Weekender

Weekender-Themen: Naturkatastrophen, Impfpflicht, Grundrente, Klimaschutz, Wahlkampf

Jeden Freitag empfiehlt der Weekender fünf Vertiefungen zu wirtschaftspolitisch interessanten wie relevanten Themen.

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Wie gelingt es uns in Zukunft, besser mit Unwettergefahren umzugehen? Gert G. Wagner vom DIW Berlin und Christian Groß vom Sachverständigenrat für Verbraucherfragen fordern eine gesetzliche Pflicht zur Versicherung von Wohngebäuden. „Denn eine Versicherung sichert nicht nur im Schadensfall ab, sondern die Prämien für die Versicherung stellen auch einen steten Anreiz dar, individuelle und gesellschaftliche Vorsorge zu betreiben“, schreiben sie in einem gemeinsamen Beitrag in der ZEIT. Dafür müssten die Prämien je nach Gefahrenlage und Vorsorge gestaffelt sein. Die Folge: Wer günstige Prämien zahlen will, der muss geeignete Maßnahmen ergreifen. „Für den Schutz gegen häufig vorkommende Naturgefahren wie Platzregen“, so die Autoren, „sind bereits verhältnismäßig günstige technische Maßnahmen, etwa die Installation von Rückschlagklappen beim Abwasserabfluss, oft ausreichend, um schwere Schäden im Keller zu vermeiden.“ Freilich: Schutz gegen verheerende Naturkatastrophen wie die vor wenigen Tagen im Westen Deutschlands ist durch eine individuelle Vorsorge kaum möglich. Aber immerhin wären dann zumindest die meisten versichert. 

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Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, wie Maskenpflicht oder Ausgangssperren, sind in ihrer Struktur öffentliche Güter – und teilen damit ihr Dilemma: Wenn alle kooperieren, wird das Wohlergehen aller maximiert. Da aber Kooperation Kosten verursacht, hat jeder den Anreiz, die Kooperation anderer auszunutzen. Wenn alle zu Hause bleiben, steckt der, der rausgeht, sich nicht an. Weltweite Experimente zu öffentlichen Gütern hätten gezeigt, so schreiben Samuel Bowles und Katrin Schmelz auf Ökonomenstimme, „dass ohne Bestrafung von TrittbrettfahrerInnen das Niveau der anfänglichen Kooperation sinkt, da die BeitragszahlerInnen entmutigt oder verärgert werden, wenn andere keinen Beitrag leisten.“ Staatlicher Zwang führt bei Infektionsschutz-Maßnahmen also in der Regel zu besseren Ergebnissen als ausschließlich freiwillige Maßnahmen, so ihre Erkenntnis. Allerdings könnte es eine Ausnahme geben, nämlich bei der Impfpflicht. Befragungen der beiden Wissenschaftler zeigen, dass die Impfbereitschaft im Falle einer Impfpflicht sinkt. Ein Grund: die starke Untergrabung von intrinsischer Motivation durch expliziten Zwang oder Anreize. Eine solche Kontrollaversion kann mehrere Gründe haben, so die Wissenschaftler: das Streben nach Freiheit, das Ablösen moralischer Überzeugungen durch staatliche Vorgaben oder sich aufschaukelndes Misstrauen (Staat glaubt nicht an die Vernunft seiner Bürger). Wenig überraschend stehen Bowles und Schmelz daher einer COVID-19-Impflicht skeptisch gegenüber: Angesichts begrenzter staatlicher Kapazitäten zur vollständigen Durchsetzung einer Impfpflicht und des anhaltenden Widerstands sei eine zeitnahe Beendigung der Pandemie durch eine allgemeine Impfpflicht wenig aussichtsreich, schreiben sie.

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Kurz vor der Bundestagswahl erhalten die ersten Empfänger die von der großen Koalition eingeführte Grundrente. Ob das den Regierungsparteien im Wahlkampf helfen wird? Hoffentlich nicht. Denn die Grundrente ist Mist. Sie hilft nicht gegen Altersarmut, macht die unter der Demografie bald ächzende Sozialversicherung unnötig teurer, und sie ist zu komplex (weshalb die Grundrente erst jetzt ausgezahlt wird, obwohl sie seit Anfang des Jahres in Kraft ist). Trotzdem hat sie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD vor wenigen Tagen als „sozialpolitischen Meilenstein“ gelobt. „Passender wäre es wohl“, schreibt in der ZEIT Kolja Rudzio, „von einem sozialpolitischen Stolperstein zu sprechen. Oder von einem sozialpolitischen Irrlicht. Denn die Grundrente ist so vermurkst wie kaum eine andere Sozialreform der vergangenen Jahre.“

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Wie werden die Klimaschutz-Ziele a) erreicht und b) zu den niedrigst möglichen Kosten umgesetzt? Indem die Treibhausgasemissionen mithilfe unseres marktwirtschaftlichen Systems reduziert werden! Im Podcast des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW aus Mannheim erklärt Sebastian Rausch, Leiter des Forschungsbereichs „Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement“ am ZEW, wie eine solche effiziente Klimapolitik aussehen kann. Und hier hat das ZEW ausgerechnet, wie viel Geld sich mit guter Klimapolitik sparen lässt.

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Kaum ein großes Land ist so stark in internationale Verflechtungen eingebunden wie Deutschland. Dennoch spiegelt sich die Bedeutung einer funktionierenden Weltwirtschaft für den deutschen Wohlstand in den dominierenden Wahlkampfthemen nicht wider, sagen Lukas Boer und Lukas Menkhoff vom Wirtschaftsforschungsinstitut DIW in Berlin. Dabei ist die Offenheit der Weltwirtschaft und damit die Lebensfähigkeit des deutschen Wirtschaftsmodells gefährdet. „Längst ist die Phase zunehmender Globalisierung zu Ende“, schreiben die Autoren in einer Sonderausgabe von „DIW aktuell“ zur Bundestagswahl. Boer und Menkhoff haben die Wahlprogramme der Parteien analysiert. Ihre Erkenntnis: „Das Themenfeld Wirtschaft spielt in allen Programmen eine erhebliche Rolle. Allerdings liegt der Fokus eher auf Arbeitnehmerthemen, wie der sozialen Sicherung. Die internationale Wirtschaft dagegen taucht nur am Rande auf.“ Warum das so ist? „Vermutlich sind weltwirtschaftliche Themen nicht leicht zu verkaufen“, spekulieren die beiden Ökonomen.


Gute Kommentare, interessante Hintergründe – jeden Freitag präsentieren wir (Link zum Archiv) fünf Vertiefungen zu den wirtschaftspolitisch interessantesten und relevantesten Themen der Woche. > Keinen Blogpost verpassen