verpasst zu haben.

Das nun vorliegende Buch „Soziale Marktwirtschaft im digitalen Zeitalter“ geht etwas unaufgeregter (was gut ist), aber auch referatartig (was zäh ist) und interessengesteuert (was offensichtlich ist) mit den Veränderungen unseres Arbeits-, Produktions- und Wirtschaftsleben um. In dem Herausgeberband des Wirtschaftsrats der CDU versammeln sich rund 20 Autorinnen und Autoren in Führungspositionen aus verschiedenen Branchen der Wirtschaft, aus Medien, Banken, Gesundheit, aus Think Tanks, aus Politik und aus Forschung und Wissenschaft. In 17 Beiträgen auf 200 Seiten versuchen sie zu erklären, inwieweit die Soziale Marktwirtschaft auf die Digitalisierung und die damit einhergehenden neuen und manchmal schwierigen Marktbedingungen Antworten geben kann.

Es geht um Themen wie Ordnungspolitik und -rahmen, Markt, Wettbewerb, Innovation, Sicherheit und Chancengleichheit. Die Fragen sind: Wie gestaltet man einen fairen Wettbewerb in einer Zeit, in der es den größten Spielern scheinbar immer leichter gelingt, die kleinen zu schlucken? Wie sehen die neuen Verteilungskämpfe aus? Wie muss ein angemessener Schutz der Menschen vor den Gefahren der neuen technologischen Entwicklung funktionieren? Reicht da die Rückbesinnung auf die Werte und Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft? Oder muss der Bedeutung von Daten heute nicht viel mehr Rechnung getragen werden?

Digital-Enthusiasmus steigern

Die Soziale Marktwirtschaft ist keine Antwort auf die Digitalisierung. Darin sind sich die Autoren einig. Aber sie bietet immer noch verlässliche Rahmenbedingen, in der ein Wirtschaften mit Teilhabe und sozialem Ausgleich möglich ist. Das Neue: Ohne politische Zugeständnisse für eine Neu-Fokussierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geht es nicht.

So sollte der Staat für eine Datensouveränität sorgen, mit deren Hilfe Bürger eine „informierte Entscheidung darüber treffen können, welche Dienste und Funktionen sie nutzen möchten und welcher Art der Datenverarbeitung sie deshalb zustimmen“. Zudem sollte eine „Digitale Soziale Marktwirtschaft“ unsere Werte erhalten und nicht zerschlagen. Dazu bedürfe es nicht nur einer Digitalisierung, in die „humanistische Ideale einfließen“, sondern auch einer besseren technischen Infrastruktur und einer größeren Investitionsfreundlichkeit: Das Kapital soll die Start-ups suchen und nicht umgekehrt. Auch deswegen ist die Politik aufgefordert zu überlegen, wie sich möglichst viele Beschäftigte mit Fortbildungsmaßnahmen in der Industrie 4.0 abholen und ins digitale Zeitalter mitnehmen lassen.

Werte der Sozialen Marktwirtschaft übernehmen

Bereits 2017 hat das Bundeswirtschaftsministerium in seinem Weißbuch „Digitale Reformen“ zwei Ziele hervorgehoben: fairer Wettbewerb für die Gewährleistung von individuellen Grundrechten und Teilhabe. Auch im vorliegenden Buch geht es darum, sämtlichen Digitalanbietern in der Bundesrepublik mit der gleichen Konsequenz zu begegnen – ganz gleich ob es sich um ein kleines niederrheinisches Start-up handelt oder einen Silicon-Valley-Giganten. Offenheit und Wettbewerbs-Fairness sollen vor allem von der sogenannten Plattform-Ökonomie (Amazon, Google, Facebook, Alibaba) stärker eingefordert werden, meinen die Autoren. Denn Werte wie Kooperation, Vertrauen und demokratische Prozessgestaltung spielen in den großen (amerikanischen und chinesischen) Internet-Unternehmen eine viel zu kleine Rolle.

“Bis zum Schluss der Lektüre bleibt das Gefühl, dass auch die Experten noch etwas hilflos vor dem stehen, was uns die Digitalisierung tatsächlich einmal bescheren wird.”

Eine konsequente und wohlüberlegte Anwendung erwarten die Autoren in Bezug auf das Wettbewerbsrecht. Es sei nicht dafür da, politische Ziele zu verfolgen, die Marktposition bestehender Akteure zu erhalten oder sie vor Störungen zu schützen. Das Ziel sei: Unternehmen sollen nach wie vor darum wetteifern, konkurrenzfähige Lösungen entwickeln zu können – so wie es bereits Ludwig Erhard in „Wohlstand für alle“ formulierte: „Eine echte und ehrlich gemeinte Soziale Marktwirtschaft kann nur dann gewährleistet sein, […], wenn durch den freien Wettbewerb die bessere Leistung den Vorrang vor der schlechteren erhält und auf diese Weise über den Wettbewerb eine optimale Bedarfsversorgung nach Quantität, Qualität und Preiswürdigkeit erreicht wird.“ Und ob im Gesundheits- (Digital Health) oder im Finanzwesen (Digital Banking) oder der Wohnungspolitik (Leerstandsbereinigung durch die digitale Bereitstellung von relevanten Informationen) – die wichtigsten Faktoren für erfolgreiche Innovation und deren Umsetzung durch ein Unternehmen liegen heute nicht allein in den Datensätzen, sondern in der Art und Weise, wie Produzenten und Konsumenten damit umgehen (Ethik).

In welchem Maß die Digitalisierung Wirtschaft und Gesellschaft wirklich verändert, lässt sich kaum absehen. Doch es ist wohl sicher: So wie die Digitalisierung Einfluss auf die Soziale Marktwirtschaft nehmen wird, greift die in Deutschland tief verwurzelte Soziale Marktwirtschaft die wirtschaftlichen Entwicklungen und die neuen Handels- und Umgangsformen, die durch die Digitalisierung entstehen, auf – und wird auf sie notwendigerweise und sinnvoll einwirken. 

Fazit

Die Digitalisierung wird die Soziale Marktwirtschaft weiter vor große Herausforderungen stellen. Wie das geschieht, dazu geben in diesem Buch Autoren aus verschiedenen Branchen einen guten Überblick. Insofern lohnt sich ein Blick in die Seiten. Doch bis zum Schluss der Lektüre bleibt das Gefühl, dass auch die Experten noch etwas hilflos vor dem stehen, was uns die Digitalisierung tatsächlich einmal bescheren wird.

Wirtschaftsrat der CDU (Herausgeber): Soziale Marktwirtschaft im digitalen Zeitalter, Herder-Verlag, Freiburg 2019

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram und Twitter, und abonnieren Sie unseren RSS-Feed sowie unseren Newsletter.