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Weekender-Themen: Konzertierte Aktion, Kalte Progression, Nachholfaktor, Übergewinnsteuer, Inflation

Jeden Freitag empfiehlt der Weekender fünf Vertiefungen zu wirtschaftspolitisch interessanten wie relevanten Themen.

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Konzertierte Aktion – Wenn Gewerkschaften bei hoher Inflation in Tarifverhandlungen gehen, stecken sie in einem Dilemma. Ihre Mitglieder fordern als Abschluss mindestens den Inflationsausgleich, doch bergen solche prozentual hohen Abschlüsse nicht nur das Potenzial, eine Lohn-Preis-Spirale in Gang zu setzen, sondern auch die Gefahr von Arbeitsplatzverlusten, nämlich dann, wenn die Unternehmen die höheren Kosten nicht an ihre Kunden weitergeben können. Bundeskanzler Olaf Scholz hat deshalb jüngst eine „konzertierte Aktion“ von Politik und Sozialpartnern zur Inflationsbekämpfung ausgerufen. Damit sich Zeiten wie in den 1970er-Jahren nicht wiederholen, als hohe Energiepreise die Inflation trieben und hohe Tarifabschlüsse diese Inflation verfestigten. Die Folge damals: Massenarbeitslosigkeit. Dietrich Creutzburg beleuchtet in der FAZ die schwierige Lage, in der Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und die Politik aktuell stecken – wie immer – ordnungspolitisch gekonnt.

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Kalte Progression – Wirtschaftsminister Robert Habeck möchte gern kleine und mittlere Einkommen von der kalten Progression entlasten. Finanziert werden solle diese „Entlastung“ (die eigenlich keine ist, sondern bei Inflation ein berechtigter Ausgleich der Steuerzahler in einem progressiven Steuersystem) auf Kosten der Einkommensstarken, so Habecks Idee. Dafür müsste der Spitzensteuersatz steigen, von heute 42 auf dann 57,4 Prozent, hatte Christian Lindners Finanzministerium darauf flink ausgerechnet. Und das Institut der deutschen Wirtschaft rechnet uns darüber hinaus vor, was das in Euro und Cent den besserverdienenden Steuerzahler kosten würde. Die Zahlen zeigen: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ gibt es auch im Steuersystem nicht.   

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Nachholfakor – Auf Drängen der FDP hatte es die Wiedereinführung des Nachholfaktors (Definition) in der gesetzlichen Rente in den Koalitionsvertrag geschafft. Eine löbliche Sache für alle, die der Meinung sind, dass die junge Generation in der Politik zu wenig Gehör findet. Als dann Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Rentenerhöhung zum 1. Juli 2022 verkündete, waren mindestens die Experten über die Höhe erstaunt (im Westen plus 5,35 Prozent, im Osten plus 6,12 Prozent). Auch der Direktor des Munich Center for the Economics of Aging (ein Max-Planck-Institut) Axel Börsch-Supan. „Die Bundesregierung nutzte ihre Ermessensspielräume bei der Berechnung der Rentenanpassungen stark zugunsten der Rentnerinnen und Rentner“, sagte Börsch-Supan als Sachverständiger bei der öffentlichen Anhörung zur Rentenanpassung des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag. Die Rentenerhöhung sei insbesondere vor dem Hintergrund einer gerechten Lastenverteilung zwischen der älteren und der jüngeren Generation zu hinterfragen. – Nach Berechnungen von Börsch-Supan hätten die Renten im Westen nur um 3,99 Prozent steigen dürfen.

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Über Übergewinnsteuer – Laura Eßlinger von der Zeitschrift Capital hat mit der Ökonomin Dominika Langenmayr über die sogenannte „Übergewinnsteuer“ gesprochen. Langenmayrs Fazit: Die Übergewinnsteuer ist keine gute Idee. Es sei „mehr oder weniger willkürlich, was am Ende ein Übergewinn ist.“ Hinzu käme, so Langenmayr, dass Übergewinne in der Marktwirtschaft eine notwendige Funktion hätten. „Sie entstehen nicht zufällig, sondern weil auf einmal die Nachfrage steigt oder das Angebot zurückgeht. Sie setzen ein Signal, dass dieser Markt attraktiv ist und andere in den Markt eintreten sollen.“ Die Maskenhersteller zum Beispiel hätten im Frühjahr 2020 sehr hohe Gewinne gemacht, so Langenmayr. „Das waren ja auch Übergewinne, die man hätte besteuern können. Dadurch dass andere Teilnehmer in den Markt eingestiegen sind und auch Masken produziert haben, gingen die Übergewinne zurück. Und einige Monate später konnten wir in jedem Supermarkt günstig Masken kaufen. Die Existenz der Übergewinne war wichtig für das Funktionieren der Marktwirtschaft.“ 

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AngebotsinflationWas kann politisch gegen die hohe Inflation in Deutschland getan werden? Menschen mit geringen Einkommen gezielt helfen und eine Angebotspolitik forcieren, die das Produktionspotenzial in Deutschland erhöht, meint im neuen Wirtschaftsdienst der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum. Anders als in den USA habe es Europa mit einer viel unmittelbareren Angebotsinflation zu tun. „Die zielführende Antwort in der gegenwärtigen Situation besteht darin, die Folgen der Inflation sozial abzufedern und durch geeignete Angebotspolitik sukzessive abzubauen“, so Südekum. Der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien sollte dabei eine der obersten Prioritäten sein, nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch aus geopolitischem Interesse, so der Ökonom. 


Gute Kommentare, interessante Hintergründe – jeden Freitag präsentieren wir (Link zum Archiv) fünf Vertiefungen zu den wirtschaftspolitisch interessantesten und relevantesten Themen der Woche. > Keinen Blogpost verpassen