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Reform der Riester-Rente: Was jetzt zu tun ist

Die Riester-Rente braucht dringend eine Reform, um das Instrument der Kapitaldeckung in der Bevölkerung nicht vollkommen zu diskreditieren. Das Ergebnis wäre, bei etwas mehr Risiko, viel mehr Ertrag. Was es dafür braucht? Die Abschaffung der Beitragsgarantie.

In der Berichterstattung rund um die Covid-19-Pandemie wird immer wieder um Vertrauen in die Politik geworben. Ein solches Vertrauen in politische Institutionen ist auch beim Thema Alterssicherung von großer Wichtigkeit, geht es hier doch um Entscheidungen, welche heute getroffen langfristige Auswirkungen für große Teile der Bevölkerung haben.

Dieses Vertrauen wird derzeit durch bloßes Nichtstun bei der geförderten kapitalgedeckten Zusatzvorsorge – allgemein als Riester-Rente bekannt – akut gefährdet. Von manchen politischen Akteuren wird nicht nur die Riester-Rente als solche, sondern auch gleich die Sinnhaftigkeit der Kapitaldeckung bei der Altersvorsorge generell infrage gestellt. Die Riester-Rente muss daher dringend reformiert werden, nicht allein um ihrer selbst willen, sondern vielmehr, um das Instrument der Kapitaldeckung in der Bevölkerung nicht vollkommen zu diskreditieren.

Die Riester-Rente hatte bereits einen schwierigen Start. Dies liegt vor allem daran, dass man es allen Seiten recht machen wollte und es somit am Ende – da unterscheidet sich die Altersvorsorge nicht vom Rest des Lebens – niemandem ganz recht gemacht hat.

Kapitalgedeckt sollte die neue Vorsorgeform sein, aber auch sicherheitsorientiert und freiwillig, mit Produkten, die der deutsche Sparer und die deutsche Sparerin schon kannten. Heraus kam eine Lösung, die zwar besser ist als ihr medialer Ruf, die aber zu Recht auch schon viel Kritik einstecken musste und damit hohe Vertrauensverluste in das kapitalgedeckte Vorsorgen fürs Alter fabriziert hat.

Dabei ist die Ironie der Geschichte, dass die meisten Riester-Produkte am Markt Lebensversicherungen sind, die weniger auf echte Vermögenstitel wie Aktien oder Immobilienpapiere setzen als vielmehr auf niedrig verzinste Staatsanleihen (eine Anlagepolitik, welche wiederum staatlich reguliert wird).

Echt kapitalgedeckte Zusatzvorsorge, wie etwa in Schweden, setzt hingegen auf einen hohen Aktienanteil, damit das Versprechen einer höheren Rendite auch wirklich eingelöst werden kann.

„Mit einem Rechnungszinssatz nahe null lässt sich ein zentrales Versprechen der Riester-Rente nicht mehr halten – die Beitragsgarantie.“

Selbst die schlechteste Presse konnte die Riester-Rente allerdings nie ganz erledigen, in der jüngeren Vergangenheit gab es sogar einen kleinen, erfreulichen Trend hin zu mehr aktienbasierten Produkten.

Doch nun wird die Existenz dieses wohl berühmtesten Vorsorgeprodukts durch schlichte Versicherungsmathematik bedroht. Was ist passiert? Der Gesetzgeber senkt den sogenannten Höchstrechnungszins zum 01.01.2022 erneut – von derzeit 0,9 auf 0,25 Prozent, was angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase verständlich ist. Was sich nach einer reinen Formalie anhört, besitzt jedoch starke Sprengkraft.

Mit einem solchen Rechnungszinssatz nahe der Null lässt sich nämlich ein zentrales Versprechen der Riester-Rente nicht mehr halten – die Beitragsgarantie. Diese garantiert jedem Sparer und jeder Sparerin, dass egal wie die Kapitalmärkte laufen, bei Renteneintritt mindestens die eingezahlten Beiträge bereitstehen. Dies hört sich erst mal gut an, war aber schon vor der geplanten Senkung ökonomisch höchst umstritten. Denn eine solche Garantie wird teuer bezahlt – mit dem Verzicht auf Rendite und damit einer wesentlich höheren Vorsorge.

Man kann dies an einem Beispiel verdeutlichen.

