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Weekender-Themen: Steuern, die Grünen, Strompreis, Ungleichheit, Schulden

Jedes Wochenende empfiehlt der Weekender fünf Vertiefungen zu wirtschaftspolitisch interessanten wie relevanten Themen der Woche. Heute: Olaf Scholz und der Wahlkampf, die Grünen und die Industrie, der Strompreis und die Wettbewerbsfähigkeit, die Industrialisierung und die Ungleichheit sowie das Corona-Virus und die Staatsschulden.

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Lassen sich mit der Ankündigung, die Steuern zu erhöhen, Wahlen gewinnen? Die Erfahrung spricht dagegen, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz will den Gegenbeweis antreten. Besserverdienende und Vermögende sollen höher besteuert werden, lautet sein neuer Wahlkampfslogan.

Die vermutete Strategie von Scholz: Das Wählerklientel überzeugen, dass im Falle eines SPD-Mitspracherechts in der nächsten Bundesregierung nicht die SPD-Wählerinnen und -Wähler von Steuererhöhungen betroffen sein werden, sondern die anderen, die Reichen.

Der politische Wettbewerb sorgt in der Regel aber dafür, dass derartige Differenzierungen in heißen Wahlkampfphasen eine überschaubare Reichweite erfahren. Die politische Konkurrenz wird jedenfalls ab sofort bei jeder Gelegenheit der SPD den Stempel der Steuererhöhungspartei aufdrücken wollen. Wir sind gespannt auf das Ergebnis im September.

Etwas weniger gespannt darf man bezüglich der konkreten Einführung einer Vermögensteuer sein. Neben der SPD wollen auch Grüne und Linke eine solche Steuer. Dabei sind die Schwierigkeiten hinlänglich bekannt – nicht nur in Deutschland. Kaum ein Land in Europa hat noch eine derartige Steuer (genauer gesagt sind es noch diese vier: Frankreich, Norwegen, Spanien und die Schweiz).

Die meisten Staaten sind an den Widersprüchen dieser besonderen Steuerart gescheitert. Vermögen regelmäßig zu besteuern ist nämlich problematisch. Der besteuernde Staat weiß im Zweifelsfall vom Vermögen seiner Bürgerinnen und Bürger wenig bis nichts. Und wenn er davon erfährt, ist die Bewertungsgrundlage, nämlich der Preis, unklar. Bisweilen gibt es gar keinen Preis, weil ein Markt fehlt. Wie als Steuerstaat das millionenschwere Erbstück im heimischen Tresor finden, bewerten und besteuern?

Das halbe Parteien-Spektrum in Deutschland möchte die 1996 nach einem Verfassungsgerichtsurteil ausgesetzte Vermögensteuer wieder zurück. Es könnte also lohnen, sich darüber schlau zu machen. Wir empfehlen ein aktuelles Paper der beiden Professoren Florian Scheuer und Joel Slemrod – ein Wissenschaftspapier, das auch für interessierte Laien verständlich ist.

🔖 Florian Scheuer (Zürich) und Joel Slemrod (Michigan): Taxing on Wealth


Apropos Wahlen gewinnen: Wie stehen die Grünen im Jahr 2021 zu Wirtschaft und Industrie? “Der Mensch droht inmitten einer späten Industrie- und Konsumgesellschaft geistig und seelisch zu ver­kümmern”, zitiert Marc Beise aus dem ersten Grundsatzprogramm der Grünen,  weshalb “ein völliger Umbruch unseres kurzfri­stig orientierten wirtschaftlichen Zweck­denkens notwendig” sei.

Und heute? Der Leiter der Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen Zeitung berichtet von einem Treffen zwischen der Co-Bundesvorsitzenden der Grünen Annalena Baerbock mit dem Lufthansa-Vorstandsvorsitzenden Carsten Spohr, bei dem dieser sagt: “Die Forderungen der Lufthansa an die Politik könnte man fast eins zu eins ins Programm der Grünen übernehmen. So nah sind wir uns bei unseren umweltpolitischen Vorstellungen.”

