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Die Kosten der Moral

Wann sind wir bereit, altruistisch zu agieren? Ist uns unser Image wichtiger als unser moralisches Handeln? Oder hängt beides zusammen? Untergraben Märkte die Moral? Armin Falk analysiert in seinem neuen Buch, warum wir nicht alle moralische Superhelden sein können. Das Abwägen von Eigen- und Fremdinteressen scheint uns in unserem Drang nach Uneigennützigkeit oft zu verhindern.

Was ist eigentlich ein guter Mensch? Eine einfache Frage, auf die es leider keine allgemeingültige Antwort gibt. Denn der Wille, gut zu sein oder Gutes zu tun, hängt maßgeblich davon ab, wie unsere Kostennutzenrechnung aussieht: „Moralisches Handeln folgt einer Abwägung von Kosten und Nutzen. Deswegen fällt es uns schwer, ein guter Mensch zu sein“, erklärt der Verhaltensökonom Armin Falk. Das Gute ist in der Regel nicht kostenlos zuhaben – es kostet immer etwas, zum Beispiel Zeit oder Geld. „Wäre der moralische Akt kostenlos zu haben, wären wir wohl alle moralische Superhelden“, meint Falk. Doch so steht fest: „Moral hat ihren Preis“.

Armin Falk ist Leiter des Instituts für Verhaltensökonomik und Ungleichheit (briq), Direktor des Labors für Experimentelle Wirtschaftsforschung und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn. In seinem neuen Buch „Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein“ versucht er zu erklären, warum wir uns mal für und mal gegen prosoziales und altruistisches Handeln entscheiden. Sein empirischer Ansatz basiert auf Laborexperimenten, Feldbeobachtungen und Magnetresonanztomografie, die er mit Probanden in den vergangenen Jahren unternommen hat.

Fairness und Vertrauen fördern gutes Handeln

Altruistische Verhalten ist demnach umso wahrscheinlicher, je größer die positiven Auswirkungen einer Handlung sind. „Potenzielle Spender achten sehr genau auf die Wirksamkeit ihrer Spende“, schreibt Falk – also auf die Wirkung der positiven Effekte. Eigennutz und Moral stünden in einer ständigen Konfliktbeziehung. Sie speisten sich aus zwei miteinander widerstrebenden Kräften: Zum einen suchen wir den materiellen und egoistischen Vorteil, zum anderen wollen wir die Interessen der anderen wahren. Eine Diskrepanz, die menschlich ist. Falk: „Ohne Egoismus kann sich das Individuum nicht behaupten.“

Gutes Handeln hat auch mit unserer Eitelkeit zu tun. „Uns motiviert der Wunsch nach einem positiven Image, nach einer positiven Selbst- und Fremdwahrnehmung“, schreibt Falk. So nähmen viele aus Imagegründen einen eigenen Becher zum Coffee-to-go mit als der Umwelt zur Liebe. Andere äßen zwar vegan, hätten aber kein Problem, für den Urlaub im Flieger um den Globus zu jetten. Auch im Berufsleben wären viele bereit, für Aufstieg und Anerkennung skrupellos zu agieren.

Wann handeln wir aber uneigennützig oder moralischer? Falk meint: Es fällt uns leichter, ein guter Mensch zu sein, wenn andere gut zu uns sind – und schwer, wenn andere uns unfair oder unkooperativ begegnen. „Wir arbeiten besser, spenden mehr und geben mehr Trinkgeld, wenn man uns freundlich begegnet. Gleichzeit bestrafen wir jene, die uns unfair behandeln, im Labor oder am Arbeitsplatz“, schreibt Flak. Fairness und Vertrauen seien daher wichtige Motivatoren, und ein kluges Management sollte sich dessen stets bewusst sein.

Märkte ohne Moral?

Bestimmte Umstände verändern allerdings die subjektiv wahrgenommenen Kosten und Nutzen und damit den Grad an moralischem Handeln. Die geschieht zum Beispiel in Gruppen oder auf Märkten, wo wir als Akteure nur einen begrenzten Einfluss auf das tatsächliche Geschehen haben. Falk zu Folge neigen Menschen in Gruppen zu weniger moralischem Verhalten. Viele glauben nämlich dann, dass ihr Handeln für den Fortgang der Dinge nicht ausschlaggebend oder „pivotal“ – wie Falk es nennt – ist.  Doch untergräbt der Markt tatsächlich die Moral? Ökonomen bezweifeln das. Falk ist grundsätzlich ein Verfechter freier und globalisierter Märkte: Sie ermöglichen „eine mit Wachstum verbundene positive Entwicklung in ganz unterschiedlichen Bereichen“ wie bei Kindersterblichkeit, Gesundheit, Bildung oder Armutsbekämpfung. Doch seine Forschungen ergaben, dass die Moral immer eben dann keine Rolle mehr spielt, wenn sich keiner mehr verantwortlich fühlt.

Märkte machen uns „moralisch indifferent“. Das liegt laut Falk an der „Diffusion von Verantwortung, die sich durch die komplexe Verschachtelung von Herstellung, Vertrieb und Kauf ergibt. Ich würde so weit gehen zu sagen, dass Märkte eine totale Diffusion erzeugen. Einfach, weil auf beiden Seiten des Marktes, also auf der Käufer- und Verkäuferseite, individuelle Zuschreibung diffus ist.“

Ob das tatsächlich für alle Märkte und Teilnehmer gilt, bleibt zu diskutieren. Vielleicht ist es mit Märkten eher so, wie mit einem guten Medikament: Es hilft, aber es hat auch heftige Nebenwirkungen. Und diese – schreibt Falk – „gilt es im Fall der Märkte durch staatliche Eingriffe und Regulierungen zu minimieren“.

Fazit

Ein gut geschriebenes Buch über die Moral ohne moralischen Zeigefinger! Falk gelingt es, einen verhaltensökonomischen Ratgeber vorzulegen, dessen Lektüre sich zum einen für diejenigen lohnt, die sich wundern, warum wirtschaftlicher Erfolg nicht allein mit Zahlen zu erreichen ist. Und zum anderen für alle, die wissen wollen, was wir tun können, um dem Guten eine Chance zu geben. Die Einsicht lautet: Letztlich ist Gutes tun eine Entscheidung, eine Handlung.

Falk, Armin. 2022. Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein: …und wie wir das ändern können: Antworten eines Verhaltensökonomen. Siedler Verlag: München.

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