Maria Musterfrau zahlt über 40 Jahre jährlich – inklusive ihrer Zulagenansprüche – 1000 Euro in einen Riester-Sparvertrag. Mit Beitragsgarantie mag die Rendite für unser Beispiel drei Prozent betragen. Nach 40 Jahren ergibt dies ein Vorsorgevermögen von etwas über 75.000 Euro, was derzeit einer monatlichen Rente von ca. 200 bis 250 Euro entspricht.

Würde man auf die Beitragsgarantie verzichten, könnte man jedoch auch eine Rendite von fünf Prozent erwirtschaften – und diese Renditedifferenz dürfte eher konservativ geschätzt sein. Damit ergäbe sich dann ein Betrag von ca. 120.000 Euro oder etwa 350 bis 400 Euro monatlicher Rente.

Das ist ein signifikanter Unterschied. Natürlich steigt die Unsicherheit etwas, aber diese ist über solch einen langen Anlagezeitraum durchaus vertretbar und beherrschbar. Zumal die Riester-Rente nur einen kleinen Teil der Altersvorsorge ausmacht – die Basis sind ja immer noch die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung oder analoger Vorsorgesysteme.

Politische Stimmen, die der kapitalgedeckten Alterssicherung aus welchen Gründen auch immer kritisch gegenüberstehen, nehmen diese Unsicherheit gerne zum Anlass, eine solche Vorsorge komplett abzulehnen. Dies ist aber ein falsches Verständnis von Risiko und Unsicherheit.

Das Umlageverfahren – also dass heutige Beitragszahler die Rente heutiger Rentner bezahlen um morgen eine Rente bezahlt von zukünftigen Beitragszahlern zu empfangen – ist auch nicht risikolos.

Vielmehr gibt es hier demografische und politische Risiken. Bei der kapitalgedeckten Vorsorge gibt es hingegen ein Kapitalmarktrisiko (und bei Regulierung natürlich ebenfalls ein politisches).

Klug wäre, um alle Risiken entsprechend abzusichern, nicht alle Eier in einen Korb zu legen, sondern die Eier (Ersparnisse) auf mehrere Körbe (Vorsorgearten) zu verteilen. Man braucht also keine Beitragsgarantie oder sollte sie zumindest nur als Option anbieten – zumal sie mit einem niedrigen Höchstrechnungszins eben nicht mehr darstellbar sein wird. Je niedriger dieser Rechnungszins, desto weniger Kapital steht zur tatsächlichen Anlage zur Verfügung, da dann ein sehr großer Teil der Sparraten sicher „geparkt“ werden muss, um die Beitragsgarantie zu erfüllen. Doch beim „Parken“ entsteht keine Rendite und daher kommt es dann nach Abzug der Verwaltungskosten zu Verlusten, was dann wiederum die Beitragsgarantie verletzt.

Um das Vertrauen in die Riester-Rente also zu erhalten und dieses zarte Pflänzchen kapitalgedeckter Vorsorge nicht zu zertrampeln, muss politisch schnell gehandelt werden. Die Beitragsgarantie muss schlicht abgeschafft werden – was sowieso im Sinne der Sparer wäre, wie das obige Beispiel verdeutlicht.

Leider läuft das politische Spiel jedoch andersherum. Die Beitragsgarantie sorgt für niedrige Renditen, womit dann die Kritiker argumentieren, die kapitalgedeckte Vorsorge könne ihr Versprechen, höhere Renditen als das Umlageverfahren zu erwirtschaften, nicht halten. Eine Ausweitung des Umlageverfahrens ist aber insbesondere aus Sicht der Fairness gegenüber zukünftigen Generationen gerade nicht die Antwort.

Wenn das Bundesverfassungsgericht nun beim Klimaschutz die Generationengerechtigkeit anführt, sollte man diesen Maßstab auch bei der sozialen Sicherung anlegen. Dies kann im Falle der Alterssicherung dann nur heißen, dass heute lebende Generationen stärker für ihre eigene Vorsorge verantwortlich sind – beispielsweise durch längeres Arbeiten und das renditeorientierte Sparen mit echten Vermögenswerten. Nur so kann das Vertrauen in die Alterssicherungspolitik erhalten und gestärkt werden.

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