Nie waren die Grünen näher am Regieren auf Bundesebene wie in diesem Jahr. Marc Beise jedenfalls hält es für möglich, dass es den Grünen gelingen könnte, das zeitgemäße Erbe Ludwig Erhards anzutreten. Noch aber sei die neue Liaison fragil. Denn Erhards Erfolgsrezept sei das Motto “Im Zweifel für die Freiheit” gewesen, die Grünen aber seien “vom Start weg eine überzeugte Gebots- und Verbotspartei”.

🔖 Marc Beise: Die grünen Kinder Erhards


Der Strompreis in Deutschland ist bekanntlich ziemlich hoch. Falls es den Grünen mit der Liaison mit der Industrie ernst ist und falls sie ab Herbst im Bund regieren werden, könnten sie sich um den Standort Deutschland verdient machen und ihr Steckenpferd “Nachhaltige Energiepolitik” mit dem Thema “Nachhaltige Industriepolitik” zusammenbringen. Wie das geht? Die Stromkosten auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau senken. Dass die gegenwärtigen Strompreise die energieintensive Branche aus dem Land treiben, haben Joachim Hofer, Till Hoppe und Klaus Stratmann im Handelsblatt eindrücklich herausgearbeitet.

🔖 Handelsblatt: Hohe Strompreise vertreiben Hightech-Unternehmen aus Deutschland


Vergrößert die Corona-Pandemie die weltweite Ungleichheit? Vielleicht. Aber wie sieht eigentlich der Blick aus, wenn man ihn zeitlich weitet? Weg von jährlichen Schwankungen, hin zu den großen Linien? Alexander Fink und Fabian Kurz vom Thinktank IREF haben dies getan und stellen fest: Die Entwicklung der weltweiten Ungleichheit lässt sich grob in drei Phasen einteilen.

Bis zum Beginn der industriellen Revolution, um 1800, haben die allermeisten Menschen in extremer Armut gelebt, so die Autoren. Die globale Einkommensverteilung sei relativ gleich gewesen: Fast alle waren extrem arm. Bis zum Jahr 1975 habe dann die globale Ungleichheit deutlich zugenommen. Ungleicher, aber weniger arm sei das Leben im 20. Jahrhundert gewesen. 

Und heute? Die aktuellen Daten aus dem Jahr 2019 zeigten, so Fink und Kurz, eine Verteilung, die im Vergleich zu den beiden früheren Zeitpunkten als “gleicher und weniger arm“ beschrieben werden könne. Die weltweite Einkommensverteilung sei nicht mehr geprägt durch einen „reichen Westen“ und den „armen Rest“, sondern von einer globalen Mittelklasse, die deutlich jenseits der Armutsgrenze zu finden sei. Wie Berufspessimisten wohl mit einer solchen Faktenlage umgehen?

🔖 Alexander Fink und Fabian Kurz: Mehr für alle


Nicht arm, aber schuldenbeladen könnte die nächste Generation in Deutschland sein. 180 Milliarden Euro soll die Neuverschuldung allein des Bundes in diesem Jahr betragen. Als der Haushalt im Dezember beschlossen wurde, klang das üppig. Jetzt sieht die Lage anders aus. Möglicherweise muss es in diesem Jahr sogar einen Nachtragshaushalt geben. Manfred Schäfers von der FAZ-Wirtschaftsredaktion gibt einen guten Überblick über die ziemlich bedrückende Haushaltslage des Bundes.    

 🔖 Manfred Schäfers: Schulden bis zum Anschlag


Gute Kommentare, interessante Hintergründe – jeden Freitag präsentieren wir (Link zum Archiv) fünf Vertiefungen zu den wirtschaftspolitisch interessantesten und relevantesten Themen der Woche. > Newsletter-Anmeldung


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