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Abwrackprämie: unmoralisches Angebot

Vor allem die Hersteller kleiner Autos profitieren von der AbwrackprämieSeit gestern steht fest: Der Subventions-Topf für Neuwagen wird aufgestockt. ÖkonomenBlog-Autor Andreas Freytag kritisiert: Mit der Abwrackprämie werden Kapital vernichtet, die Steuerzahler belastet, aber der Autobranche nicht nachhaltig geholfen. Man stelle sich vor, eine Familie gerät in Not, weil Arbeitszeit und Gehalt für die Eltern gesunken sind. Als Reaktion beschließen sie daraufhin, den 10 Jahre alten, aber völlig funktionsfähigen Küchenschrank auf den Sperrmüll zu stellen und selber einen neuen Schrank zu bauen, für dessen Materialien die Familie einen Kredit aufnimmt. Damit wird die Beschäftigung innerhalb der Familie gesteigert, und heutige Kosten werden in die Zukunft verlagert. Absurd? Nein, keineswegs, denn nichts anderes macht die deutsche Volkswirtschaft gerade. Funktionsfähiges Kapital (mindestens 9 Jahre alte Autos nämlich) wird in der Krise vernichtet, um der darbenden Automobilindustrie neues Leben einzuhauchen. Die Kosten dafür tragen spätere Steuerzahler. Offenbar gelingt dies vordergründig sehr gut, denn die in Aussicht gestellte Gesamtsumme von 1,5 Milliarden Euro Prämien ist nahezu erschöpft. Die Konsequenzen sind allerdings dramatisch: Der Schuldenberg der Deutschen wächst um weitere 1,5 Milliarden Euro, der Gebrauchtwagenmarkt leidet wegen der Subventionierung der Neuwagen, die Vernichtung der funktionstüchtigen Fahrzeuge lässt die Preise für Autos in Afrika stark steigen, was nicht als entwicklungsfreundlich eingestuft werden kann, und die Automobilindustrie löst ihre Probleme 2009 auf Kosten der Verkäufe in 2010 und 2011.

Denn es ist davon auszugehen, dass ein großer Anteil der heutigen Käufer ohnehin in Kürze ein neues Auto gekauft hätte, denn irgendwann würde das alte Fahrzeug nicht mehr den Ansprüchen genügen. Insgesamt hat die Abwrackprämie der Automobilindustrie einen Umsatz von etlichen Milliarden Euro eingebracht. Dieser Umsatz wird in 2010 und den Folgejahren nicht mehr gemacht. Insofern ist zu erwarten, dass die Krise in der Automobilindustrie nur verlängert, aber keineswegs gelöst wurde.

Und dennoch fordern Politiker seit Wochen – berauscht vom vordergründigen Erfolg der Prämie – ihre Weiterführung. Die gestern getroffene Vereinbarung zwischen der Kanzlerin und ihrem Stellvertreter ist nüchtern betrachtet nicht mehr als ein populäres Wahlgeschenk. Selbst wenn sie nochmals so erfolgreich wäre, würde sich das Problem der Autohersteller für die nächsten Jahre nur verschärfen. Sie stehen einer Kundschaft gegenüber, deren Fuhrpark sich erheblich verjüngt hat und die deshalb in Zukunft weniger Nachfrage äußern wird. An dieser Stelle hätte ich einen Vorschlag für die Politik: Warum wird die Abwrackprämie nicht permanent gezahlt? Dazu bräuchte man nur das Alter der zu verschrottenden Autos immer weiter zu senken. Irgendwann könnten die Autos dann gleich vom Band in die Schrottpresse rollen. Der ökonomische Erfolg wäre durchschlagend. Und wenn die Regierung schon mal dabei ist, könnte sie die Abwrackprämie auf andere Industrien ausdehnen. Münchhausen lässt grüßen!

Zurück zur Sache: Vor dem Hintergrund gesunkener Einkommen und Vermögen ist es nicht nachvollziehbar, vollauf funktionierende Güter einfach zu vernichten und durch neu zu produzierende zu ersetzen. Es findet gesamtwirtschaftlich keine Wertschöpfung statt, wenn die Regierung Steuergelder (oder Neukredite, d.h. zukünftige Steuergelder) dazu verwendet, Bestehendes zu vernichten und eigentlich nicht geplante Käufe zu subventionieren. Die Automobilindustrie mag kurzfristig gewinnen, andere werden verlieren. Denn es werden natürlich alternative Verwendungen für das Geld der Käufer verdrängt, weswegen auch andere Sektoren Anspruch auf eine Abwrackprämie reklamieren könnten. Das galt schon für die erste Runde der Abwrackprämie. Nun sollte diese intellektuelle und moralische Fehlentwicklung besser beendet, anstatt fortgesetzt werden.


Zur Grafik: Vor allem die Hersteller von Kleinwagen profitieren von der Abwrackprämie. Dagegen leiden die Premiummarken weiter unter der allgemeinen Absatzflaute, berichtet die NZZ in ihrer Online-Ausgabe vom 19.03.2009.